Jch sahe ferner, weil es Abend, im Westen, ein beschneites Feld, Jn einem Augen- blendenden und mehr als Silber-weissen Glänzen, An die fast güldne Abendröhte des Himmels, am Gesichts- Kreis, grenzen. Es ward hiedurch ein silberner und güldner Schmuck uns vorgestellt, So daß das uns sonst ohnedem so angenehme Farben- Spiel Auch selbst den Unachtsamsten fast aufmerksam macht und ihm gefiel.
Wie es nun mir vor vielen andern ein ungemein Ver- gnügen machte, Fing ich gerühret an, und dachte: Mein GOtt! wie hell und herrlich mahlen Auch die entfernte Sonnen-Strahlen, Auch selbst im Winter, Fluht und Feld! Wie wird auch itzt das Aug' erfreuet! Es scheinet die beschneite Welt, Als wäre Licht darauf gestreuet. Schau, wie des Eises weisse Schollen Jm dunkel-blauen Wasser rollen! Schau, wie sie sich zusammendrücken, Und dort die rege Fluht bebrücken.
Jndem ich das gefrorne Wasser und ein erstarrtes Eis erwege; Vermeyn ich, daß desselben Wesen und Art, wie es sich zeugt, wohl wehrt, Daß man, so viel wir davon fassen, von seinem Ursprung überlege,
Wovon
O o 3
Winter-Gedicht.
Jch ſahe ferner, weil es Abend, im Weſten, ein beſchneites Feld, Jn einem Augen- blendenden und mehr als Silber-weiſſen Glaͤnzen, An die faſt guͤldne Abendroͤhte des Himmels, am Geſichts- Kreis, grenzen. Es ward hiedurch ein ſilberner und guͤldner Schmuck uns vorgeſtellt, So daß das uns ſonſt ohnedem ſo angenehme Farben- Spiel Auch ſelbſt den Unachtſamſten faſt aufmerkſam macht und ihm gefiel.
Wie es nun mir vor vielen andern ein ungemein Ver- gnuͤgen machte, Fing ich geruͤhret an, und dachte: Mein GOtt! wie hell und herrlich mahlen Auch die entfernte Sonnen-Strahlen, Auch ſelbſt im Winter, Fluht und Feld! Wie wird auch itzt das Aug’ erfreuet! Es ſcheinet die beſchneite Welt, Als waͤre Licht darauf geſtreuet. Schau, wie des Eiſes weiſſe Schollen Jm dunkel-blauen Waſſer rollen! Schau, wie ſie ſich zuſammendruͤcken, Und dort die rege Fluht bebruͤcken.
Jndem ich das gefrorne Waſſer und ein erſtarrtes Eis erwege; Vermeyn ich, daß deſſelben Weſen und Art, wie es ſich zeugt, wohl wehrt, Daß man, ſo viel wir davon faſſen, von ſeinem Urſprung uͤberlege,
Wovon
O o 3
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Winter-Gedicht.
Jch ſahe ferner, weil es Abend, im Weſten, ein beſchneites
Feld,
Jn einem Augen- blendenden und mehr als Silber-weiſſen
Glaͤnzen,
An die faſt guͤldne Abendroͤhte des Himmels, am Geſichts-
Kreis, grenzen.
Es ward hiedurch ein ſilberner und guͤldner Schmuck uns
vorgeſtellt,
So daß das uns ſonſt ohnedem ſo angenehme Farben-
Spiel
Auch ſelbſt den Unachtſamſten faſt aufmerkſam macht und
ihm gefiel.
Wie es nun mir vor vielen andern ein ungemein Ver-
gnuͤgen machte,
Fing ich geruͤhret an, und dachte:
Mein GOtt! wie hell und herrlich mahlen
Auch die entfernte Sonnen-Strahlen,
Auch ſelbſt im Winter, Fluht und Feld!
Wie wird auch itzt das Aug’ erfreuet!
Es ſcheinet die beſchneite Welt,
Als waͤre Licht darauf geſtreuet.
Schau, wie des Eiſes weiſſe Schollen
Jm dunkel-blauen Waſſer rollen!
Schau, wie ſie ſich zuſammendruͤcken,
Und dort die rege Fluht bebruͤcken.
Jndem ich das gefrorne Waſſer und ein erſtarrtes Eis
erwege;
Vermeyn ich, daß deſſelben Weſen und Art, wie es ſich zeugt,
wohl wehrt,
Daß man, ſo viel wir davon faſſen, von ſeinem Urſprung
uͤberlege,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/599>, abgerufen am 22.11.2024.
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