Ohn einen Einfluß in die Welt, ein unwirksames Wesen seyn? Wie stimmte die Unwirkbarkeit mit einer Gottheit überein? Die wahre Liebe bey uns Menschen hat eine Seele, welche schön, Nur bloß zu ihrem Gegenstand: Es werden die Vollkommenheiten durch ihre Handlungen bekannt, Und dann wird allererst die Achtung im allerhöchsten Grade stehn, Wenn sich von der so schönen Seel' ein schöner Leib be- lebet findet. Aus diesem, unsern Seelen hier selbst anerschaffenen, Betragen Schließt unser Geist nicht ungegründet: Man könn' auch hier von einem Grunde des Gottesdiensts ein gleiches sagen, Und, aus bewundernder Betrachtung der Kreaturen Herrlichkeit, Auf deß, der sie so herrlich macht, selbständige Voll- kommenheit Gerecht' und sichre Schlüsse machen. Nach unserm Zustand hier auf Erden, Da wir aus Seel' und Leib bestehn; kann ja mit allem Fug und Recht Vernünftig so geschlossen werden: Es sey, selbst von der Gottheit Wesen, unwürdig dieses nicht gedacht, Wenn, aus der Schönheit seiner Werke, und ihrer Unermäßlichkeit, Man von derselben Urstandsgröße, Macht, Majestät, Vollkommenheit Zwar keinen wirklichen Begriff, jedoch ein würdigs Vor- bild macht.
Wenn
Vermiſchte Gedichte
Ohn einen Einfluß in die Welt, ein unwirkſames Weſen ſeyn? Wie ſtimmte die Unwirkbarkeit mit einer Gottheit uͤberein? Die wahre Liebe bey uns Menſchen hat eine Seele, welche ſchoͤn, Nur bloß zu ihrem Gegenſtand: Es werden die Vollkommenheiten durch ihre Handlungen bekannt, Und dann wird allererſt die Achtung im allerhoͤchſten Grade ſtehn, Wenn ſich von der ſo ſchoͤnen Seel’ ein ſchoͤner Leib be- lebet findet. Aus dieſem, unſern Seelen hier ſelbſt anerſchaffenen, Betragen Schließt unſer Geiſt nicht ungegruͤndet: Man koͤnn’ auch hier von einem Grunde des Gottesdienſts ein gleiches ſagen, Und, aus bewundernder Betrachtung der Kreaturen Herrlichkeit, Auf deß, der ſie ſo herrlich macht, ſelbſtaͤndige Voll- kommenheit Gerecht’ und ſichre Schluͤſſe machen. Nach unſerm Zuſtand hier auf Erden, Da wir aus Seel’ und Leib beſtehn; kann ja mit allem Fug und Recht Vernuͤnftig ſo geſchloſſen werden: Es ſey, ſelbſt von der Gottheit Weſen, unwuͤrdig dieſes nicht gedacht, Wenn, aus der Schoͤnheit ſeiner Werke, und ihrer Unermaͤßlichkeit, Man von derſelben Urſtandsgroͤße, Macht, Majeſtaͤt, Vollkommenheit Zwar keinen wirklichen Begriff, jedoch ein wuͤrdigs Vor- bild macht.
Wenn
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Vermiſchte Gedichte
Ohn einen Einfluß in die Welt, ein unwirkſames Weſen ſeyn?
Wie ſtimmte die Unwirkbarkeit mit einer Gottheit uͤberein?
Die wahre Liebe bey uns Menſchen hat eine Seele, welche
ſchoͤn,
Nur bloß zu ihrem Gegenſtand:
Es werden die Vollkommenheiten durch ihre Handlungen
bekannt,
Und dann wird allererſt die Achtung im allerhoͤchſten
Grade ſtehn,
Wenn ſich von der ſo ſchoͤnen Seel’ ein ſchoͤner Leib be-
lebet findet.
Aus dieſem, unſern Seelen hier ſelbſt anerſchaffenen,
Betragen
Schließt unſer Geiſt nicht ungegruͤndet:
Man koͤnn’ auch hier von einem Grunde des Gottesdienſts
ein gleiches ſagen,
Und, aus bewundernder Betrachtung der Kreaturen
Herrlichkeit,
Auf deß, der ſie ſo herrlich macht, ſelbſtaͤndige Voll-
kommenheit
Gerecht’ und ſichre Schluͤſſe machen. Nach unſerm
Zuſtand hier auf Erden,
Da wir aus Seel’ und Leib beſtehn; kann ja mit allem
Fug und Recht
Vernuͤnftig ſo geſchloſſen werden:
Es ſey, ſelbſt von der Gottheit Weſen, unwuͤrdig dieſes
nicht gedacht,
Wenn, aus der Schoͤnheit ſeiner Werke, und ihrer
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/536>, abgerufen am 22.11.2024.
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