gnügen zu machen, wie ihr denn auch die Czarinn alle Liebe und Hochachtung erwies. Sie hatte sich durch ihr sanftmüthiges Betragen bey beyden sehr be- liebt gemacht, aber das thierische Verhalten ihres Ge- Schlechtes Verhalten des Czaro- witz.mahls verbitterte ihr alles. Als der Czarowitz auf ausdrücklichen Befehl des Czars aus dem Carlsbad zurück kam, bewies er dieser Prinzessinn nicht allein die größte Verachtung, sondern mißhandelte auch al- le von ihrem Hofe so, daß sie ihn alle verlassen wollten, welche Mißhandlung sie in große Traurigkeit versetzte. Die öftern Verweise seines Vaters, die er deswegen bekam, schienen es nur zu verschlimmern, denn er beschuldigte sie, daß sie sich über ihn bey dem Czar beschwere, und sagte ihr frey heraus, daß er, wenn er sich nicht vor dem Zorne seines Vaters fürch- te, ihre ganze Hofstatt fortjagen, und sie nach der al- ten russischen Gewohnheit zu leben zwingen wolle. Ob sie gleich in einem Hause wohnten, so waren sie doch so fremd gegen einander, daß man sie niemals mit einander speisen oder umgehen sahe, ausgenommen wenn er kam, und ihr ihren zahlreichen Hof vorwarf. Dieses war nicht die einzige Kränkung, die diese lie- benswürdige Prinzessinn auszustehen hatte; niemand von den Großen machte ihr seine Aufwartung, aus Furcht vor dem Prinzen, ausgenommen wenn er von Seiner Majestät Befehl bekam; so daß es nur die ausländischen Minister wagen konnten, ihr einige Hochachtung zu erweisen.
Ueber die üble Behandlung einer so guten Prin- zessinn mußte man sich um so viel mehr wundern, wenn man überlegte, daß er sie freywillig gewählet hatte. Der Czar schickte ihn, damit er Lebensart
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gnuͤgen zu machen, wie ihr denn auch die Czarinn alle Liebe und Hochachtung erwies. Sie hatte ſich durch ihr ſanftmuͤthiges Betragen bey beyden ſehr be- liebt gemacht, aber das thieriſche Verhalten ihres Ge- Schlechtes Verhalten des Czaro- witz.mahls verbitterte ihr alles. Als der Czarowitz auf ausdruͤcklichen Befehl des Czars aus dem Carlsbad zuruͤck kam, bewies er dieſer Prinzeſſinn nicht allein die groͤßte Verachtung, ſondern mißhandelte auch al- le von ihrem Hofe ſo, daß ſie ihn alle verlaſſen wollten, welche Mißhandlung ſie in große Traurigkeit verſetzte. Die oͤftern Verweiſe ſeines Vaters, die er deswegen bekam, ſchienen es nur zu verſchlimmern, denn er beſchuldigte ſie, daß ſie ſich uͤber ihn bey dem Czar beſchwere, und ſagte ihr frey heraus, daß er, wenn er ſich nicht vor dem Zorne ſeines Vaters fuͤrch- te, ihre ganze Hofſtatt fortjagen, und ſie nach der al- ten ruſſiſchen Gewohnheit zu leben zwingen wolle. Ob ſie gleich in einem Hauſe wohnten, ſo waren ſie doch ſo fremd gegen einander, daß man ſie niemals mit einander ſpeiſen oder umgehen ſahe, ausgenommen wenn er kam, und ihr ihren zahlreichen Hof vorwarf. Dieſes war nicht die einzige Kraͤnkung, die dieſe lie- benswuͤrdige Prinzeſſinn auszuſtehen hatte; niemand von den Großen machte ihr ſeine Aufwartung, aus Furcht vor dem Prinzen, ausgenommen wenn er von Seiner Majeſtaͤt Befehl bekam; ſo daß es nur die auslaͤndiſchen Miniſter wagen konnten, ihr einige Hochachtung zu erweiſen.
Ueber die uͤble Behandlung einer ſo guten Prin- zeſſinn mußte man ſich um ſo viel mehr wundern, wenn man uͤberlegte, daß er ſie freywillig gewaͤhlet hatte. Der Czar ſchickte ihn, damit er Lebensart
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gnuͤgen zu machen, wie ihr denn auch die Czarinn alle
Liebe und Hochachtung erwies. Sie hatte ſich
durch ihr ſanftmuͤthiges Betragen bey beyden ſehr be-
liebt gemacht, aber das thieriſche Verhalten ihres Ge-
mahls verbitterte ihr alles. Als der Czarowitz auf
ausdruͤcklichen Befehl des Czars aus dem Carlsbad
zuruͤck kam, bewies er dieſer Prinzeſſinn nicht allein
die groͤßte Verachtung, ſondern mißhandelte auch al-
le von ihrem Hofe ſo, daß ſie ihn alle verlaſſen
wollten, welche Mißhandlung ſie in große Traurigkeit
verſetzte. Die oͤftern Verweiſe ſeines Vaters, die er
deswegen bekam, ſchienen es nur zu verſchlimmern,
denn er beſchuldigte ſie, daß ſie ſich uͤber ihn bey dem
Czar beſchwere, und ſagte ihr frey heraus, daß er,
wenn er ſich nicht vor dem Zorne ſeines Vaters fuͤrch-
te, ihre ganze Hofſtatt fortjagen, und ſie nach der al-
ten ruſſiſchen Gewohnheit zu leben zwingen wolle.
Ob ſie gleich in einem Hauſe wohnten, ſo waren ſie
doch ſo fremd gegen einander, daß man ſie niemals mit
einander ſpeiſen oder umgehen ſahe, ausgenommen
wenn er kam, und ihr ihren zahlreichen Hof vorwarf.
Dieſes war nicht die einzige Kraͤnkung, die dieſe lie-
benswuͤrdige Prinzeſſinn auszuſtehen hatte; niemand
von den Großen machte ihr ſeine Aufwartung, aus
Furcht vor dem Prinzen, ausgenommen wenn er von
Seiner Majeſtaͤt Befehl bekam; ſo daß es nur die
auslaͤndiſchen Miniſter wagen konnten, ihr einige
Hochachtung zu erweiſen.
Schlechtes
Verhalten
des Czaro-
witz.
Ueber die uͤble Behandlung einer ſo guten Prin-
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/156>, abgerufen am 24.11.2024.
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