gerechtfertigt erscheinen, sobald es sich zeigt, dass die Nach- richten über zwei andere Werke uns in eine weit spätere, rein historische Epoche führen. Zu Olympia stehen seine Horen mitten unter den Werken der Schüler des Dipoenos und Skyllis, welche, wie wir sehen werden, etwa Ol. 60 ent- standen sein müssen und ein zusammenhängendes Ganze bil- den, aus dem sich die Horen als ein für sich bestehendes äl- teres Werk schwerlich ausscheiden lassen. Ferner aber arbei- tet Smilis in Gemeinschaft mit Theodoros und Rhoekos am La- byrinth in Lemnos, wodurch wir nochmals auf späte Zeit, auf die funfziger Olympiaden, hingewiesen werden. Diese Verbindung mit samischen Meistern erscheint aber um so wichtiger, als sie uns zu der Vermuthung drängt, dass auch das Herabild zu Samos erst in dieser späten Zeit entstanden sein möchte, in welcher, wie anderwärts berichtet wird, Rhoekos und Theodoros den Tempel der Göttin bauten. Will man sich endlich auf den Namen des Künstlers berufen, in sofern die Bildung desselben aus der bestimmten Art der Kunstübung mehr einem halb my- thischen, als dem historischen Zeitalter anstehe, so genügt es auf Stesichoros hinzuweisen, der ja auch nach Ol. 40 sei- nen ursprünglichen Namen Tisias mit dem seines Standes ver- tauschte 1).
Bei unbefangener Prüfung unserer Quellen zeigt sich dem- nach kein Hinderniss, alles was wir von Smilis wissen auf eine einzige Person zu beziehen, deren Thätigkeit zwischen die 50 und 60ste Ol. fällt. Smilis kann also nicht die ganze Sippschaft alt-aeginetischer Bildschnitzer bezeichnen, wie Daedalos und oi apo Daidalou die attischen: und in der That finden wir auch weder Smilides im Plural, noch Schüler und Nachfolger des Smilis, noch auch die ergasia Aiginaia ausdrücklich auf ihn zurückgeführt. Er steht für sich; und seine Bedeutung für uns liegt nur darin, dass er der erste bekannte Künstler aus Aegina ist, von dem allerdings gelten wird, was wir sonst von aeginetischer Kunst wissen. Das Wesentlichste enthält eine Glosse des Hesychius: Aiginetika erga tous sumbebekotas andriantas. Der Gegensatz gegen die attischen Werke müsste also darin liegen, dass die Aegineten die geschlossenen Füsse der alten Götterbilder noch lange beibehielten, während die
1) Vgl. Welcker kl. Schr. I. S. 166.
gerechtfertigt erscheinen, sobald es sich zeigt, dass die Nach- richten über zwei andere Werke uns in eine weit spätere, rein historische Epoche führen. Zu Olympia stehen seine Horen mitten unter den Werken der Schüler des Dipoenos und Skyllis, welche, wie wir sehen werden, etwa Ol. 60 ent- standen sein müssen und ein zusammenhängendes Ganze bil- den, aus dem sich die Horen als ein für sich bestehendes äl- teres Werk schwerlich ausscheiden lassen. Ferner aber arbei- tet Smilis in Gemeinschaft mit Theodoros und Rhoekos am La- byrinth in Lemnos, wodurch wir nochmals auf späte Zeit, auf die funfziger Olympiaden, hingewiesen werden. Diese Verbindung mit samischen Meistern erscheint aber um so wichtiger, als sie uns zu der Vermuthung drängt, dass auch das Herabild zu Samos erst in dieser späten Zeit entstanden sein möchte, in welcher, wie anderwärts berichtet wird, Rhoekos und Theodoros den Tempel der Göttin bauten. Will man sich endlich auf den Namen des Künstlers berufen, in sofern die Bildung desselben aus der bestimmten Art der Kunstübung mehr einem halb my- thischen, als dem historischen Zeitalter anstehe, so genügt es auf Stesichoros hinzuweisen, der ja auch nach Ol. 40 sei- nen ursprünglichen Namen Tisias mit dem seines Standes ver- tauschte 1).
Bei unbefangener Prüfung unserer Quellen zeigt sich dem- nach kein Hinderniss, alles was wir von Smilis wissen auf eine einzige Person zu beziehen, deren Thätigkeit zwischen die 50 und 60ste Ol. fällt. Smilis kann also nicht die ganze Sippschaft alt-aeginetischer Bildschnitzer bezeichnen, wie Daedalos und οἱ ἀπὸ Δαιδάλου die attischen: und in der That finden wir auch weder Smilides im Plural, noch Schüler und Nachfolger des Smilis, noch auch die ἐργασία Αἰγιναία ausdrücklich auf ihn zurückgeführt. Er steht für sich; und seine Bedeutung für uns liegt nur darin, dass er der erste bekannte Künstler aus Aegina ist, von dem allerdings gelten wird, was wir sonst von aeginetischer Kunst wissen. Das Wesentlichste enthält eine Glosse des Hesychius: Αἰγινητικὰ ἔργα τοὺς συμβεβηκότας ἀνδριάντας. Der Gegensatz gegen die attischen Werke müsste also darin liegen, dass die Aegineten die geschlossenen Füsse der alten Götterbilder noch lange beibehielten, während die
1) Vgl. Welcker kl. Schr. I. S. 166.
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gerechtfertigt erscheinen, sobald es sich zeigt, dass die Nach-
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rein historische Epoche führen. Zu Olympia stehen seine
Horen mitten unter den Werken der Schüler des Dipoenos
und Skyllis, welche, wie wir sehen werden, etwa Ol. 60 ent-
standen sein müssen und ein zusammenhängendes Ganze bil-
den, aus dem sich die Horen als ein für sich bestehendes äl-
teres Werk schwerlich ausscheiden lassen. Ferner aber arbei-
tet Smilis in Gemeinschaft mit Theodoros und Rhoekos am La-
byrinth in Lemnos, wodurch wir nochmals auf späte Zeit, auf
die funfziger Olympiaden, hingewiesen werden. Diese Verbindung
mit samischen Meistern erscheint aber um so wichtiger, als sie uns
zu der Vermuthung drängt, dass auch das Herabild zu Samos
erst in dieser späten Zeit entstanden sein möchte, in welcher,
wie anderwärts berichtet wird, Rhoekos und Theodoros den
Tempel der Göttin bauten. Will man sich endlich auf den
Namen des Künstlers berufen, in sofern die Bildung desselben
aus der bestimmten Art der Kunstübung mehr einem halb my-
thischen, als dem historischen Zeitalter anstehe, so genügt
es auf Stesichoros hinzuweisen, der ja auch nach Ol. 40 sei-
nen ursprünglichen Namen Tisias mit dem seines Standes ver-
tauschte 1).
Bei unbefangener Prüfung unserer Quellen zeigt sich dem-
nach kein Hinderniss, alles was wir von Smilis wissen auf
eine einzige Person zu beziehen, deren Thätigkeit zwischen die
50 und 60ste Ol. fällt. Smilis kann also nicht die ganze Sippschaft
alt-aeginetischer Bildschnitzer bezeichnen, wie Daedalos und οἱ
ἀπὸ Δαιδάλου die attischen: und in der That finden wir auch
weder Smilides im Plural, noch Schüler und Nachfolger des
Smilis, noch auch die ἐργασία Αἰγιναία ausdrücklich auf ihn
zurückgeführt. Er steht für sich; und seine Bedeutung für
uns liegt nur darin, dass er der erste bekannte Künstler aus
Aegina ist, von dem allerdings gelten wird, was wir sonst
von aeginetischer Kunst wissen. Das Wesentlichste enthält
eine Glosse des Hesychius: Αἰγινητικὰ ἔργα τοὺς συμβεβηκότας
ἀνδριάντας. Der Gegensatz gegen die attischen Werke müsste
also darin liegen, dass die Aegineten die geschlossenen Füsse
der alten Götterbilder noch lange beibehielten, während die
1) Vgl. Welcker kl. Schr. I. S. 166.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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