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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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zur Zeit des Titus gemacht worden sei, und ohne eine solche
fällt aber auch jeder Grund weg, dem Ausdrucke de consilii
sententia die gezwungene Deutung zu geben: dass die Künst-
ler auf den Entscheid des kaiserlichen geheimen Rathes oder
sonst irgend einer Kunst- oder Verschönerungscommission ihr
Werk gearbeitet, ganz abgesehen davon, dass ein Kunstrath
mit solchen Befugnissen im Alterthum etwas unerhörtes sein
würde. Der Ausdruck nähert sich allerdings dem Curialstyl;
aber offenbar ist er gewählt mit Rücksicht auf die Schwierig-
keit des von den Künstlern zu lösenden Problems, welche
Plinius uns ausführlich genug darlegt: nemlich den Vater, die
zwei Söhne, die vielfältigen Windungen der zwei Schlangen
in einem einzigen Marmorblocke darzustellen. Dieser schein-
bare Widerstreit zwischen der Natur der Aufgabe und der
Möglichkeit einer Lösung findet endlich eine alle Forderungen
befriedigende Erledigung durch die Vermittelung der consilii
sententia, der allseitigen Ueberlegung der zu dem einen Werke
vereinigten Künstler, welche diesen Widerstreit wie durch
einen Richterspruch entscheiden. -- Aber, hat man weiter
behauptet, in der Fortsetzung bei Plinius, dass "similiter, in
ähnlicher Weise" eine Reihe von Künstlerpaaren für die Kai-
serpaläste thätig gewesen sei, liege es doch zugleich mit ein-
geschlossen, dass auch die Rhodier für den Palast des Titus
gearbeitet hätten. Allein der ganze Zusammenhang lehrt, dass
similiter nur auf die mindere Berühmtheit der paarweise arbei-
tenden Künstler bezogen werden darf, um so mehr, als auch
bei dem folgenden Künstler Diogenes nochmals darauf hinge-
deutet wird, dass seine Werke am Pantheon des Agrippa zum
Theil propter altitudinem loci minus celebrata seien. Es darf
aber nicht einmal für ausgemacht gelten, dass auch die
Werke dieser Künstler ursprünglich für die Kaiserpaläste be-
stimmt waren (ich sage "die Kaiserpaläste" im Allgemeinen,
da ich keinen Grund sehe, gerade an die Paläste der beiden
Caesaren Caius und Lucius zu denken, wie man wohl ange-
nommen hat). Bei der Sprachweise des Plinius können wir
seine Worte ganz einfach als eine active Construction auf-
fassen, welche nichts weiter besagen will, als: die Kaiser-
paläste sind mit Werken dieser Künstler angefüllt. Noch we-
niger Grund hat endlich der Einwurf, dass Plinius uns die
Namen der um ihren Ruhm betrogenen Künstler nicht hätte

zur Zeit des Titus gemacht worden sei, und ohne eine solche
fällt aber auch jeder Grund weg, dem Ausdrucke de consilii
sententia die gezwungene Deutung zu geben: dass die Künst-
ler auf den Entscheid des kaiserlichen geheimen Rathes oder
sonst irgend einer Kunst- oder Verschönerungscommission ihr
Werk gearbeitet, ganz abgesehen davon, dass ein Kunstrath
mit solchen Befugnissen im Alterthum etwas unerhörtes sein
würde. Der Ausdruck nähert sich allerdings dem Curialstyl;
aber offenbar ist er gewählt mit Rücksicht auf die Schwierig-
keit des von den Künstlern zu lösenden Problems, welche
Plinius uns ausführlich genug darlegt: nemlich den Vater, die
zwei Söhne, die vielfältigen Windungen der zwei Schlangen
in einem einzigen Marmorblocke darzustellen. Dieser schein-
bare Widerstreit zwischen der Natur der Aufgabe und der
Möglichkeit einer Lösung findet endlich eine alle Forderungen
befriedigende Erledigung durch die Vermittelung der consilii
sententia, der allseitigen Ueberlegung der zu dem einen Werke
vereinigten Künstler, welche diesen Widerstreit wie durch
einen Richterspruch entscheiden. — Aber, hat man weiter
behauptet, in der Fortsetzung bei Plinius, dass „similiter, in
ähnlicher Weise” eine Reihe von Künstlerpaaren für die Kai-
serpaläste thätig gewesen sei, liege es doch zugleich mit ein-
geschlossen, dass auch die Rhodier für den Palast des Titus
gearbeitet hätten. Allein der ganze Zusammenhang lehrt, dass
similiter nur auf die mindere Berühmtheit der paarweise arbei-
tenden Künstler bezogen werden darf, um so mehr, als auch
bei dem folgenden Künstler Diogenes nochmals darauf hinge-
deutet wird, dass seine Werke am Pantheon des Agrippa zum
Theil propter altitudinem loci minus celebrata seien. Es darf
aber nicht einmal für ausgemacht gelten, dass auch die
Werke dieser Künstler ursprünglich für die Kaiserpaläste be-
stimmt waren (ich sage „die Kaiserpaläste” im Allgemeinen,
da ich keinen Grund sehe, gerade an die Paläste der beiden
Caesaren Caius und Lucius zu denken, wie man wohl ange-
nommen hat). Bei der Sprachweise des Plinius können wir
seine Worte ganz einfach als eine active Construction auf-
fassen, welche nichts weiter besagen will, als: die Kaiser-
paläste sind mit Werken dieser Künstler angefüllt. Noch we-
niger Grund hat endlich der Einwurf, dass Plinius uns die
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[476/0489] zur Zeit des Titus gemacht worden sei, und ohne eine solche fällt aber auch jeder Grund weg, dem Ausdrucke de consilii sententia die gezwungene Deutung zu geben: dass die Künst- ler auf den Entscheid des kaiserlichen geheimen Rathes oder sonst irgend einer Kunst- oder Verschönerungscommission ihr Werk gearbeitet, ganz abgesehen davon, dass ein Kunstrath mit solchen Befugnissen im Alterthum etwas unerhörtes sein würde. Der Ausdruck nähert sich allerdings dem Curialstyl; aber offenbar ist er gewählt mit Rücksicht auf die Schwierig- keit des von den Künstlern zu lösenden Problems, welche Plinius uns ausführlich genug darlegt: nemlich den Vater, die zwei Söhne, die vielfältigen Windungen der zwei Schlangen in einem einzigen Marmorblocke darzustellen. Dieser schein- bare Widerstreit zwischen der Natur der Aufgabe und der Möglichkeit einer Lösung findet endlich eine alle Forderungen befriedigende Erledigung durch die Vermittelung der consilii sententia, der allseitigen Ueberlegung der zu dem einen Werke vereinigten Künstler, welche diesen Widerstreit wie durch einen Richterspruch entscheiden. — Aber, hat man weiter behauptet, in der Fortsetzung bei Plinius, dass „similiter, in ähnlicher Weise” eine Reihe von Künstlerpaaren für die Kai- serpaläste thätig gewesen sei, liege es doch zugleich mit ein- geschlossen, dass auch die Rhodier für den Palast des Titus gearbeitet hätten. Allein der ganze Zusammenhang lehrt, dass similiter nur auf die mindere Berühmtheit der paarweise arbei- tenden Künstler bezogen werden darf, um so mehr, als auch bei dem folgenden Künstler Diogenes nochmals darauf hinge- deutet wird, dass seine Werke am Pantheon des Agrippa zum Theil propter altitudinem loci minus celebrata seien. Es darf aber nicht einmal für ausgemacht gelten, dass auch die Werke dieser Künstler ursprünglich für die Kaiserpaläste be- stimmt waren (ich sage „die Kaiserpaläste” im Allgemeinen, da ich keinen Grund sehe, gerade an die Paläste der beiden Caesaren Caius und Lucius zu denken, wie man wohl ange- nommen hat). Bei der Sprachweise des Plinius können wir seine Worte ganz einfach als eine active Construction auf- fassen, welche nichts weiter besagen will, als: die Kaiser- paläste sind mit Werken dieser Künstler angefüllt. Noch we- niger Grund hat endlich der Einwurf, dass Plinius uns die Namen der um ihren Ruhm betrogenen Künstler nicht hätte

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/489>, abgerufen am 25.11.2024.