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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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als Cicero den Process gegen Verres führte (IV, 2, 4). Wel-
che Schicksale der Tempel in den zunächst folgenden Jahren
hatte, ist unbekannt. Nur erzählt Dio, dass an der Stelle der
alten Curie Lepidus einen Tempel der Felicitas erbaut und 709
als Magister equitum vollendet habe; ob einen zweiten, wäh-
rend der andere noch bestand, ist nicht gesagt. Endlich theilt
Plinius (36, 39) aus Varro mit, dass der römische Ritter Ju-
nius Pisciculus sich in eine der Thespiaden verliebte, welche
beim Tempel der Felicitas standen. Aus diesem Ausdruck nun,
"sie standen", hat man den Schluss ziehen wollen, der Tem-
pel sei vor oder zu der Zeit des Asinius Pollio zerstört wor-
den, und bei dieser Gelegenheit seien die Statuen in seinen
Privatbesitz gekommen. Allein hier dürfen wir eine zweite
Angabe des Plinius (34, 69) nicht ausser Acht lassen, nach
welcher "Praxiteles die Bilder machte, welche vor dem Tem-
pel der Felicitas standen, so wie auch die Venus, welche mit
dem Tempel durch eine Feuersbrunst unter Claudius zu Grunde
ging." Allerdings spricht Plinius hier ausdrücklich von Erz-
statuen, während die erste Notiz sich in dem Buche über die
Marmorwerke findet. Da aber doch schwerlich zwei Thespia-
dengruppen an einem und demselben Orte standen, Plinius
aber, wo es sich um eine beiläufige Notiz über verlorene
Werke handelt, leicht einmal irren konnte, so werden wir die
Gruppe des Mummius vor dem Tempel der Felicitas für ein
Werk des Praxiteles halten müssen, welcher ja nachweislich
auch sonst für Thespiae arbeitete. Die des Kleomenes könnte
mit derselben dann nur in sofern etwas zu thun haben, als
sie etwa für eine mehr oder minder freie Nachbildung in Mar-
mor zu halten wäre. Für eine Zeitbestimmung des Künstlers
gewinnen wir dadurch aber nichts, wenn wir nicht annehmen
wollen, dass er im Auftrage des Pollio selbst arbeitete. In
diesem Falle könnte er mit einem der aus den Inschriften be-
kannten Kleomenes recht wohl identisch sein. Denn nach den
Buchstabenformen ist der Künstler der sogenannten Germani-
cusstatue schwerlich älter als Asinius; welcher 713 Consul
war. Die Inschrift der mediceischen Venus ist leider in ihren
ursprünglichen Formen sehr ungenügend bekannt. Dass der
in ihr genannte Kleomenes der Vater des andern war, ist al-
lerdings nicht unwahrscheinlich, und in diesem Falle liessen
sich alle die verschiedenen Erwähnungen auf zwei Künstler

als Cicero den Process gegen Verres führte (IV, 2, 4). Wel-
che Schicksale der Tempel in den zunächst folgenden Jahren
hatte, ist unbekannt. Nur erzählt Dio, dass an der Stelle der
alten Curie Lepidus einen Tempel der Felicitas erbaut und 709
als Magister equitum vollendet habe; ob einen zweiten, wäh-
rend der andere noch bestand, ist nicht gesagt. Endlich theilt
Plinius (36, 39) aus Varro mit, dass der römische Ritter Ju-
nius Pisciculus sich in eine der Thespiaden verliebte, welche
beim Tempel der Felicitas standen. Aus diesem Ausdruck nun,
„sie standen”, hat man den Schluss ziehen wollen, der Tem-
pel sei vor oder zu der Zeit des Asinius Pollio zerstört wor-
den, und bei dieser Gelegenheit seien die Statuen in seinen
Privatbesitz gekommen. Allein hier dürfen wir eine zweite
Angabe des Plinius (34, 69) nicht ausser Acht lassen, nach
welcher „Praxiteles die Bilder machte, welche vor dem Tem-
pel der Felicitas standen, so wie auch die Venus, welche mit
dem Tempel durch eine Feuersbrunst unter Claudius zu Grunde
ging.” Allerdings spricht Plinius hier ausdrücklich von Erz-
statuen, während die erste Notiz sich in dem Buche über die
Marmorwerke findet. Da aber doch schwerlich zwei Thespia-
dengruppen an einem und demselben Orte standen, Plinius
aber, wo es sich um eine beiläufige Notiz über verlorene
Werke handelt, leicht einmal irren konnte, so werden wir die
Gruppe des Mummius vor dem Tempel der Felicitas für ein
Werk des Praxiteles halten müssen, welcher ja nachweislich
auch sonst für Thespiae arbeitete. Die des Kleomenes könnte
mit derselben dann nur in sofern etwas zu thun haben, als
sie etwa für eine mehr oder minder freie Nachbildung in Mar-
mor zu halten wäre. Für eine Zeitbestimmung des Künstlers
gewinnen wir dadurch aber nichts, wenn wir nicht annehmen
wollen, dass er im Auftrage des Pollio selbst arbeitete. In
diesem Falle könnte er mit einem der aus den Inschriften be-
kannten Kleomenes recht wohl identisch sein. Denn nach den
Buchstabenformen ist der Künstler der sogenannten Germani-
cusstatue schwerlich älter als Asinius; welcher 713 Consul
war. Die Inschrift der mediceischen Venus ist leider in ihren
ursprünglichen Formen sehr ungenügend bekannt. Dass der
in ihr genannte Kleomenes der Vater des andern war, ist al-
lerdings nicht unwahrscheinlich, und in diesem Falle liessen
sich alle die verschiedenen Erwähnungen auf zwei Künstler

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[546/0559] als Cicero den Process gegen Verres führte (IV, 2, 4). Wel- che Schicksale der Tempel in den zunächst folgenden Jahren hatte, ist unbekannt. Nur erzählt Dio, dass an der Stelle der alten Curie Lepidus einen Tempel der Felicitas erbaut und 709 als Magister equitum vollendet habe; ob einen zweiten, wäh- rend der andere noch bestand, ist nicht gesagt. Endlich theilt Plinius (36, 39) aus Varro mit, dass der römische Ritter Ju- nius Pisciculus sich in eine der Thespiaden verliebte, welche beim Tempel der Felicitas standen. Aus diesem Ausdruck nun, „sie standen”, hat man den Schluss ziehen wollen, der Tem- pel sei vor oder zu der Zeit des Asinius Pollio zerstört wor- den, und bei dieser Gelegenheit seien die Statuen in seinen Privatbesitz gekommen. Allein hier dürfen wir eine zweite Angabe des Plinius (34, 69) nicht ausser Acht lassen, nach welcher „Praxiteles die Bilder machte, welche vor dem Tem- pel der Felicitas standen, so wie auch die Venus, welche mit dem Tempel durch eine Feuersbrunst unter Claudius zu Grunde ging.” Allerdings spricht Plinius hier ausdrücklich von Erz- statuen, während die erste Notiz sich in dem Buche über die Marmorwerke findet. Da aber doch schwerlich zwei Thespia- dengruppen an einem und demselben Orte standen, Plinius aber, wo es sich um eine beiläufige Notiz über verlorene Werke handelt, leicht einmal irren konnte, so werden wir die Gruppe des Mummius vor dem Tempel der Felicitas für ein Werk des Praxiteles halten müssen, welcher ja nachweislich auch sonst für Thespiae arbeitete. Die des Kleomenes könnte mit derselben dann nur in sofern etwas zu thun haben, als sie etwa für eine mehr oder minder freie Nachbildung in Mar- mor zu halten wäre. Für eine Zeitbestimmung des Künstlers gewinnen wir dadurch aber nichts, wenn wir nicht annehmen wollen, dass er im Auftrage des Pollio selbst arbeitete. In diesem Falle könnte er mit einem der aus den Inschriften be- kannten Kleomenes recht wohl identisch sein. Denn nach den Buchstabenformen ist der Künstler der sogenannten Germani- cusstatue schwerlich älter als Asinius; welcher 713 Consul war. Die Inschrift der mediceischen Venus ist leider in ihren ursprünglichen Formen sehr ungenügend bekannt. Dass der in ihr genannte Kleomenes der Vater des andern war, ist al- lerdings nicht unwahrscheinlich, und in diesem Falle liessen sich alle die verschiedenen Erwähnungen auf zwei Künstler

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/559>, abgerufen am 22.11.2024.