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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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sonst noch von Malern und Bildhauern ethikos sei 1). Gerade
je entfernter aber dem Aristoteles hier eine platt moralisi-
rende Tendenz liegt, um so höher müssen wir das in seinem
Urtheile erhaltene Lob anschlagen, ja, wir vermögen ihm
kaum ein anderes an die Seite zu stellen, als das, welches
die Griechen dem Zeus des Phidias ertheilten, indem sie
sagten: der Künstler habe durch dieses Werk der bestehenden
Religion ein neues Moment hinzugefügt. Denn in beiden
Urtheilen spricht sich die Grundansicht aus, dass die höch-
sten künstlerischen nur im Vereine mit den höchsten sittlichen
Forderungen ihre Befriedigung finden können, oder mit andern
Worten, dass das Schöne und Gute in ihren höchsten Ent-
wickelungen zusammenfallen müssen.

Auf diesem Punkte angelangt, müssen wir nochmals den
Gegensatz ins Auge fassen, welcher in dem Urtheile des
Aristoteles und dem des Plinius über Polygnot enthalten ist,
einen Gegensatz, wie er schroffer wohl selten ausgesprochen
worden ist. Denn der eine lässt die eigentliche Blüthe der Ma-
lerei erst nach dem Tode desjenigen beginnen, welchem der an-
dere den Ehrenplatz unter den Malern ertheilt. Und doch löst
sich jetzt dieser Gegensatz in der einfachsten Weise. Plinius
hat vor allem die Malerei als solche im Auge, und vermag
also dem Polygnot keine hervorragende Stellung anzuweisen,
da er von einem der wesentlichsten Theile der Malerei, von
der durch Licht und Schatten bedingten Farbenwirkung, noch
gar keinen Begriff hatte, und sogar in der Formengebung
sich auf die geringsten Mittel beschränkt sah, indem auch
hier eine Durchbildung im Einzelnen erst durch die Berück-
sichtigung von Licht und Schatten möglich wird. Dem Aristo-
teles sind ähnliche Rücksichten durchaus fremd: er richtet
sein Augenmerk auf die von der besonderen Gattung unab-
hängigen höchsten Endzwecke der Kunst, und es lässt sich
daher sogar behaupten, seine Anerkennung gelte nicht sowohl
dem Polygnot als Maler, sondern dem Künstler im Allge-
meinen, insofern er geistige, poetische Ideen vermöge der
Kunst anschaulich darstellt. Die besondere Technik, welche
er dabei anwendet, erscheint diesem Gesichtspunkte gegen-
über durchaus untergeordnet und nur als das Mittel zu einem

1) Pol. VIII, 5.

sonst noch von Malern und Bildhauern ἠϑικὸς sei 1). Gerade
je entfernter aber dem Aristoteles hier eine platt moralisi-
rende Tendenz liegt, um so höher müssen wir das in seinem
Urtheile erhaltene Lob anschlagen, ja, wir vermögen ihm
kaum ein anderes an die Seite zu stellen, als das, welches
die Griechen dem Zeus des Phidias ertheilten, indem sie
sagten: der Künstler habe durch dieses Werk der bestehenden
Religion ein neues Moment hinzugefügt. Denn in beiden
Urtheilen spricht sich die Grundansicht aus, dass die höch-
sten künstlerischen nur im Vereine mit den höchsten sittlichen
Forderungen ihre Befriedigung finden können, oder mit andern
Worten, dass das Schöne und Gute in ihren höchsten Ent-
wickelungen zusammenfallen müssen.

Auf diesem Punkte angelangt, müssen wir nochmals den
Gegensatz ins Auge fassen, welcher in dem Urtheile des
Aristoteles und dem des Plinius über Polygnot enthalten ist,
einen Gegensatz, wie er schroffer wohl selten ausgesprochen
worden ist. Denn der eine lässt die eigentliche Blüthe der Ma-
lerei erst nach dem Tode desjenigen beginnen, welchem der an-
dere den Ehrenplatz unter den Malern ertheilt. Und doch löst
sich jetzt dieser Gegensatz in der einfachsten Weise. Plinius
hat vor allem die Malerei als solche im Auge, und vermag
also dem Polygnot keine hervorragende Stellung anzuweisen,
da er von einem der wesentlichsten Theile der Malerei, von
der durch Licht und Schatten bedingten Farbenwirkung, noch
gar keinen Begriff hatte, und sogar in der Formengebung
sich auf die geringsten Mittel beschränkt sah, indem auch
hier eine Durchbildung im Einzelnen erst durch die Berück-
sichtigung von Licht und Schatten möglich wird. Dem Aristo-
teles sind ähnliche Rücksichten durchaus fremd: er richtet
sein Augenmerk auf die von der besonderen Gattung unab-
hängigen höchsten Endzwecke der Kunst, und es lässt sich
daher sogar behaupten, seine Anerkennung gelte nicht sowohl
dem Polygnot als Maler, sondern dem Künstler im Allge-
meinen, insofern er geistige, poetische Ideen vermöge der
Kunst anschaulich darstellt. Die besondere Technik, welche
er dabei anwendet, erscheint diesem Gesichtspunkte gegen-
über durchaus untergeordnet und nur als das Mittel zu einem

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[45/0053] sonst noch von Malern und Bildhauern ἠϑικὸς sei 1). Gerade je entfernter aber dem Aristoteles hier eine platt moralisi- rende Tendenz liegt, um so höher müssen wir das in seinem Urtheile erhaltene Lob anschlagen, ja, wir vermögen ihm kaum ein anderes an die Seite zu stellen, als das, welches die Griechen dem Zeus des Phidias ertheilten, indem sie sagten: der Künstler habe durch dieses Werk der bestehenden Religion ein neues Moment hinzugefügt. Denn in beiden Urtheilen spricht sich die Grundansicht aus, dass die höch- sten künstlerischen nur im Vereine mit den höchsten sittlichen Forderungen ihre Befriedigung finden können, oder mit andern Worten, dass das Schöne und Gute in ihren höchsten Ent- wickelungen zusammenfallen müssen. Auf diesem Punkte angelangt, müssen wir nochmals den Gegensatz ins Auge fassen, welcher in dem Urtheile des Aristoteles und dem des Plinius über Polygnot enthalten ist, einen Gegensatz, wie er schroffer wohl selten ausgesprochen worden ist. Denn der eine lässt die eigentliche Blüthe der Ma- lerei erst nach dem Tode desjenigen beginnen, welchem der an- dere den Ehrenplatz unter den Malern ertheilt. Und doch löst sich jetzt dieser Gegensatz in der einfachsten Weise. Plinius hat vor allem die Malerei als solche im Auge, und vermag also dem Polygnot keine hervorragende Stellung anzuweisen, da er von einem der wesentlichsten Theile der Malerei, von der durch Licht und Schatten bedingten Farbenwirkung, noch gar keinen Begriff hatte, und sogar in der Formengebung sich auf die geringsten Mittel beschränkt sah, indem auch hier eine Durchbildung im Einzelnen erst durch die Berück- sichtigung von Licht und Schatten möglich wird. Dem Aristo- teles sind ähnliche Rücksichten durchaus fremd: er richtet sein Augenmerk auf die von der besonderen Gattung unab- hängigen höchsten Endzwecke der Kunst, und es lässt sich daher sogar behaupten, seine Anerkennung gelte nicht sowohl dem Polygnot als Maler, sondern dem Künstler im Allge- meinen, insofern er geistige, poetische Ideen vermöge der Kunst anschaulich darstellt. Die besondere Technik, welche er dabei anwendet, erscheint diesem Gesichtspunkte gegen- über durchaus untergeordnet und nur als das Mittel zu einem 1) Pol. VIII, 5.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/53>, abgerufen am 23.11.2024.