mehr vorhandene Gemme keine andere ist, als die jetzt im wiener Museum befindliche. Wiltheim aber starb gegen das Jahr 1694 (vgl. die Vorrede S. VI); seine Beschreibung rührt also aus einer Zeit her, in welcher auch nach Köhler die Fälschung der Künstlerinschriften auf Gemmen noch nicht begonnen hatte. Betrachten wir aber endlich die Fassung der Gemme in Silber mit einer Kette, um sie am Halse zu tragen, so werden wir nicht umhin können, uns der Verwen- dung so mancher antiken geschnittenen Steine in den Kir- chenschätzen des Mittelalters zu erinnern, und demnach die echternacher Gemme nicht etwa für eine neue, zu Wiltheim's Zeit gemachte Erwerbung, sondern für ein altes Besitzthum des Klosters halten müssen. -- C. I. 7195; eine Abbildung auch im Tresor glypt. [Iconogr. rom. pl. V, n. 2].
Hyllos.
Auf einem Carneol, der, früher im Besitze Lorenzo's von Medici, dann Crozat's und des Herzogs von Orleans, schliess- lich in die petersburger Sammlung gelangte, ist das Brust- bild einer mit dem Diadem geschmückten Königin dargestellt, die man ohne hinlänglichen Grund Artemisia oder Cleopatra genannt hat. Vor dem Kopfe liest man [fremdsprachliches Material - fehlt]: Ursini Il- lustr. imag. t. 75; Stosch t. 39; Bracci II, t. 79; Mariette Cat. Crozat p. 24, n. 465; Raspe 15210; Köhler S. 108 und 293. Faber, der Herausgeber des Ursinus, glaubte, dass der Kopf durch die Inschrift als das Bild des Hylas bezeichnet sei, indem die Verdoppelung des [fremdsprachliches Material - fehlt] sich auch in den Hand- schriften des Theokrit und Apollodor finde. Wenn nun Köh- ler, während er der Behandlung des Bildes als vortrefflich alle Gerechtigkeit widerfahren lässt, ausruft: "Wie konnte aber dieses Brustbild einer weiblichen Schönheit das Bildniss eines kraftvollen Jünglings sein?" so dürfen wir wohl fragen, wie sich mit einer solchen Frage die Annahme Köhler's ver- trägt: dass der Name im sechszehnten Jahrhundert hinzuge- fügt sei, um aus dem Kopfe ein Bild des Hylas zu machen. Die einfachste Logik verlangt vielmehr anzunehmen, dass eine so falsche Deutung des Kopfes nur durch das Vorhan- densein der falsch verstandenen Inschrift möglich ward, ganz in derselben Weise, wie es bei den Köpfen mit dem Namen des Aetion, Hellen u. a. der Fall gewesen sein muss. Die
33*
mehr vorhandene Gemme keine andere ist, als die jetzt im wiener Museum befindliche. Wiltheim aber starb gegen das Jahr 1694 (vgl. die Vorrede S. VI); seine Beschreibung rührt also aus einer Zeit her, in welcher auch nach Köhler die Fälschung der Künstlerinschriften auf Gemmen noch nicht begonnen hatte. Betrachten wir aber endlich die Fassung der Gemme in Silber mit einer Kette, um sie am Halse zu tragen, so werden wir nicht umhin können, uns der Verwen- dung so mancher antiken geschnittenen Steine in den Kir- chenschätzen des Mittelalters zu erinnern, und demnach die echternacher Gemme nicht etwa für eine neue, zu Wiltheim’s Zeit gemachte Erwerbung, sondern für ein altes Besitzthum des Klosters halten müssen. — C. I. 7195; eine Abbildung auch im Trésor glypt. [Iconogr. rom. pl. V, n. 2].
Hyllos.
Auf einem Carneol, der, früher im Besitze Lorenzo’s von Medici, dann Crozat’s und des Herzogs von Orleans, schliess- lich in die petersburger Sammlung gelangte, ist das Brust- bild einer mit dem Diadem geschmückten Königin dargestellt, die man ohne hinlänglichen Grund Artemisia oder Cleopatra genannt hat. Vor dem Kopfe liest man [fremdsprachliches Material – fehlt]: Ursini Il- lustr. imag. t. 75; Stosch t. 39; Bracci II, t. 79; Mariette Cat. Crozat p. 24, n. 465; Raspe 15210; Köhler S. 108 und 293. Faber, der Herausgeber des Ursinus, glaubte, dass der Kopf durch die Inschrift als das Bild des Hylas bezeichnet sei, indem die Verdoppelung des [fremdsprachliches Material – fehlt] sich auch in den Hand- schriften des Theokrit und Apollodor finde. Wenn nun Köh- ler, während er der Behandlung des Bildes als vortrefflich alle Gerechtigkeit widerfahren lässt, ausruft: „Wie konnte aber dieses Brustbild einer weiblichen Schönheit das Bildniss eines kraftvollen Jünglings sein?‟ so dürfen wir wohl fragen, wie sich mit einer solchen Frage die Annahme Köhler’s ver- trägt: dass der Name im sechszehnten Jahrhundert hinzuge- fügt sei, um aus dem Kopfe ein Bild des Hylas zu machen. Die einfachste Logik verlangt vielmehr anzunehmen, dass eine so falsche Deutung des Kopfes nur durch das Vorhan- densein der falsch verstandenen Inschrift möglich ward, ganz in derselben Weise, wie es bei den Köpfen mit dem Namen des Aetion, Hellen u. a. der Fall gewesen sein muss. Die
33*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0524"n="507"/>
mehr vorhandene Gemme keine andere ist, als die jetzt im<lb/>
wiener Museum befindliche. Wiltheim aber starb gegen das<lb/>
Jahr 1694 (vgl. die Vorrede S. VI); seine Beschreibung rührt<lb/>
also aus einer Zeit her, in welcher auch nach Köhler die<lb/>
Fälschung der Künstlerinschriften auf Gemmen noch nicht<lb/>
begonnen hatte. Betrachten wir aber endlich die Fassung<lb/>
der Gemme in Silber mit einer Kette, um sie am Halse zu<lb/>
tragen, so werden wir nicht umhin können, uns der Verwen-<lb/>
dung so mancher antiken geschnittenen Steine in den Kir-<lb/>
chenschätzen des Mittelalters zu erinnern, und demnach die<lb/>
echternacher Gemme nicht etwa für eine neue, zu Wiltheim’s<lb/>
Zeit gemachte Erwerbung, sondern für ein altes Besitzthum<lb/>
des Klosters halten müssen. — C. I. 7195; eine Abbildung<lb/>
auch im Trésor glypt. [Iconogr. rom. pl. V, n. 2].</p><lb/><p><hirendition="#g">Hyllos</hi>.</p><lb/><p>Auf einem Carneol, der, früher im Besitze Lorenzo’s von<lb/>
Medici, dann Crozat’s und des Herzogs von Orleans, schliess-<lb/>
lich in die petersburger Sammlung gelangte, ist das Brust-<lb/>
bild einer mit dem Diadem geschmückten Königin dargestellt,<lb/>
die man ohne hinlänglichen Grund Artemisia oder Cleopatra<lb/>
genannt hat. Vor dem Kopfe liest man <foreignxml:lang="gre"><gapreason="fm"unit="words"/></foreign>: Ursini Il-<lb/>
lustr. imag. t. 75; Stosch t. 39; Bracci II, t. 79; Mariette<lb/>
Cat. Crozat p. 24, n. 465; Raspe 15210; Köhler S. 108 und<lb/>
293. Faber, der Herausgeber des Ursinus, glaubte, dass der<lb/>
Kopf durch die Inschrift als das Bild des Hylas bezeichnet<lb/>
sei, indem die Verdoppelung des <foreignxml:lang="gre"><gapreason="fm"unit="words"/></foreign> sich auch in den Hand-<lb/>
schriften des Theokrit und Apollodor finde. Wenn nun Köh-<lb/>
ler, während er der Behandlung des Bildes als vortrefflich<lb/>
alle Gerechtigkeit widerfahren lässt, ausruft: „Wie konnte<lb/>
aber dieses Brustbild einer weiblichen Schönheit das Bildniss<lb/>
eines kraftvollen Jünglings sein?‟ so dürfen wir wohl fragen,<lb/>
wie sich mit einer solchen Frage die Annahme Köhler’s ver-<lb/>
trägt: dass der Name im sechszehnten Jahrhundert hinzuge-<lb/>
fügt sei, um aus dem Kopfe ein Bild des Hylas zu machen.<lb/>
Die einfachste Logik verlangt vielmehr anzunehmen, dass<lb/>
eine so falsche Deutung des Kopfes nur durch das Vorhan-<lb/>
densein der falsch verstandenen Inschrift möglich ward, ganz<lb/>
in derselben Weise, wie es bei den Köpfen mit dem Namen<lb/>
des Aetion, Hellen u. a. der Fall gewesen sein muss. Die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">33*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[507/0524]
mehr vorhandene Gemme keine andere ist, als die jetzt im
wiener Museum befindliche. Wiltheim aber starb gegen das
Jahr 1694 (vgl. die Vorrede S. VI); seine Beschreibung rührt
also aus einer Zeit her, in welcher auch nach Köhler die
Fälschung der Künstlerinschriften auf Gemmen noch nicht
begonnen hatte. Betrachten wir aber endlich die Fassung
der Gemme in Silber mit einer Kette, um sie am Halse zu
tragen, so werden wir nicht umhin können, uns der Verwen-
dung so mancher antiken geschnittenen Steine in den Kir-
chenschätzen des Mittelalters zu erinnern, und demnach die
echternacher Gemme nicht etwa für eine neue, zu Wiltheim’s
Zeit gemachte Erwerbung, sondern für ein altes Besitzthum
des Klosters halten müssen. — C. I. 7195; eine Abbildung
auch im Trésor glypt. [Iconogr. rom. pl. V, n. 2].
Hyllos.
Auf einem Carneol, der, früher im Besitze Lorenzo’s von
Medici, dann Crozat’s und des Herzogs von Orleans, schliess-
lich in die petersburger Sammlung gelangte, ist das Brust-
bild einer mit dem Diadem geschmückten Königin dargestellt,
die man ohne hinlänglichen Grund Artemisia oder Cleopatra
genannt hat. Vor dem Kopfe liest man _ : Ursini Il-
lustr. imag. t. 75; Stosch t. 39; Bracci II, t. 79; Mariette
Cat. Crozat p. 24, n. 465; Raspe 15210; Köhler S. 108 und
293. Faber, der Herausgeber des Ursinus, glaubte, dass der
Kopf durch die Inschrift als das Bild des Hylas bezeichnet
sei, indem die Verdoppelung des _ sich auch in den Hand-
schriften des Theokrit und Apollodor finde. Wenn nun Köh-
ler, während er der Behandlung des Bildes als vortrefflich
alle Gerechtigkeit widerfahren lässt, ausruft: „Wie konnte
aber dieses Brustbild einer weiblichen Schönheit das Bildniss
eines kraftvollen Jünglings sein?‟ so dürfen wir wohl fragen,
wie sich mit einer solchen Frage die Annahme Köhler’s ver-
trägt: dass der Name im sechszehnten Jahrhundert hinzuge-
fügt sei, um aus dem Kopfe ein Bild des Hylas zu machen.
Die einfachste Logik verlangt vielmehr anzunehmen, dass
eine so falsche Deutung des Kopfes nur durch das Vorhan-
densein der falsch verstandenen Inschrift möglich ward, ganz
in derselben Weise, wie es bei den Köpfen mit dem Namen
des Aetion, Hellen u. a. der Fall gewesen sein muss. Die
33*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/524>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.