alten Steine finden wird, völlig rauh und ungeglättet. Es scheint eine Arbeit des sechszehnten oder siebzehnten Jahr- hunderts zu sein." Ich kenne das Original nicht, aber der Gypsabdruck lehrt, dass Köhler diese Arbeit keineswegs mit unparteiischem Auge betrachtet hat: was er an ihr aussetzt, wird uns in einem ganz andern Lichte erscheinen, sofern wir nur davon ausgehen, dass der Künstler nicht ein grie- chisches Ideal, sondern einen Barbarenkopf darstellen wollte. Gerade die angegebenen Eigenthümlichkeiten würde ein Künst- ler der von Köhler angegebenen Zeit, wenn er einen Grie- chen hätte vorstellen wollen, vermieden haben. Und was hätte ein damaliger Künstler, der von einem Steinschneider Hyllos noch nichts wusste, mit der Inschrift sagen wollen? Sie soll nach Köhler von dem Carneol des Ursinus genom- men sein, "um anzuzeigen, man sehe hier den Hyllos, Sohn des Herakles." "Es ist einleuchtend, dass man unter dem Namen Hyllos oder Hyllas auf Orsini's Carneol den Liebling des Herakles, den Sohn des Theodamas verstand, den wir Hylas zu nennen gewohnt sind, und dass unter Hyllos auf der Gemme mit dem bärtigen Kopfe Hyilos, des Herakles und der Deianira Sohn gemeint war. ..." Also: weil man in dem weiblichen Kopfe des Ursinus den Hylas zu erkennen glaubte, soll ein Fälscher den bärtigen Kopf bei Canini durch eine identische Inschrift zum Hyllos haben machen wollen? Wo ist in solchen Folgerungen nur der nothdürftigste logische Zusammenhang? Die Existenz der Inschrift und die ganz misverstandene Deutung Canini's sprechen vielmehr für ihr Alter und für ihre Bedeutung als Künstlerinschrift.
Mit der Stoschischen Sammlung kam in das berliner Mu- seum ein im Feuer beschädigter Sardonyx von sechs Lagen, auf dem ein jugendlicher Heros dargestellt ist, der die Keule in der Rechten herunterhält, während die Linke, um welche die Chlamys geschlungen, auf den Rücken gelegt ist. Hinter der Figur steht die Inschrift, und zwar auf dem Stein recht- läufig [fremdsprachliches Material - fehlt]: Winck. Descr. IV, n. 154; Bracci II, t. 78; Tölken Verzeichn. p. 262, n. 60; Köhler S. 182 (mit Note von Stephani S. 345). Winckelmann nannte die Figur Aven- tinus, Bracci Herakles. "Mir scheint der eine eben so wenig Grund zu seiner Meinung gehabt zu haben, als der andere," bemerkt Köhler, und allerdings könnte man mit demselben
alten Steine finden wird, völlig rauh und ungeglättet. Es scheint eine Arbeit des sechszehnten oder siebzehnten Jahr- hunderts zu sein.‟ Ich kenne das Original nicht, aber der Gypsabdruck lehrt, dass Köhler diese Arbeit keineswegs mit unparteiischem Auge betrachtet hat: was er an ihr aussetzt, wird uns in einem ganz andern Lichte erscheinen, sofern wir nur davon ausgehen, dass der Künstler nicht ein grie- chisches Ideal, sondern einen Barbarenkopf darstellen wollte. Gerade die angegebenen Eigenthümlichkeiten würde ein Künst- ler der von Köhler angegebenen Zeit, wenn er einen Grie- chen hätte vorstellen wollen, vermieden haben. Und was hätte ein damaliger Künstler, der von einem Steinschneider Hyllos noch nichts wusste, mit der Inschrift sagen wollen? Sie soll nach Köhler von dem Carneol des Ursinus genom- men sein, „um anzuzeigen, man sehe hier den Hyllos, Sohn des Herakles.‟ „Es ist einleuchtend, dass man unter dem Namen Hyllos oder Hyllas auf Orsini’s Carneol den Liebling des Herakles, den Sohn des Theodamas verstand, den wir Hylas zu nennen gewohnt sind, und dass unter Hyllos auf der Gemme mit dem bärtigen Kopfe Hyilos, des Herakles und der Deianira Sohn gemeint war. …‟ Also: weil man in dem weiblichen Kopfe des Ursinus den Hylas zu erkennen glaubte, soll ein Fälscher den bärtigen Kopf bei Canini durch eine identische Inschrift zum Hyllos haben machen wollen? Wo ist in solchen Folgerungen nur der nothdürftigste logische Zusammenhang? Die Existenz der Inschrift und die ganz misverstandene Deutung Canini’s sprechen vielmehr für ihr Alter und für ihre Bedeutung als Künstlerinschrift.
Mit der Stoschischen Sammlung kam in das berliner Mu- seum ein im Feuer beschädigter Sardonyx von sechs Lagen, auf dem ein jugendlicher Heros dargestellt ist, der die Keule in der Rechten herunterhält, während die Linke, um welche die Chlamys geschlungen, auf den Rücken gelegt ist. Hinter der Figur steht die Inschrift, und zwar auf dem Stein recht- läufig [fremdsprachliches Material – fehlt]: Winck. Descr. IV, n. 154; Bracci II, t. 78; Tölken Verzeichn. p. 262, n. 60; Köhler S. 182 (mit Note von Stephani S. 345). Winckelmann nannte die Figur Aven- tinus, Bracci Herakles. „Mir scheint der eine eben so wenig Grund zu seiner Meinung gehabt zu haben, als der andere,‟ bemerkt Köhler, und allerdings könnte man mit demselben
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0526"n="509"/>
alten Steine finden wird, völlig rauh und ungeglättet. Es<lb/>
scheint eine Arbeit des sechszehnten oder siebzehnten Jahr-<lb/>
hunderts zu sein.‟ Ich kenne das Original nicht, aber der<lb/>
Gypsabdruck lehrt, dass Köhler diese Arbeit keineswegs mit<lb/>
unparteiischem Auge betrachtet hat: was er an ihr aussetzt,<lb/>
wird uns in einem ganz andern Lichte erscheinen, sofern<lb/>
wir nur davon ausgehen, dass der Künstler nicht ein grie-<lb/>
chisches Ideal, sondern einen Barbarenkopf darstellen wollte.<lb/>
Gerade die angegebenen Eigenthümlichkeiten würde ein Künst-<lb/>
ler der von Köhler angegebenen Zeit, wenn er einen Grie-<lb/>
chen hätte vorstellen wollen, vermieden haben. Und was<lb/>
hätte ein damaliger Künstler, der von einem Steinschneider<lb/>
Hyllos noch nichts wusste, mit der Inschrift sagen wollen?<lb/>
Sie soll nach Köhler von dem Carneol des Ursinus genom-<lb/>
men sein, „um anzuzeigen, man sehe hier den Hyllos, Sohn<lb/>
des Herakles.‟„Es ist einleuchtend, dass man unter dem<lb/>
Namen Hyllos oder Hyllas auf Orsini’s Carneol den Liebling<lb/>
des Herakles, den Sohn des Theodamas verstand, den wir<lb/>
Hylas zu nennen gewohnt sind, und dass unter Hyllos auf<lb/>
der Gemme mit dem bärtigen Kopfe Hyilos, des Herakles<lb/>
und der Deianira Sohn gemeint war. …‟ Also: weil man in<lb/>
dem weiblichen Kopfe des Ursinus den Hylas zu erkennen<lb/>
glaubte, soll ein Fälscher den bärtigen Kopf bei Canini durch<lb/>
eine identische Inschrift zum Hyllos haben machen wollen?<lb/>
Wo ist in solchen Folgerungen nur der nothdürftigste logische<lb/>
Zusammenhang? Die Existenz der Inschrift und die ganz<lb/>
misverstandene Deutung Canini’s sprechen vielmehr für ihr<lb/>
Alter und für ihre Bedeutung als Künstlerinschrift.</p><lb/><p>Mit der Stoschischen Sammlung kam in das berliner Mu-<lb/>
seum ein im Feuer beschädigter Sardonyx von sechs Lagen,<lb/>
auf dem ein jugendlicher Heros dargestellt ist, der die Keule<lb/>
in der Rechten herunterhält, während die Linke, um welche<lb/>
die Chlamys geschlungen, auf den Rücken gelegt ist. Hinter<lb/>
der Figur steht die Inschrift, und zwar auf dem Stein recht-<lb/>
läufig <foreignxml:lang="gre"><gapreason="fm"unit="words"/></foreign>: Winck. Descr. IV, n. 154; Bracci II, t. 78;<lb/>
Tölken Verzeichn. p. 262, n. 60; Köhler S. 182 (mit Note<lb/>
von Stephani S. 345). Winckelmann nannte die Figur Aven-<lb/>
tinus, Bracci Herakles. „Mir scheint der eine eben so wenig<lb/>
Grund zu seiner Meinung gehabt zu haben, als der andere,‟<lb/>
bemerkt Köhler, und allerdings könnte man mit demselben<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[509/0526]
alten Steine finden wird, völlig rauh und ungeglättet. Es
scheint eine Arbeit des sechszehnten oder siebzehnten Jahr-
hunderts zu sein.‟ Ich kenne das Original nicht, aber der
Gypsabdruck lehrt, dass Köhler diese Arbeit keineswegs mit
unparteiischem Auge betrachtet hat: was er an ihr aussetzt,
wird uns in einem ganz andern Lichte erscheinen, sofern
wir nur davon ausgehen, dass der Künstler nicht ein grie-
chisches Ideal, sondern einen Barbarenkopf darstellen wollte.
Gerade die angegebenen Eigenthümlichkeiten würde ein Künst-
ler der von Köhler angegebenen Zeit, wenn er einen Grie-
chen hätte vorstellen wollen, vermieden haben. Und was
hätte ein damaliger Künstler, der von einem Steinschneider
Hyllos noch nichts wusste, mit der Inschrift sagen wollen?
Sie soll nach Köhler von dem Carneol des Ursinus genom-
men sein, „um anzuzeigen, man sehe hier den Hyllos, Sohn
des Herakles.‟ „Es ist einleuchtend, dass man unter dem
Namen Hyllos oder Hyllas auf Orsini’s Carneol den Liebling
des Herakles, den Sohn des Theodamas verstand, den wir
Hylas zu nennen gewohnt sind, und dass unter Hyllos auf
der Gemme mit dem bärtigen Kopfe Hyilos, des Herakles
und der Deianira Sohn gemeint war. …‟ Also: weil man in
dem weiblichen Kopfe des Ursinus den Hylas zu erkennen
glaubte, soll ein Fälscher den bärtigen Kopf bei Canini durch
eine identische Inschrift zum Hyllos haben machen wollen?
Wo ist in solchen Folgerungen nur der nothdürftigste logische
Zusammenhang? Die Existenz der Inschrift und die ganz
misverstandene Deutung Canini’s sprechen vielmehr für ihr
Alter und für ihre Bedeutung als Künstlerinschrift.
Mit der Stoschischen Sammlung kam in das berliner Mu-
seum ein im Feuer beschädigter Sardonyx von sechs Lagen,
auf dem ein jugendlicher Heros dargestellt ist, der die Keule
in der Rechten herunterhält, während die Linke, um welche
die Chlamys geschlungen, auf den Rücken gelegt ist. Hinter
der Figur steht die Inschrift, und zwar auf dem Stein recht-
läufig _ : Winck. Descr. IV, n. 154; Bracci II, t. 78;
Tölken Verzeichn. p. 262, n. 60; Köhler S. 182 (mit Note
von Stephani S. 345). Winckelmann nannte die Figur Aven-
tinus, Bracci Herakles. „Mir scheint der eine eben so wenig
Grund zu seiner Meinung gehabt zu haben, als der andere,‟
bemerkt Köhler, und allerdings könnte man mit demselben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/526>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.