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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 119. Der Rechtsgang um Liegenschaften.
Beklagte, so hatte er nicht nur das Grundstück herauszugeben, sondern
auch für die rechtswidrige Besitznahme oder Vorenthaltung Busse und
Friedensgeld zu zahlen 8.

Eingeleitet wurde der Rechtsstreit um Grundstücke regelmässig
durch rechtsförmliche Ladung, nach fränkischen Rechten durch mannitio.
Und zwar blieb, wie bereits oben S. 338 bemerkt wurde, die Partei-
ladung für den Liegenschaftsprozess rechtliches Erfordernis noch zu
einer Zeit, da im übrigen bereits die bannitio zulässig war. Die
Ladung konnte durch ein Streitgedinge ersetzt werden.

Ausser der Ladung und dem Streitgedinge bestand wenig-
stens bei den Franken und Langobarden noch eine andere dem
Fahrnisprozess entsprechende Form der Einleitung des Rechtsstreites
um [Grundstücke, der Anefang. Jüngere niederrheinische Urkunden
kennen eine interciatio von Grundstücken und verdeutschen diesen
Ausdruck durch vorcumber oder clank 9. Niederländische Quellen
haben dafür das Wort aenvanc, aenvaerdinge, sächsische Quellen aus
dem Kreise des magdeburgischen und halleschen Stadtrechtes anevangen
oder anegripen 10. Der Anefang ist rechtsförmliche Besitzergreifung
und geschieht regelmässig durch Anfassen des Thürpfostens. Durch
Anefang nimmt der Erbe als solcher ein Grundstück in Anspruch.

8 Lex Rib. 60, 2. 3. 4. 8. Extrav. der Lex Sal. A 2. Cap. legi Sal. add.
v. J. 819, c. 5, I 293: si infans infra duodecim annos res alterius iniuste sibi usur-
paverit, eas excepto fredo cum lege sua conponat. Der Mündige hatte auch den
fredus zu zahlen. Cap. pro lege habend. Worm. v. J. 829, c. 4 i. f. II 19. Die
volksrechtliche Gesamtbusse betrug bei den Franken 15 Solidi, sofern nicht ein
schwereres Delikt vorlag oder ein höherer Sonderfriede verletzt war. -- Lex Baiuw.
XVII 1: propter praesumptionem cum sex solidos conponat et exeat. A. O. XII 6:
damnum pervasionis excipiat, quod legibus continet, id est sex solidos. -- Sechs
Solidi betrug auch die langobardische Busse. Roth. 355. 356. Doch setzte in
Italien ein Kapitular Pippins v. J. 787, Cap. I 200, c. 14, auf invadere sine iudi-
cio die königliche Bannbusse. Expositio § 6 zu Liber Pap. Liu. 89. v. Bethmann-
Hollweg
, Civilprozess V 354. -- Urkundliche Beispiele bei R. Loening, Ver-
tragsbruch S. 564.
9 Urk. v. J. 1332 in den Annalen des histor. Vereines für den Niederrhein,
insbes. die alte Erzdiöcese Köln, Heft 50, 1890, S. 131: Der Veräusserer eines
Grundstückes verspricht: amovere omnem interc(i)ationem, que teutonice dicitur
vorcumber et eciam warandizare anno et die. Ungedruckte Urk. bei Liesegang,
Urkunden von Calcar Nr. 2 in denselben Annalen, wo der Veräusserer einer Erb-
rente verspricht: removere de dicto censu omnem interciationem dictam teutonice
clank, quam iure tenetur removere. Clank, niederl. klonk, hat hier die Grund-
bedeutung Schlag. Siehe Grimm, WB V 1195 s. v. klinke unter III 4 a.
10 Z2 f. RG IV 236 f. Behrend, Anevang S. 7 ff. Stallaert, Glossa-
rium I 35 f. s. v. aenvaerden, aenvanck.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 33

§ 119. Der Rechtsgang um Liegenschaften.
Beklagte, so hatte er nicht nur das Grundstück herauszugeben, sondern
auch für die rechtswidrige Besitznahme oder Vorenthaltung Buſse und
Friedensgeld zu zahlen 8.

Eingeleitet wurde der Rechtsstreit um Grundstücke regelmäſsig
durch rechtsförmliche Ladung, nach fränkischen Rechten durch mannitio.
Und zwar blieb, wie bereits oben S. 338 bemerkt wurde, die Partei-
ladung für den Liegenschaftsprozeſs rechtliches Erfordernis noch zu
einer Zeit, da im übrigen bereits die bannitio zulässig war. Die
Ladung konnte durch ein Streitgedinge ersetzt werden.

Auſser der Ladung und dem Streitgedinge bestand wenig-
stens bei den Franken und Langobarden noch eine andere dem
Fahrnisprozeſs entsprechende Form der Einleitung des Rechtsstreites
um [Grundstücke, der Anefang. Jüngere niederrheinische Urkunden
kennen eine interciatio von Grundstücken und verdeutschen diesen
Ausdruck durch vorcůmber oder clank 9. Niederländische Quellen
haben dafür das Wort aenvanc, aenvaerdinge, sächsische Quellen aus
dem Kreise des magdeburgischen und halleschen Stadtrechtes anevangen
oder anegripen 10. Der Anefang ist rechtsförmliche Besitzergreifung
und geschieht regelmäſsig durch Anfassen des Thürpfostens. Durch
Anefang nimmt der Erbe als solcher ein Grundstück in Anspruch.

8 Lex Rib. 60, 2. 3. 4. 8. Extrav. der Lex Sal. A 2. Cap. legi Sal. add.
v. J. 819, c. 5, I 293: si infans infra duodecim annos res alterius iniuste sibi usur-
paverit, eas excepto fredo cum lege sua conponat. Der Mündige hatte auch den
fredus zu zahlen. Cap. pro lege habend. Worm. v. J. 829, c. 4 i. f. II 19. Die
volksrechtliche Gesamtbuſse betrug bei den Franken 15 Solidi, sofern nicht ein
schwereres Delikt vorlag oder ein höherer Sonderfriede verletzt war. — Lex Baiuw.
XVII 1: propter praesumptionem cum sex solidos conponat et exeat. A. O. XII 6:
damnum pervasionis excipiat, quod legibus continet, id est sex solidos. — Sechs
Solidi betrug auch die langobardische Buſse. Roth. 355. 356. Doch setzte in
Italien ein Kapitular Pippins v. J. 787, Cap. I 200, c. 14, auf invadere sine iudi-
cio die königliche Bannbuſse. Expositio § 6 zu Liber Pap. Liu. 89. v. Bethmann-
Hollweg
, Civilprozeſs V 354. — Urkundliche Beispiele bei R. Loening, Ver-
tragsbruch S. 564.
9 Urk. v. J. 1332 in den Annalen des histor. Vereines für den Niederrhein,
insbes. die alte Erzdiöcese Köln, Heft 50, 1890, S. 131: Der Veräuſserer eines
Grundstückes verspricht: amovere omnem interc(i)ationem, que teutonice dicitur
vorcůmber et eciam warandizare anno et die. Ungedruckte Urk. bei Liesegang,
Urkunden von Calcar Nr. 2 in denselben Annalen, wo der Veräuſserer einer Erb-
rente verspricht: removere de dicto censu omnem interciationem dictam teutonice
clank, quam iure tenetur removere. Clank, niederl. klonk, hat hier die Grund-
bedeutung Schlag. Siehe Grimm, WB V 1195 s. v. klinke unter III 4 a.
10 Z2 f. RG IV 236 f. Behrend, Anevang S. 7 ff. Stallaert, Glossa-
rium I 35 f. s. v. aenvaerden, aenvanck.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 33
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[513/0531] § 119. Der Rechtsgang um Liegenschaften. Beklagte, so hatte er nicht nur das Grundstück herauszugeben, sondern auch für die rechtswidrige Besitznahme oder Vorenthaltung Buſse und Friedensgeld zu zahlen 8. Eingeleitet wurde der Rechtsstreit um Grundstücke regelmäſsig durch rechtsförmliche Ladung, nach fränkischen Rechten durch mannitio. Und zwar blieb, wie bereits oben S. 338 bemerkt wurde, die Partei- ladung für den Liegenschaftsprozeſs rechtliches Erfordernis noch zu einer Zeit, da im übrigen bereits die bannitio zulässig war. Die Ladung konnte durch ein Streitgedinge ersetzt werden. Auſser der Ladung und dem Streitgedinge bestand wenig- stens bei den Franken und Langobarden noch eine andere dem Fahrnisprozeſs entsprechende Form der Einleitung des Rechtsstreites um [Grundstücke, der Anefang. Jüngere niederrheinische Urkunden kennen eine interciatio von Grundstücken und verdeutschen diesen Ausdruck durch vorcůmber oder clank 9. Niederländische Quellen haben dafür das Wort aenvanc, aenvaerdinge, sächsische Quellen aus dem Kreise des magdeburgischen und halleschen Stadtrechtes anevangen oder anegripen 10. Der Anefang ist rechtsförmliche Besitzergreifung und geschieht regelmäſsig durch Anfassen des Thürpfostens. Durch Anefang nimmt der Erbe als solcher ein Grundstück in Anspruch. 8 Lex Rib. 60, 2. 3. 4. 8. Extrav. der Lex Sal. A 2. Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 5, I 293: si infans infra duodecim annos res alterius iniuste sibi usur- paverit, eas excepto fredo cum lege sua conponat. Der Mündige hatte auch den fredus zu zahlen. Cap. pro lege habend. Worm. v. J. 829, c. 4 i. f. II 19. Die volksrechtliche Gesamtbuſse betrug bei den Franken 15 Solidi, sofern nicht ein schwereres Delikt vorlag oder ein höherer Sonderfriede verletzt war. — Lex Baiuw. XVII 1: propter praesumptionem cum sex solidos conponat et exeat. A. O. XII 6: damnum pervasionis excipiat, quod legibus continet, id est sex solidos. — Sechs Solidi betrug auch die langobardische Buſse. Roth. 355. 356. Doch setzte in Italien ein Kapitular Pippins v. J. 787, Cap. I 200, c. 14, auf invadere sine iudi- cio die königliche Bannbuſse. Expositio § 6 zu Liber Pap. Liu. 89. v. Bethmann- Hollweg, Civilprozeſs V 354. — Urkundliche Beispiele bei R. Loening, Ver- tragsbruch S. 564. 9 Urk. v. J. 1332 in den Annalen des histor. Vereines für den Niederrhein, insbes. die alte Erzdiöcese Köln, Heft 50, 1890, S. 131: Der Veräuſserer eines Grundstückes verspricht: amovere omnem interc(i)ationem, que teutonice dicitur vorcůmber et eciam warandizare anno et die. Ungedruckte Urk. bei Liesegang, Urkunden von Calcar Nr. 2 in denselben Annalen, wo der Veräuſserer einer Erb- rente verspricht: removere de dicto censu omnem interciationem dictam teutonice clank, quam iure tenetur removere. Clank, niederl. klonk, hat hier die Grund- bedeutung Schlag. Siehe Grimm, WB V 1195 s. v. klinke unter III 4 a. 10 Z2 f. RG IV 236 f. Behrend, Anevang S. 7 ff. Stallaert, Glossa- rium I 35 f. s. v. aenvaerden, aenvanck. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 33

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/531>, abgerufen am 22.11.2024.