schen Vertragsrechts S. 209 ff. Kraut, Vormundschaft I 339 ff. v. Bar, Hand- buch des deutschen Strafrechts I 62 f. Arthur Benno Schmidt, Die Grund- sätze über den Schadensersatz in den Volksrechten in Gierkes Untersuchungen XVIII 31 ff. (1885). H. Brunner, Über absichtslose Missethat im altdeutschen Straf- rechte, Berliner SB 1890, S. 815 ff., eine Untersuchung, die der folgenden Dar- stellung zu Grunde liegt. M. Frank, Die kasuelle Tötung in den Volksrechten 1890. -- Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden 1863, S. 32 f. Pertile, Storia del diritto italiano V 61. Nani, Studii di diritto longobardo 1877/8, S. 38 ff. Holmes, The Common Law 1881, S. 17 ff. Dahn, Westgotische Stu- dien S. 141 ff. v. Amira, Obligationenrecht I 373 ff. 706 ff. Kolderup Rosen- vinge, Grundrids af den danske Retshistorie II 49 ff. 63 f. Brandt, Fore- laesninger II 38 ff.
Das ältere deutsche Strafrecht unterlässt es, im einzelnen Falle zu fragen, ob die That, die den schädlichen Erfolg herbeiführte, auf dolus, culpa oder casus beruhe. Weil es in dem zugefügten Übel den sinnlichen Ausdruck des verbrecherischen Willens sieht, so straft es den Thäter auch dann, wenn ihm weder Absicht noch Fahrlässigkeit zur Last fällt. Es giebt auch absichtslose, ungewollte, unverschuldete Missethat. Götter- und Heldensage, sowie vereinzelte Aussprüche der Quellen stellen es ausser Zweifel, dass ungewollte That nach uralter Rechtsüberzeugung des Volkes als gewollte Missethat zugerechnet und gebüsst, dass beispielsweise die Tötung oder Verwundung, die ein ab- irrender Pfeil verursachte, gleich der absichtlichen Tötung oder Ver- wundung geahndet wurde 1.
Trotz alledem wurde der Unterschied zwischen gewollter und un- gewollter That nicht schlechtweg übersehen. Die Volkssprache weiss sie scharf auseinanderzuhalten. Die rechtswidrige Absicht bezeichnen im Althochdeutschen die Substantiva fara, farida, wovon unser Wort Gefährde stammt, das Verbum faren, intendere, insidiari, das noch in der Zusammensetzung willfahren fortlebt 2, die Adjektiva fari, gifari, farig. Den Dolus bezeichnen auch ahd. inwit, faihan, ags. facen. Die lateinisch geschriebenen Rechtsquellen sagen: per malum ingenium, per ingenium, voluntate, per invidiam, inimicitiam, per iram, iniquo, irato animo, de asto 3. Den Gegensatz bildet das Ungefährwerk, die
1 Argum. Lex Baiuw. XIX 5. Beowulf v. 2436 ff.
2 Vgl. bair. faren eines Dinges, darauf Acht haben, warten, lauern, insidiari. Schmeller, WB I 740.
3 Das dem langobardischen Edikte geläufige Wort de asto bedeutet den dolus und darf nicht mit Hast, Hastmut, Eifer, Affekt wiedergegeben werden. Denn es sind zum Teil sehr raffinierte Handlungen, die asto animo geschehen. Nach Liu. 146 handelt asto animo ein Frauenzimmer, wenn es ein fremdes Grundstück betritt mit der Berechnung, dass der Beschädigte sie nicht bloss pfänden, sondern auch
§ 125. Absicht und Ungefähr.
schen Vertragsrechts S. 209 ff. Kraut, Vormundschaft I 339 ff. v. Bar, Hand- buch des deutschen Strafrechts I 62 f. Arthur Benno Schmidt, Die Grund- sätze über den Schadensersatz in den Volksrechten in Gierkes Untersuchungen XVIII 31 ff. (1885). H. Brunner, Über absichtslose Missethat im altdeutschen Straf- rechte, Berliner SB 1890, S. 815 ff., eine Untersuchung, die der folgenden Dar- stellung zu Grunde liegt. M. Frank, Die kasuelle Tötung in den Volksrechten 1890. — Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden 1863, S. 32 f. Pertile, Storia del diritto italiano V 61. Nani, Studii di diritto longobardo 1877/8, S. 38 ff. Holmes, The Common Law 1881, S. 17 ff. Dahn, Westgotische Stu- dien S. 141 ff. v. Amira, Obligationenrecht I 373 ff. 706 ff. Kolderup Rosen- vinge, Grundrids af den danske Retshistorie II 49 ff. 63 f. Brandt, Fore- læsninger II 38 ff.
Das ältere deutsche Strafrecht unterläſst es, im einzelnen Falle zu fragen, ob die That, die den schädlichen Erfolg herbeiführte, auf dolus, culpa oder casus beruhe. Weil es in dem zugefügten Übel den sinnlichen Ausdruck des verbrecherischen Willens sieht, so straft es den Thäter auch dann, wenn ihm weder Absicht noch Fahrlässigkeit zur Last fällt. Es giebt auch absichtslose, ungewollte, unverschuldete Missethat. Götter- und Heldensage, sowie vereinzelte Aussprüche der Quellen stellen es auſser Zweifel, daſs ungewollte That nach uralter Rechtsüberzeugung des Volkes als gewollte Missethat zugerechnet und gebüſst, daſs beispielsweise die Tötung oder Verwundung, die ein ab- irrender Pfeil verursachte, gleich der absichtlichen Tötung oder Ver- wundung geahndet wurde 1.
Trotz alledem wurde der Unterschied zwischen gewollter und un- gewollter That nicht schlechtweg übersehen. Die Volkssprache weiſs sie scharf auseinanderzuhalten. Die rechtswidrige Absicht bezeichnen im Althochdeutschen die Substantiva fâra, fârida, wovon unser Wort Gefährde stammt, das Verbum fârên, intendere, insidiari, das noch in der Zusammensetzung willfahren fortlebt 2, die Adjektiva fâri, gifâri, fârig. Den Dolus bezeichnen auch ahd. inwit, faihan, ags. fácen. Die lateinisch geschriebenen Rechtsquellen sagen: per malum ingenium, per ingenium, voluntate, per invidiam, inimicitiam, per iram, iniquo, irato animo, de asto 3. Den Gegensatz bildet das Ungefährwerk, die
1 Argum. Lex Baiuw. XIX 5. Beowulf v. 2436 ff.
2 Vgl. bair. fâren eines Dinges, darauf Acht haben, warten, lauern, insidiari. Schmeller, WB I 740.
3 Das dem langobardischen Edikte geläufige Wort de asto bedeutet den dolus und darf nicht mit Hast, Hastmut, Eifer, Affekt wiedergegeben werden. Denn es sind zum Teil sehr raffinierte Handlungen, die asto animo geschehen. Nach Liu. 146 handelt asto animo ein Frauenzimmer, wenn es ein fremdes Grundstück betritt mit der Berechnung, daſs der Beschädigte sie nicht bloſs pfänden, sondern auch
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§ 125. Absicht und Ungefähr.
schen Vertragsrechts S. 209 ff. Kraut, Vormundschaft I 339 ff. v. Bar, Hand-
buch des deutschen Strafrechts I 62 f. Arthur Benno Schmidt, Die Grund-
sätze über den Schadensersatz in den Volksrechten in Gierkes Untersuchungen XVIII
31 ff. (1885). H. Brunner, Über absichtslose Missethat im altdeutschen Straf-
rechte, Berliner SB 1890, S. 815 ff., eine Untersuchung, die der folgenden Dar-
stellung zu Grunde liegt. M. Frank, Die kasuelle Tötung in den Volksrechten
1890. — Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden 1863, S. 32 f. Pertile,
Storia del diritto italiano V 61. Nani, Studii di diritto longobardo 1877/8,
S. 38 ff. Holmes, The Common Law 1881, S. 17 ff. Dahn, Westgotische Stu-
dien S. 141 ff. v. Amira, Obligationenrecht I 373 ff. 706 ff. Kolderup Rosen-
vinge, Grundrids af den danske Retshistorie II 49 ff. 63 f. Brandt, Fore-
læsninger II 38 ff.
Das ältere deutsche Strafrecht unterläſst es, im einzelnen Falle
zu fragen, ob die That, die den schädlichen Erfolg herbeiführte, auf
dolus, culpa oder casus beruhe. Weil es in dem zugefügten Übel den
sinnlichen Ausdruck des verbrecherischen Willens sieht, so straft es
den Thäter auch dann, wenn ihm weder Absicht noch Fahrlässigkeit
zur Last fällt. Es giebt auch absichtslose, ungewollte, unverschuldete
Missethat. Götter- und Heldensage, sowie vereinzelte Aussprüche der
Quellen stellen es auſser Zweifel, daſs ungewollte That nach uralter
Rechtsüberzeugung des Volkes als gewollte Missethat zugerechnet und
gebüſst, daſs beispielsweise die Tötung oder Verwundung, die ein ab-
irrender Pfeil verursachte, gleich der absichtlichen Tötung oder Ver-
wundung geahndet wurde 1.
Trotz alledem wurde der Unterschied zwischen gewollter und un-
gewollter That nicht schlechtweg übersehen. Die Volkssprache weiſs
sie scharf auseinanderzuhalten. Die rechtswidrige Absicht bezeichnen
im Althochdeutschen die Substantiva fâra, fârida, wovon unser Wort
Gefährde stammt, das Verbum fârên, intendere, insidiari, das noch in
der Zusammensetzung willfahren fortlebt 2, die Adjektiva fâri, gifâri,
fârig. Den Dolus bezeichnen auch ahd. inwit, faihan, ags. fácen. Die
lateinisch geschriebenen Rechtsquellen sagen: per malum ingenium, per
ingenium, voluntate, per invidiam, inimicitiam, per iram, iniquo,
irato animo, de asto 3. Den Gegensatz bildet das Ungefährwerk, die
1 Argum. Lex Baiuw. XIX 5. Beowulf v. 2436 ff.
2 Vgl. bair. fâren eines Dinges, darauf Acht haben, warten, lauern, insidiari.
Schmeller, WB I 740.
3 Das dem langobardischen Edikte geläufige Wort de asto bedeutet den dolus
und darf nicht mit Hast, Hastmut, Eifer, Affekt wiedergegeben werden. Denn es
sind zum Teil sehr raffinierte Handlungen, die asto animo geschehen. Nach Liu.
146 handelt asto animo ein Frauenzimmer, wenn es ein fremdes Grundstück betritt
mit der Berechnung, daſs der Beschädigte sie nicht bloſs pfänden, sondern auch
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/562>, abgerufen am 22.11.2024.
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