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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
dieser alte verarmete Opimius (diß wahr sein Nahme) getahn hätte. Die Schneider
musten Tag und Nacht an den Kleidern arbeiten/ damit sie zu Padua bald anlangen kön-
ten/ und stelleten die Schwester und Brüder sich gar zeitig ein. Zu Padua ward des abends/
da Beata weg gereiset wahr/ ein zierlicher Tanz gehalten/ und wahren aller anwesenden
Augen auff Herkules und Fr. Valisken hingekehret/ da sie auf Fr. Sophien Anfoderung
einen Tanz mit einander verrichteten/ in solcher künstlichen Zierligkeit/ als jemahls moch-
te gesehen seyn/ daß auch der Stathalter zu Kornelius sagete: Ich gläube nicht/ daß so lan-
ge die Welt gestanden ein volkommener paar Eheleute gelebet haben/ und erscheinet aus
allen ihren Geberden/ mit was herzlicher Neigung sie einander meynen; in welchen Ge-
danken er dann nicht irrete/ massen ihre Liebe sich von Tage zu Tage stets mehrete/ daß sie
kaum eine Stunde mit Herzensruhe von einander seyn kunten. Ja es wahr so ein ein-
trächtiger Wille zwischen ihnen/ daß nicht anders zuurteilen stund/ sie hätten beyde nur ei-
ne Seele gehabt; gingen sie mit einander/ so fasseten sie sich bey den Händen/ welche man-
nichen Kuß einnehmen musten; sassen sie beyeinander/ so schaueten sie sich mit freundlichem
lachen an/ und bemühete sich ein jeder/ wie er dem andern Vergnügung schaffen/ und ehr-
liche Ergezligkeit geben möchte. Wie offt klagete er ihr/ daß sein Herz viel zu voll währe/
und als ein angestecketes Faß/ dem keine Lufft gegeben wird/ dessen nichts von sich auslas-
sen könte/ was drinnen verschlossen währe. Wann ihm dann sein Gemahl antworten wol-
te/ ging es ihr gleich also/ und muste das stumme umfahen die beste Rede seyn/ weil die Zun-
ge als gelähmet/ ihr Amt nicht verrichten kunte. Zu zeiten kam es/ daß die Vernunfft in
ihnen sich loßwirkete von der Liebesklammer/ und alsdann fingen sie an einen so häuffigen
Strohm der verliebeten Reden auszugiessen/ daß man hätte meynen sollen/ das Herz wäh-
re gar ausgeleeret/ und ihre inbrünstige Liebe biß an das innerste ausgedrücket/ da hinge-
gen sie vermeyneten/ kaum die äussersten Borken gezeiget zuhaben. Zu verwundern aber
wahr es/ daß diese strängst-gespannete Liebe die Ehrerbietigkeit des einen gegen den an-
dern im allergeringesten nicht minderte/ so wenig/ wann sie allein/ als in Geselschafft wah-
ren/ und geschahe gar selten/ daß sie ihre Unterredungen nicht mit Geistlichen Sachen sol-
ten vermischet haben. Als sie vor dißmahl den Tanz zum Ende gebracht hatten/ so derte die
Groß Fürstin Frl. Lukrezien und Sibyllen auff/ und führete sie den beyden jungen Fürsten
mit diesen Worten zu: Geliebete Herren Oheime; hie bringe Euren Liebden ich meine
herzgeliebeten Fräulein Schwestere zu/ welche dort nicht anders als zwey verlassene Tur-
tel Täubelein sassen/ und vielleicht eine der anderen ihre unglükselige Einsamkeit klageten/
welches mir nicht wenig zu herzen gehet; bitte demnach höchlich/ sie wollen dieselben zum
Tanze führen/ und nach dessen Endigung sie in ihrer guten Geselschafft behalten. Die
Fräulein wurden hier über etwas schamroht/ weil ihnen einfiel/ wie weit sie heut auff den
Gutschen sich mit ihnen eingelassen hatten/ und antwortete Frl. Lukrezie also: Durchl.
Groß Fürstin/ was solte uns und unsers gleichen angenehmer als die Einsamkeit seyn?
insonderheit die wir als vertrauete Schwestern eine gute Zeit nicht beysammen gewesen/
und die uns begegnete Abenteur einander zuerzählen grosse Begierde tragen; wie dann
gleich jezt meine Frl. Schwester zum Ende gebracht/ in was Furcht und Gefahr sie neu-
lich in der Räuberhöhle gewesen/ wovon sie durch dieser Fürsten Heldentaht errettet/ und

bey

Sechſtes Buch.
dieſer alte verarmete Opimius (diß wahr ſein Nahme) getahn haͤtte. Die Schneider
muſten Tag und Nacht an den Kleidern arbeiten/ damit ſie zu Padua bald anlangen koͤn-
ten/ und ſtelleten die Schweſter uñ Bruͤder ſich gar zeitig ein. Zu Padua ward des abends/
da Beata weg gereiſet wahr/ ein zierlicher Tanz gehalten/ und wahren aller anweſenden
Augen auff Herkules und Fr. Valiſken hingekehret/ da ſie auf Fr. Sophien Anfoderung
einen Tanz mit einander verrichteten/ in ſolcher kuͤnſtlichen Zierligkeit/ als jemahls moch-
te geſehen ſeyn/ daß auch der Stathalter zu Kornelius ſagete: Ich glaͤube nicht/ daß ſo lan-
ge die Welt geſtanden ein volkommener paar Eheleute gelebet haben/ und erſcheinet aus
allen ihren Geberden/ mit was herzlicher Neigung ſie einander meynen; in welchen Ge-
danken er dann nicht irrete/ maſſen ihre Liebe ſich von Tage zu Tage ſtets mehrete/ daß ſie
kaum eine Stunde mit Herzensruhe von einander ſeyn kunten. Ja es wahr ſo ein ein-
traͤchtiger Wille zwiſchen ihnen/ daß nicht anders zuurteilen ſtund/ ſie haͤtten beyde nur ei-
ne Seele gehabt; gingen ſie mit einander/ ſo faſſeten ſie ſich bey den Haͤnden/ welche man-
nichen Kuß einnehmen muſten; ſaſſen ſie beyeinander/ ſo ſchaueten ſie ſich mit freundlichem
lachen an/ und bemuͤhete ſich ein jeder/ wie er dem andern Vergnuͤgung ſchaffen/ und ehꝛ-
liche Ergezligkeit geben moͤchte. Wie offt klagete er ihr/ daß ſein Herz viel zu voll waͤhre/
und als ein angeſtecketes Faß/ dem keine Lufft gegeben wird/ deſſen nichts von ſich auslaſ-
ſen koͤnte/ was drinnen verſchloſſen waͤhre. Wann ihm dann ſein Gemahl antworten wol-
te/ ging es ihr gleich alſo/ und muſte das ſtumme umfahen die beſte Rede ſeyn/ weil die Zun-
ge als gelaͤhmet/ ihr Amt nicht verrichten kunte. Zu zeiten kam es/ daß die Vernunfft in
ihnen ſich loßwirkete von der Liebesklammer/ und alsdann fingen ſie an einen ſo haͤuffigen
Strohm der verliebeten Reden auszugieſſen/ daß man haͤtte meynen ſollen/ das Herz waͤh-
re gar ausgeleeret/ und ihre inbruͤnſtige Liebe biß an das innerſte ausgedruͤcket/ da hinge-
gen ſie vermeyneten/ kaum die aͤuſſerſten Borken gezeiget zuhaben. Zu verwundern aber
wahr es/ daß dieſe ſtraͤngſt-geſpannete Liebe die Ehrerbietigkeit des einen gegen den an-
dern im allergeringeſten nicht minderte/ ſo wenig/ wann ſie allein/ als in Geſelſchafft wah-
ren/ und geſchahe gar ſelten/ daß ſie ihre Unterredungen nicht mit Geiſtlichen Sachen ſol-
ten vermiſchet haben. Als ſie vor dißmahl den Tanz zum Ende gebracht hatten/ ſo derte die
Groß Fürſtin Frl. Lukrezien und Sibyllen auff/ und fuͤhrete ſie den beyden jungen Fuͤrſten
mit dieſen Worten zu: Geliebete Herren Oheime; hie bringe Euren Liebden ich meine
herzgeliebeten Fraͤulein Schweſtere zu/ welche dort nicht anders als zwey verlaſſene Tur-
tel Taͤubelein ſaſſen/ und vielleicht eine der anderen ihre ungluͤkſelige Einſamkeit klageten/
welches mir nicht wenig zu herzen gehet; bitte demnach hoͤchlich/ ſie wollen dieſelben zum
Tanze fuͤhren/ und nach deſſen Endigung ſie in ihrer guten Geſelſchafft behalten. Die
Fraͤulein wurden hier uͤber etwas ſchamroht/ weil ihnen einfiel/ wie weit ſie heut auff den
Gutſchen ſich mit ihnen eingelaſſen hatten/ und antwortete Frl. Lukrezie alſo: Durchl.
Groß Fuͤrſtin/ was ſolte uns und unſers gleichen angenehmer als die Einſamkeit ſeyn?
inſonderheit die wir als vertrauete Schweſtern eine gute Zeit nicht beyſammen geweſen/
und die uns begegnete Abenteur einander zuerzaͤhlen groſſe Begierde tragen; wie dann
gleich jezt meine Frl. Schweſter zum Ende gebracht/ in was Furcht und Gefahr ſie neu-
lich in der Raͤuberhoͤhle geweſen/ wovon ſie durch dieſer Fuͤrſten Heldentaht errettet/ und

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[314/0320] Sechſtes Buch. dieſer alte verarmete Opimius (diß wahr ſein Nahme) getahn haͤtte. Die Schneider muſten Tag und Nacht an den Kleidern arbeiten/ damit ſie zu Padua bald anlangen koͤn- ten/ und ſtelleten die Schweſter uñ Bruͤder ſich gar zeitig ein. Zu Padua ward des abends/ da Beata weg gereiſet wahr/ ein zierlicher Tanz gehalten/ und wahren aller anweſenden Augen auff Herkules und Fr. Valiſken hingekehret/ da ſie auf Fr. Sophien Anfoderung einen Tanz mit einander verrichteten/ in ſolcher kuͤnſtlichen Zierligkeit/ als jemahls moch- te geſehen ſeyn/ daß auch der Stathalter zu Kornelius ſagete: Ich glaͤube nicht/ daß ſo lan- ge die Welt geſtanden ein volkommener paar Eheleute gelebet haben/ und erſcheinet aus allen ihren Geberden/ mit was herzlicher Neigung ſie einander meynen; in welchen Ge- danken er dann nicht irrete/ maſſen ihre Liebe ſich von Tage zu Tage ſtets mehrete/ daß ſie kaum eine Stunde mit Herzensruhe von einander ſeyn kunten. Ja es wahr ſo ein ein- traͤchtiger Wille zwiſchen ihnen/ daß nicht anders zuurteilen ſtund/ ſie haͤtten beyde nur ei- ne Seele gehabt; gingen ſie mit einander/ ſo faſſeten ſie ſich bey den Haͤnden/ welche man- nichen Kuß einnehmen muſten; ſaſſen ſie beyeinander/ ſo ſchaueten ſie ſich mit freundlichem lachen an/ und bemuͤhete ſich ein jeder/ wie er dem andern Vergnuͤgung ſchaffen/ und ehꝛ- liche Ergezligkeit geben moͤchte. Wie offt klagete er ihr/ daß ſein Herz viel zu voll waͤhre/ und als ein angeſtecketes Faß/ dem keine Lufft gegeben wird/ deſſen nichts von ſich auslaſ- ſen koͤnte/ was drinnen verſchloſſen waͤhre. Wann ihm dann ſein Gemahl antworten wol- te/ ging es ihr gleich alſo/ und muſte das ſtumme umfahen die beſte Rede ſeyn/ weil die Zun- ge als gelaͤhmet/ ihr Amt nicht verrichten kunte. Zu zeiten kam es/ daß die Vernunfft in ihnen ſich loßwirkete von der Liebesklammer/ und alsdann fingen ſie an einen ſo haͤuffigen Strohm der verliebeten Reden auszugieſſen/ daß man haͤtte meynen ſollen/ das Herz waͤh- re gar ausgeleeret/ und ihre inbruͤnſtige Liebe biß an das innerſte ausgedruͤcket/ da hinge- gen ſie vermeyneten/ kaum die aͤuſſerſten Borken gezeiget zuhaben. Zu verwundern aber wahr es/ daß dieſe ſtraͤngſt-geſpannete Liebe die Ehrerbietigkeit des einen gegen den an- dern im allergeringeſten nicht minderte/ ſo wenig/ wann ſie allein/ als in Geſelſchafft wah- ren/ und geſchahe gar ſelten/ daß ſie ihre Unterredungen nicht mit Geiſtlichen Sachen ſol- ten vermiſchet haben. Als ſie vor dißmahl den Tanz zum Ende gebracht hatten/ ſo derte die Groß Fürſtin Frl. Lukrezien und Sibyllen auff/ und fuͤhrete ſie den beyden jungen Fuͤrſten mit dieſen Worten zu: Geliebete Herren Oheime; hie bringe Euren Liebden ich meine herzgeliebeten Fraͤulein Schweſtere zu/ welche dort nicht anders als zwey verlaſſene Tur- tel Taͤubelein ſaſſen/ und vielleicht eine der anderen ihre ungluͤkſelige Einſamkeit klageten/ welches mir nicht wenig zu herzen gehet; bitte demnach hoͤchlich/ ſie wollen dieſelben zum Tanze fuͤhren/ und nach deſſen Endigung ſie in ihrer guten Geſelſchafft behalten. Die Fraͤulein wurden hier uͤber etwas ſchamroht/ weil ihnen einfiel/ wie weit ſie heut auff den Gutſchen ſich mit ihnen eingelaſſen hatten/ und antwortete Frl. Lukrezie alſo: Durchl. Groß Fuͤrſtin/ was ſolte uns und unſers gleichen angenehmer als die Einſamkeit ſeyn? inſonderheit die wir als vertrauete Schweſtern eine gute Zeit nicht beyſammen geweſen/ und die uns begegnete Abenteur einander zuerzaͤhlen groſſe Begierde tragen; wie dann gleich jezt meine Frl. Schweſter zum Ende gebracht/ in was Furcht und Gefahr ſie neu- lich in der Raͤuberhoͤhle geweſen/ wovon ſie durch dieſer Fuͤrſten Heldentaht errettet/ und bey

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/320>, abgerufen am 22.11.2024.