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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
be ich doch meines wissens nie keine ausfoderung umbsonst und ohn darstellung angenom-
men/ und mus deßwegen der Kampf durchaus/ zum wenigsten mit dem Speer vor sich ge-
hen/ um darzutuhn/ wer unter uns beyden meiner Lukrezien glüklichster Liebhaber sey. Pro-
kulus sahe ihn so schwank und jung in dünner Kleidung vor sich stehen/ und wahr ihm sehr
lieb/ daß der Streit seinen fortgang gewinnen solte/ nahm ihn gerne auff sich/ und gab zur
Antwort: Ritter/ ob ich gleich/ mus bekennen/ der glüklichste Liebhaber dieser Fräulein nit
bin/ hoffe ich doch mit dem Speer leicht zuerhalten/ daß ich der erste unter uns beyden/ und
nicht unträu gewesen bin. Nicht unträu? sagte Baldrich; Je was ist daß dann vor eine
Träue/ daß ihr zugleich umb meine Fr. Schwester/ Fürstin Sibyllen habt anwerben dür-
fen? sehet guter Freund/ was ihr redet/ und kämpfet unter so augenscheinlicher bösen Sa-
che nicht/ es dürfte sonst die Träue selbst suchen/ sich an euch zu rächen. Meine Träue ist da-
durch nicht gebrochen/ antwortete er/ sondern im fall dieses Fräulein dieselbe nicht hätte
erkennen wollen/ wahr mein Anschlag auff Frl. Sibyllen hingerichket. Ey sehet da/ ein schö-
ner Anschlag/ sagte Sibylla/ und mus ich alhie noch schamroht stehen/ weil mir ins Ge-
sichte gesaget wird/ daß ich habe Noht-bedarff seyn sollen. Das Gelächter hierüber wahr
nicht geringe/ da der Käyser den beyden Fürstinnen ihre vermeineten Liebes-Brieffe zum
lächerlichen angedenken einhändigte/ auch auff Baldrichs anhalten den Kampf einwillig-
te/ welcher inwendig der Käyserlichen Burg/ da es eine gute Rennebahn gab/ solte gehal-
ten werden/ weil man ohndas daselbst speisen wolte; machten sich also beyde Kämpfer fer-
tig/ welches Baldrich bloß taht/ umb eine Kurzweil zu machen. Ihnen wurden gleichmäs-
sige/ aber auff des Käysers befehl/ stumpfe Speer gegeben/ da Lukrezie ihrem Gemahl ein
köstliches Fähnlein dran heftete/ worüber sein gutes Herz treflich zunam. So durfte Pro-
kulus nicht weniger sich des Sieges getrösten/ und mangelte ihm weder an guten Waffen
noch starkem wolgewanten Pferde. Sie schicketen sich beyderseits zum Treffen/ und ran-
ten aus allen kräften zusammen; doch hielt Prokulus diesen ersten Stoß aus/ wie wol er
dem falle sehr nahe wahr/ und Baldrich hingegen unbewäget vorüber ging/ da er sagte;
Hiemit mag Prokulus erwiesen haben/ daß er der erste Liebhaber unter uns beyden gewe-
sen sey. Der Käyser sahe daß Prokulus gezwungen ward sich an seines Pferdes Mähne
zu halten/ weil er Stegreiff-loß gemacht wahr/ und wunderte sich nicht wenig/ weil ihm
dessen Leibeskräfte nicht unbewust wahren; welcher dann des Stosses wol empfand/ auch
des Schimpfs zu bersten meinete/ verwandelte die Herzhaftigkeit in raserey/ und ging zum
andernmahle loß/ unter der Hoffnung/ es wieder einzubringen/ nachdem sie beyderseits mit
neuen Speeren versehen wahren; aber es ging ihm unglüklicher weder vorhin; dann ob
er gleich sein Speer auff Baldrichen zum andernmahle brach/ vermochte er ihn doch nicht
wankend zu machen; da hingegen er nicht allein den Sattel räumen muste/ sondern es
fuhr ihm auch ein Splitter von seines Gegeners Speer unter dem Helm durch den Hals/
daß ihm das Blut über den Harnisch herab lieff/ und er als Tod auff dem Platze liegen
blieb/ welches Baldrichen sehr leid wahr/ sprang vom Pferde/ lösete ihm den Helm ab/ und
zog ihm den Splitter aus der Wunde; und als er sahe/ daß er sich erhohlete/ tröstete er ihn/
er solte gutes muhts seyn/ die unvermuhtliche Unglüks-wunde währe ihm leid/ möchte des
Arztes gebrauchen/ und sich versichern/ daß er bemühet sein wolte/ ihm einen gnädigen Käy-

ser

Sechſtes Buch.
be ich doch meines wiſſens nie keine ausfoderung umbſonſt und ohn darſtellung angenom-
men/ und mus deßwegen der Kampf durchaus/ zum wenigſten mit dem Speer vor ſich ge-
hen/ um darzutuhn/ wer unteꝛ uns beyden meineꝛ Lukrezien gluͤklichſter Liebhaber ſey. Pro-
kulus ſahe ihn ſo ſchwank und jung in duͤnner Kleidung vor ſich ſtehen/ und wahr ihm ſehr
lieb/ daß der Streit ſeinen fortgang gewinnen ſolte/ nahm ihn gerne auff ſich/ und gab zur
Antwort: Ritter/ ob ich gleich/ mus bekennen/ der gluͤklichſte Liebhaber dieſer Fraͤulein nit
bin/ hoffe ich doch mit dem Speer leicht zuerhalten/ daß ich der erſte unter uns beyden/ und
nicht untraͤu geweſen bin. Nicht untraͤu? ſagte Baldrich; Je was iſt daß dann vor eine
Traͤue/ daß ihr zugleich umb meine Fr. Schweſter/ Fuͤrſtin Sibyllen habt anwerben dür-
fen? ſehet guter Freund/ was ihr redet/ und kaͤmpfet unter ſo augenſcheinlicher boͤſen Sa-
che nicht/ es duͤrfte ſonſt die Traͤue ſelbſt ſuchen/ ſich an euch zu raͤchen. Meine Traͤue iſt da-
durch nicht gebrochen/ antwortete er/ ſondern im fall dieſes Fraͤulein dieſelbe nicht haͤtte
erkennen wollen/ wahr mein Anſchlag auff Frl. Sibyllen hingerichket. Ey ſehet da/ ein ſchoͤ-
ner Anſchlag/ ſagte Sibylla/ und mus ich alhie noch ſchamroht ſtehen/ weil mir ins Ge-
ſichte geſaget wird/ daß ich habe Noht-bedarff ſeyn ſollen. Das Gelaͤchter hieruͤber wahr
nicht geringe/ da der Kaͤyſer den beyden Fuͤrſtinnen ihre vermeineten Liebes-Brieffe zum
laͤcherlichen angedenken einhaͤndigte/ auch auff Baldrichs anhalten den Kampf einwillig-
te/ welcher inwendig der Kaͤyſerlichen Burg/ da es eine gute Rennebahn gab/ ſolte gehal-
ten werden/ weil man ohndas daſelbſt ſpeiſen wolte; machten ſich alſo beyde Kaͤmpfer fer-
tig/ welches Baldrich bloß taht/ umb eine Kurzweil zu machen. Ihnen wurden gleichmaͤſ-
ſige/ aber auff des Kaͤyſers befehl/ ſtumpfe Speer gegeben/ da Lukrezie ihrem Gemahl ein
koͤſtliches Faͤhnlein dran heftete/ woruͤber ſein gutes Herz treflich zunam. So durfte Pro-
kulus nicht weniger ſich des Sieges getroͤſten/ und mangelte ihm weder an guten Waffen
noch ſtarkem wolgewanten Pferde. Sie ſchicketen ſich beyderſeits zum Treffen/ und ran-
ten aus allen kraͤften zuſammen; doch hielt Prokulus dieſen erſten Stoß aus/ wie wol er
dem falle ſehr nahe wahr/ und Baldrich hingegen unbewaͤget voruͤber ging/ da er ſagte;
Hiemit mag Prokulus erwieſen haben/ daß er der erſte Liebhaber unter uns beyden gewe-
ſen ſey. Der Kaͤyſer ſahe daß Prokulus gezwungen ward ſich an ſeines Pferdes Maͤhne
zu halten/ weil er Stegreiff-loß gemacht wahr/ und wunderte ſich nicht wenig/ weil ihm
deſſen Leibeskraͤfte nicht unbewuſt wahren; welcher dann des Stoſſes wol empfand/ auch
des Schimpfs zu berſten meinete/ verwandelte die Herzhaftigkeit in raſerey/ und ging zum
andernmahle loß/ unter der Hoffnung/ es wieder einzubringen/ nachdem ſie beyderſeits mit
neuen Speeren verſehen wahren; aber es ging ihm ungluͤklicher weder vorhin; dann ob
er gleich ſein Speer auff Baldrichen zum andernmahle brach/ vermochte er ihn doch nicht
wankend zu machen; da hingegen er nicht allein den Sattel raͤumen muſte/ ſondern es
fuhr ihm auch ein Splitter von ſeines Gegeners Speer unter dem Helm durch den Hals/
daß ihm das Blut uͤber den Harniſch herab lieff/ und er als Tod auff dem Platze liegen
blieb/ welches Baldrichen ſehr leid wahr/ ſprang vom Pferde/ loͤſete ihm den Helm ab/ und
zog ihm den Splitter aus der Wunde; und als er ſahe/ daß er ſich erhohlete/ troͤſtete er ihn/
er ſolte gutes muhts ſeyn/ die unvermuhtliche Ungluͤks-wunde waͤhre ihm leid/ moͤchte des
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[416/0422] Sechſtes Buch. be ich doch meines wiſſens nie keine ausfoderung umbſonſt und ohn darſtellung angenom- men/ und mus deßwegen der Kampf durchaus/ zum wenigſten mit dem Speer vor ſich ge- hen/ um darzutuhn/ wer unteꝛ uns beyden meineꝛ Lukrezien gluͤklichſter Liebhaber ſey. Pro- kulus ſahe ihn ſo ſchwank und jung in duͤnner Kleidung vor ſich ſtehen/ und wahr ihm ſehr lieb/ daß der Streit ſeinen fortgang gewinnen ſolte/ nahm ihn gerne auff ſich/ und gab zur Antwort: Ritter/ ob ich gleich/ mus bekennen/ der gluͤklichſte Liebhaber dieſer Fraͤulein nit bin/ hoffe ich doch mit dem Speer leicht zuerhalten/ daß ich der erſte unter uns beyden/ und nicht untraͤu geweſen bin. Nicht untraͤu? ſagte Baldrich; Je was iſt daß dann vor eine Traͤue/ daß ihr zugleich umb meine Fr. Schweſter/ Fuͤrſtin Sibyllen habt anwerben dür- fen? ſehet guter Freund/ was ihr redet/ und kaͤmpfet unter ſo augenſcheinlicher boͤſen Sa- che nicht/ es duͤrfte ſonſt die Traͤue ſelbſt ſuchen/ ſich an euch zu raͤchen. Meine Traͤue iſt da- durch nicht gebrochen/ antwortete er/ ſondern im fall dieſes Fraͤulein dieſelbe nicht haͤtte erkennen wollen/ wahr mein Anſchlag auff Frl. Sibyllen hingerichket. Ey ſehet da/ ein ſchoͤ- ner Anſchlag/ ſagte Sibylla/ und mus ich alhie noch ſchamroht ſtehen/ weil mir ins Ge- ſichte geſaget wird/ daß ich habe Noht-bedarff ſeyn ſollen. Das Gelaͤchter hieruͤber wahr nicht geringe/ da der Kaͤyſer den beyden Fuͤrſtinnen ihre vermeineten Liebes-Brieffe zum laͤcherlichen angedenken einhaͤndigte/ auch auff Baldrichs anhalten den Kampf einwillig- te/ welcher inwendig der Kaͤyſerlichen Burg/ da es eine gute Rennebahn gab/ ſolte gehal- ten werden/ weil man ohndas daſelbſt ſpeiſen wolte; machten ſich alſo beyde Kaͤmpfer fer- tig/ welches Baldrich bloß taht/ umb eine Kurzweil zu machen. Ihnen wurden gleichmaͤſ- ſige/ aber auff des Kaͤyſers befehl/ ſtumpfe Speer gegeben/ da Lukrezie ihrem Gemahl ein koͤſtliches Faͤhnlein dran heftete/ woruͤber ſein gutes Herz treflich zunam. So durfte Pro- kulus nicht weniger ſich des Sieges getroͤſten/ und mangelte ihm weder an guten Waffen noch ſtarkem wolgewanten Pferde. Sie ſchicketen ſich beyderſeits zum Treffen/ und ran- ten aus allen kraͤften zuſammen; doch hielt Prokulus dieſen erſten Stoß aus/ wie wol er dem falle ſehr nahe wahr/ und Baldrich hingegen unbewaͤget voruͤber ging/ da er ſagte; Hiemit mag Prokulus erwieſen haben/ daß er der erſte Liebhaber unter uns beyden gewe- ſen ſey. Der Kaͤyſer ſahe daß Prokulus gezwungen ward ſich an ſeines Pferdes Maͤhne zu halten/ weil er Stegreiff-loß gemacht wahr/ und wunderte ſich nicht wenig/ weil ihm deſſen Leibeskraͤfte nicht unbewuſt wahren; welcher dann des Stoſſes wol empfand/ auch des Schimpfs zu berſten meinete/ verwandelte die Herzhaftigkeit in raſerey/ und ging zum andernmahle loß/ unter der Hoffnung/ es wieder einzubringen/ nachdem ſie beyderſeits mit neuen Speeren verſehen wahren; aber es ging ihm ungluͤklicher weder vorhin; dann ob er gleich ſein Speer auff Baldrichen zum andernmahle brach/ vermochte er ihn doch nicht wankend zu machen; da hingegen er nicht allein den Sattel raͤumen muſte/ ſondern es fuhr ihm auch ein Splitter von ſeines Gegeners Speer unter dem Helm durch den Hals/ daß ihm das Blut uͤber den Harniſch herab lieff/ und er als Tod auff dem Platze liegen blieb/ welches Baldrichen ſehr leid wahr/ ſprang vom Pferde/ loͤſete ihm den Helm ab/ und zog ihm den Splitter aus der Wunde; und als er ſahe/ daß er ſich erhohlete/ troͤſtete er ihn/ er ſolte gutes muhts ſeyn/ die unvermuhtliche Ungluͤks-wunde waͤhre ihm leid/ moͤchte des Arztes gebrauchen/ uñ ſich verſichern/ daß er bemuͤhet ſein wolte/ ihm einen gnaͤdigen Kaͤy- ſer

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/422>, abgerufen am 31.10.2024.