schreibt sich der Haß, den die städtischen gegen die Land- handwerker bethätigen; denn diesen ließ sich das Arbeiten auf der Stör nicht wohl verbieten. Schließlich wird Stö- rer oder Bönhase zum allgemeinen Schimpfwort für diejenigen, welche ohne zünftige Gewerbeberechtigung arbeiten. In den norddeutschen Städten nahmen die Zunftmeister das Recht für sich in Anspruch, die Störer in den Häusern ihrer Kunden aufzuspüren und sie zur Verantwortung zu ziehen (die sog. Bönhasenjagd), und die öffentliche Gewalt war manchmal schwach genug, ihnen diesen Bruch des bürger- lichen Hausfriedens nachzusehen.
Freilich wurde die Verdrängung des einen Betriebs- systems durch das andere den Zünften nicht überall so leicht gemacht. Schon am Ende des XV. Jahrhunderts tritt ihnen die fürstliche Landeshoheit energisch entgegen. In der chursächsischen Landesordnung von 1482 werden Schuster, Schneider, Kürschner, Tischler, Glaser und andere Hand- werker, welche sich ohne hinreichenden Grund im Kunden- hause zu arbeiten weigern sollten, mit der für damalige Verhältnisse hohen Strafe von 3 Gulden bedroht. In Basel wurde 1526 zur Aufrechterhaltung "alten löblichen Brauchs" eine genaue Ordnung für die Hausschneider ge- geben. In zahlreichen deutschen Territorien wurden für die verschiedenen Arten von Lohnwerkern genaue Taxord- nungen aufgestellt. So hat sich in manchen Gewerben, namentlich bei den Bauhandwerken, das Lohnwerk bis in dieses Jahrhundert erhalten.
ſchreibt ſich der Haß, den die ſtädtiſchen gegen die Land- handwerker bethätigen; denn dieſen ließ ſich das Arbeiten auf der Stör nicht wohl verbieten. Schließlich wird Stö- rer oder Bönhaſe zum allgemeinen Schimpfwort für diejenigen, welche ohne zünftige Gewerbeberechtigung arbeiten. In den norddeutſchen Städten nahmen die Zunftmeiſter das Recht für ſich in Anſpruch, die Störer in den Häuſern ihrer Kunden aufzuſpüren und ſie zur Verantwortung zu ziehen (die ſog. Bönhaſenjagd), und die öffentliche Gewalt war manchmal ſchwach genug, ihnen dieſen Bruch des bürger- lichen Hausfriedens nachzuſehen.
Freilich wurde die Verdrängung des einen Betriebs- ſyſtems durch das andere den Zünften nicht überall ſo leicht gemacht. Schon am Ende des XV. Jahrhunderts tritt ihnen die fürſtliche Landeshoheit energiſch entgegen. In der churſächſiſchen Landesordnung von 1482 werden Schuſter, Schneider, Kürſchner, Tiſchler, Glaſer und andere Hand- werker, welche ſich ohne hinreichenden Grund im Kunden- hauſe zu arbeiten weigern ſollten, mit der für damalige Verhältniſſe hohen Strafe von 3 Gulden bedroht. In Baſel wurde 1526 zur Aufrechterhaltung „alten löblichen Brauchs“ eine genaue Ordnung für die Hausſchneider ge- geben. In zahlreichen deutſchen Territorien wurden für die verſchiedenen Arten von Lohnwerkern genaue Taxord- nungen aufgeſtellt. So hat ſich in manchen Gewerben, namentlich bei den Bauhandwerken, das Lohnwerk bis in dieſes Jahrhundert erhalten.
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ſchreibt ſich der Haß, den die ſtädtiſchen gegen die Land-
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auf der Stör nicht wohl verbieten. Schließlich wird Stö-
rer oder Bönhaſe zum allgemeinen Schimpfwort für
diejenigen, welche ohne zünftige Gewerbeberechtigung arbeiten.
In den norddeutſchen Städten nahmen die Zunftmeiſter
das Recht für ſich in Anſpruch, die Störer in den Häuſern
ihrer Kunden aufzuſpüren und ſie zur Verantwortung zu
ziehen (die ſog. Bönhaſenjagd), und die öffentliche Gewalt
war manchmal ſchwach genug, ihnen dieſen Bruch des bürger-
lichen Hausfriedens nachzuſehen.
Freilich wurde die Verdrängung des einen Betriebs-
ſyſtems durch das andere den Zünften nicht überall ſo leicht
gemacht. Schon am Ende des XV. Jahrhunderts tritt
ihnen die fürſtliche Landeshoheit energiſch entgegen. In der
churſächſiſchen Landesordnung von 1482 werden Schuſter,
Schneider, Kürſchner, Tiſchler, Glaſer und andere Hand-
werker, welche ſich ohne hinreichenden Grund im Kunden-
hauſe zu arbeiten weigern ſollten, mit der für damalige
Verhältniſſe hohen Strafe von 3 Gulden bedroht. In
Baſel wurde 1526 zur Aufrechterhaltung „alten löblichen
Brauchs“ eine genaue Ordnung für die Hausſchneider ge-
geben. In zahlreichen deutſchen Territorien wurden für
die verſchiedenen Arten von Lohnwerkern genaue Taxord-
nungen aufgeſtellt. So hat ſich in manchen Gewerben,
namentlich bei den Bauhandwerken, das Lohnwerk bis in
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/124>, abgerufen am 21.11.2024.
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