Ueber die Verhältnisse des Südens kamen Nachrichten aus Rom, Venedig, Genua, auch wohl von gelehrten Freun- den aus Padua und Bologna.
Nachrichten aus Frankreich und Spanien kamen über Lyon, Genua und Straßburg, aus England und den Nieder- landen über Antwerpen und Köln, aus den nordischen Ländern über Bremen, Hamburg und Lübeck, aus dem Nord-Osten über Königsberg und Riga.
Innerhalb Deutschlands war Nürnberg der Haupt- sammelpunkt für Nachrichten, einesteils wegen seiner zent- ralen Lage, andernteils wegen seiner weitreichenden Handels- verbindungen. Wer sich sicher und genau über die Welt- händel unterrichten wollte, schrieb nach Nürnberg oder schickte einen Gesandten dorthin. Fürsten, wie Herzog Albrecht von Preußen und Christian III. von Dänemark hielten dort ihre ständigen Korrespondenten, welche ihnen die einlaufenden Neuigkeiten zusammenzustellen und zu be- richten hatten. Beamte der Stadt, Ratsherren und Stadt- schreiber, angesehene Kaufleute übernahmen häufig ein solches Amt. Neben Nürnberg kamen noch in Betracht: Frankfurt, Augsburg, Regensburg, Worms und Speier.
Die Zeitungen, welche Melanchthon aus diesen ver- schiedenartigen Quellen zusammensetzte, sind einfache histo- rische Referate, zwar nicht ohne Kritik ausgewählt, aber höchst selten mit Erörterungen politischer Art -- häufiger schon mit allerlei Klagen und Befürchtungen, Wünschen und Hoffnungen durchflochten. Neben den wichtigen Nachrichten
Ueber die Verhältniſſe des Südens kamen Nachrichten aus Rom, Venedig, Genua, auch wohl von gelehrten Freun- den aus Padua und Bologna.
Nachrichten aus Frankreich und Spanien kamen über Lyon, Genua und Straßburg, aus England und den Nieder- landen über Antwerpen und Köln, aus den nordiſchen Ländern über Bremen, Hamburg und Lübeck, aus dem Nord-Oſten über Königsberg und Riga.
Innerhalb Deutſchlands war Nürnberg der Haupt- ſammelpunkt für Nachrichten, einesteils wegen ſeiner zent- ralen Lage, andernteils wegen ſeiner weitreichenden Handels- verbindungen. Wer ſich ſicher und genau über die Welt- händel unterrichten wollte, ſchrieb nach Nürnberg oder ſchickte einen Geſandten dorthin. Fürſten, wie Herzog Albrecht von Preußen und Chriſtian III. von Dänemark hielten dort ihre ſtändigen Korreſpondenten, welche ihnen die einlaufenden Neuigkeiten zuſammenzuſtellen und zu be- richten hatten. Beamte der Stadt, Ratsherren und Stadt- ſchreiber, angeſehene Kaufleute übernahmen häufig ein ſolches Amt. Neben Nürnberg kamen noch in Betracht: Frankfurt, Augsburg, Regensburg, Worms und Speier.
Die Zeitungen, welche Melanchthon aus dieſen ver- ſchiedenartigen Quellen zuſammenſetzte, ſind einfache hiſto- riſche Referate, zwar nicht ohne Kritik ausgewählt, aber höchſt ſelten mit Erörterungen politiſcher Art — häufiger ſchon mit allerlei Klagen und Befürchtungen, Wünſchen und Hoffnungen durchflochten. Neben den wichtigen Nachrichten
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Ueber die Verhältniſſe des Südens kamen Nachrichten
aus Rom, Venedig, Genua, auch wohl von gelehrten Freun-
den aus Padua und Bologna.
Nachrichten aus Frankreich und Spanien kamen über
Lyon, Genua und Straßburg, aus England und den Nieder-
landen über Antwerpen und Köln, aus den nordiſchen
Ländern über Bremen, Hamburg und Lübeck, aus dem
Nord-Oſten über Königsberg und Riga.
Innerhalb Deutſchlands war Nürnberg der Haupt-
ſammelpunkt für Nachrichten, einesteils wegen ſeiner zent-
ralen Lage, andernteils wegen ſeiner weitreichenden Handels-
verbindungen. Wer ſich ſicher und genau über die Welt-
händel unterrichten wollte, ſchrieb nach Nürnberg oder
ſchickte einen Geſandten dorthin. Fürſten, wie Herzog
Albrecht von Preußen und Chriſtian III. von Dänemark
hielten dort ihre ſtändigen Korreſpondenten, welche ihnen
die einlaufenden Neuigkeiten zuſammenzuſtellen und zu be-
richten hatten. Beamte der Stadt, Ratsherren und Stadt-
ſchreiber, angeſehene Kaufleute übernahmen häufig ein ſolches
Amt. Neben Nürnberg kamen noch in Betracht: Frankfurt,
Augsburg, Regensburg, Worms und Speier.
Die Zeitungen, welche Melanchthon aus dieſen ver-
ſchiedenartigen Quellen zuſammenſetzte, ſind einfache hiſto-
riſche Referate, zwar nicht ohne Kritik ausgewählt, aber
höchſt ſelten mit Erörterungen politiſcher Art — häufiger
ſchon mit allerlei Klagen und Befürchtungen, Wünſchen und
Hoffnungen durchflochten. Neben den wichtigen Nachrichten
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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