schaft des direkten Austausches; an die Stelle der reinen Eigenproduktion tritt die Kundenproduktion. Wir haben diese Entwicklungsstufe als Stadtwirtschaft be- zeichnet, weil sie durch die mittelalterlichen Städte in den deutschen und romanischen Ländern in typischer Weise zum Ausdruck gebracht wird. Es darf aber dabei nicht über- sehen werden, daß sich auch bereits im Altertum Ansätze dieser Entwicklung nachweisen lassen und daß dieselben, freilich in vielfach abweichender Gestalt, auch später in den vorgeschritteneren slavischen Gebieten aufgetreten sind.
Das Wesen dieser Wirtschaft liegt darin, daß die auf den Anbau des Bodens gegründete Einzelwirtschaft einen Teil ihrer Selbständigkeit verliert, indem sie nicht mehr im Stande ist, ihren gesamten Güterbedarf mit eigenen Kräften zu erzeugen und dauernd und regelmäßig der Ergänzung aus den Produkten anderer Wirtschaften bedarf. Es bilden sich aber nicht sofort vom Boden losgelöste Wirtschaften, deren Träger etwa die industrielle Veredelung von Stoffen für Andere oder die berufsmäßige Leistung von Diensten oder die Besorgung des Austausches zur ausschließlichen Erwerbsquelle machen. Vielmehr sucht nach wie vor ein jeder Wirt soweit als möglich dem Boden seinen Unterhalt abzugewinnen; hat er darüber hinaus Bedürfnisse, so be- nutzt er eine besondere Geschicklichkeit seiner Hand, einen besonderen Produktionsvorteil seines Wohnorts, der in Feld, Wald oder Wasser ihm entgegentritt, um ein spezielles Er- zeugnis im Ueberfluß hervorzubringen: der eine Getreide,
ſchaft des direkten Austauſches; an die Stelle der reinen Eigenproduktion tritt die Kundenproduktion. Wir haben dieſe Entwicklungsſtufe als Stadtwirtſchaft be- zeichnet, weil ſie durch die mittelalterlichen Städte in den deutſchen und romaniſchen Ländern in typiſcher Weiſe zum Ausdruck gebracht wird. Es darf aber dabei nicht über- ſehen werden, daß ſich auch bereits im Altertum Anſätze dieſer Entwicklung nachweiſen laſſen und daß dieſelben, freilich in vielfach abweichender Geſtalt, auch ſpäter in den vorgeſchritteneren ſlaviſchen Gebieten aufgetreten ſind.
Das Weſen dieſer Wirtſchaft liegt darin, daß die auf den Anbau des Bodens gegründete Einzelwirtſchaft einen Teil ihrer Selbſtändigkeit verliert, indem ſie nicht mehr im Stande iſt, ihren geſamten Güterbedarf mit eigenen Kräften zu erzeugen und dauernd und regelmäßig der Ergänzung aus den Produkten anderer Wirtſchaften bedarf. Es bilden ſich aber nicht ſofort vom Boden losgelöſte Wirtſchaften, deren Träger etwa die induſtrielle Veredelung von Stoffen für Andere oder die berufsmäßige Leiſtung von Dienſten oder die Beſorgung des Austauſches zur ausſchließlichen Erwerbsquelle machen. Vielmehr ſucht nach wie vor ein jeder Wirt ſoweit als möglich dem Boden ſeinen Unterhalt abzugewinnen; hat er darüber hinaus Bedürfniſſe, ſo be- nutzt er eine beſondere Geſchicklichkeit ſeiner Hand, einen beſonderen Produktionsvorteil ſeines Wohnorts, der in Feld, Wald oder Waſſer ihm entgegentritt, um ein ſpezielles Er- zeugnis im Ueberfluß hervorzubringen: der eine Getreide,
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[43/0057]
ſchaft des direkten Austauſches; an die Stelle der
reinen Eigenproduktion tritt die Kundenproduktion. Wir
haben dieſe Entwicklungsſtufe als Stadtwirtſchaft be-
zeichnet, weil ſie durch die mittelalterlichen Städte in den
deutſchen und romaniſchen Ländern in typiſcher Weiſe zum
Ausdruck gebracht wird. Es darf aber dabei nicht über-
ſehen werden, daß ſich auch bereits im Altertum Anſätze
dieſer Entwicklung nachweiſen laſſen und daß dieſelben,
freilich in vielfach abweichender Geſtalt, auch ſpäter in den
vorgeſchritteneren ſlaviſchen Gebieten aufgetreten ſind.
Das Weſen dieſer Wirtſchaft liegt darin, daß die auf
den Anbau des Bodens gegründete Einzelwirtſchaft einen
Teil ihrer Selbſtändigkeit verliert, indem ſie nicht mehr im
Stande iſt, ihren geſamten Güterbedarf mit eigenen Kräften
zu erzeugen und dauernd und regelmäßig der Ergänzung
aus den Produkten anderer Wirtſchaften bedarf. Es bilden
ſich aber nicht ſofort vom Boden losgelöſte Wirtſchaften,
deren Träger etwa die induſtrielle Veredelung von Stoffen
für Andere oder die berufsmäßige Leiſtung von Dienſten
oder die Beſorgung des Austauſches zur ausſchließlichen
Erwerbsquelle machen. Vielmehr ſucht nach wie vor ein
jeder Wirt ſoweit als möglich dem Boden ſeinen Unterhalt
abzugewinnen; hat er darüber hinaus Bedürfniſſe, ſo be-
nutzt er eine beſondere Geſchicklichkeit ſeiner Hand, einen
beſonderen Produktionsvorteil ſeines Wohnorts, der in Feld,
Wald oder Waſſer ihm entgegentritt, um ein ſpezielles Er-
zeugnis im Ueberfluß hervorzubringen: der eine Getreide,
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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