Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.
als röch' ich schon. Mein lieber Leib, ich will mir die Nase zuhalten und mir einbilden, du seist ein Frauenzimmer, was vom Tanzen schwitzt, und dir Artigkeiten sagen. Wir haben uns sonst schon mehr mit einander die Zeit vertrieben. -- Morgen bist du eine zerbrochene Fiedel, die Melodie darauf ist ausgespielt. Morgen bist du eine leere Flasche, der Wein ist ausgetrunken, aber ich habe keinen Rausch davon und gehe nüchtern zu Bett. Das sind glück- liche Leute, die sich noch betrinken können. Morgen bist du eine durchgerutschte Hose, du wirst in die Garderobe geworfen, und die Motten werden dich fressen. -- Ach, das hilft nichts. Ja wohl, es ist so elend, sterben müssen. Der Tod äfft die Geburt; bei'm Sterben sind wir so hülflos und nackt, wie neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das Leichentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir können im Grab so gut wimmern, wie in der Wiege. Camille! Er schläft (indem er sich über ihn bückt) , ein Traum spielt zwischen seinen Wimpern. Ich will den goldnen Thau des Schlafes ihm nicht von den Augen streifen. (Er erhebt sich und tritt an's Fenster.) Ich werde nicht allein gehn, ich danke dir, Julie. -- Doch hätte ich anders sterben
als röch’ ich ſchon. Mein lieber Leib, ich will mir die Naſe zuhalten und mir einbilden, du ſeiſt ein Frauenzimmer, was vom Tanzen ſchwitzt, und dir Artigkeiten ſagen. Wir haben uns ſonſt ſchon mehr mit einander die Zeit vertrieben. — Morgen biſt du eine zerbrochene Fiedel, die Melodie darauf iſt ausgeſpielt. Morgen biſt du eine leere Flaſche, der Wein iſt ausgetrunken, aber ich habe keinen Rauſch davon und gehe nüchtern zu Bett. Das ſind glück- liche Leute, die ſich noch betrinken können. Morgen biſt du eine durchgerutſchte Hoſe, du wirſt in die Garderobe geworfen, und die Motten werden dich freſſen. — Ach, das hilft nichts. Ja wohl, es iſt ſo elend, ſterben müſſen. Der Tod äfft die Geburt; bei’m Sterben ſind wir ſo hülflos und nackt, wie neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das Leichentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir können im Grab ſo gut wimmern, wie in der Wiege. Camille! Er ſchläft (indem er ſich über ihn bückt) , ein Traum ſpielt zwiſchen ſeinen Wimpern. Ich will den goldnen Thau des Schlafes ihm nicht von den Augen ſtreifen. (Er erhebt ſich und tritt an’s Fenſter.) Ich werde nicht allein gehn, ich danke dir, Julie. — Doch hätte ich anders ſterben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#DAN"> <p><pb facs="#f0137" n="133"/> als röch’ ich ſchon. Mein lieber Leib, ich will mir<lb/> die Naſe zuhalten und mir einbilden, du ſeiſt ein<lb/> Frauenzimmer, was vom Tanzen ſchwitzt, und dir<lb/> Artigkeiten ſagen. Wir haben uns ſonſt ſchon mehr<lb/> mit einander die Zeit vertrieben. — Morgen biſt<lb/> du eine zerbrochene Fiedel, die Melodie darauf iſt<lb/> ausgeſpielt. Morgen biſt du eine leere Flaſche, der<lb/> Wein iſt ausgetrunken, aber ich habe keinen Rauſch<lb/> davon und gehe nüchtern zu Bett. Das ſind glück-<lb/> liche Leute, die ſich noch betrinken können. Morgen<lb/> biſt du eine durchgerutſchte Hoſe, du wirſt in die<lb/> Garderobe geworfen, und die Motten werden dich<lb/> freſſen. — Ach, das hilft nichts. Ja wohl, es iſt<lb/> ſo elend, ſterben müſſen. Der Tod äfft die Geburt;<lb/> bei’m Sterben ſind wir ſo hülflos und nackt, wie<lb/> neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das<lb/> Leichentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir<lb/> können im Grab ſo gut wimmern, wie in der<lb/> Wiege. Camille! Er ſchläft <stage>(indem er ſich über ihn<lb/> bückt)</stage>, ein Traum ſpielt zwiſchen ſeinen Wimpern.<lb/> Ich will den goldnen Thau des Schlafes ihm nicht<lb/> von den Augen ſtreifen. <stage>(Er erhebt ſich und tritt<lb/> an’s Fenſter.)</stage> Ich werde nicht allein gehn, ich<lb/> danke dir, Julie. — Doch hätte ich anders ſterben<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0137]
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die Naſe zuhalten und mir einbilden, du ſeiſt ein
Frauenzimmer, was vom Tanzen ſchwitzt, und dir
Artigkeiten ſagen. Wir haben uns ſonſt ſchon mehr
mit einander die Zeit vertrieben. — Morgen biſt
du eine zerbrochene Fiedel, die Melodie darauf iſt
ausgeſpielt. Morgen biſt du eine leere Flaſche, der
Wein iſt ausgetrunken, aber ich habe keinen Rauſch
davon und gehe nüchtern zu Bett. Das ſind glück-
liche Leute, die ſich noch betrinken können. Morgen
biſt du eine durchgerutſchte Hoſe, du wirſt in die
Garderobe geworfen, und die Motten werden dich
freſſen. — Ach, das hilft nichts. Ja wohl, es iſt
ſo elend, ſterben müſſen. Der Tod äfft die Geburt;
bei’m Sterben ſind wir ſo hülflos und nackt, wie
neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das
Leichentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir
können im Grab ſo gut wimmern, wie in der
Wiege. Camille! Er ſchläft (indem er ſich über ihn
bückt), ein Traum ſpielt zwiſchen ſeinen Wimpern.
Ich will den goldnen Thau des Schlafes ihm nicht
von den Augen ſtreifen. (Er erhebt ſich und tritt
an’s Fenſter.) Ich werde nicht allein gehn, ich
danke dir, Julie. — Doch hätte ich anders ſterben
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