das Zellenbauen unterläßt und ihren Honig in die fer- tigen Zellen trägt! u. s. w., u. s. w. Man hat auch noch die Thiere in dem Sinne für die Lehre von den angeborenen Jdeen zu benützen versucht, daß man sagte, die Thiere besitzen ebenfalls Sinne wie der Mensch, oft noch bedeutend schärfere, und sind dennoch nur Thiere. Dieser Einwand hat nur eine scheinbare Begründung. Die Sinne sind nicht die unmittelbaren Erzeuger, son- dern nur die Vermittler der geistigen Qualitäten; sie führen die äußeren Eindrücke dem Gehirn zu, welches die- selben aufnimmt und nach Maßgabe seiner materiellen Energie verarbeitet und reproducirt; ohne Sinne kann dieser ganze Proceß nicht vor sich gehen, und es stammt da- her alle geistige Erkenntniß zunächst aus der Quelle der Sinne; aber auch mit den schärfsten Sinnen muß dieser Proceß nur mangelhaft vor sich gehen, wo der Denk- apparat mangelhaft organisirt ist. Ueber das Verhältniß des thierischen Gehirns zu dem menschlichen aber haben wir uns bereits hinlänglich verbreitet. Es gibt ange- borene Anlagen, abhängig von der verschieden quali- ficirten Materialität der thierischen Organisation, aber keine angeborenen Anschauungen oder Jdeen. Auch jene Anlagen bleiben ewig ohne Realität, ohne Entwick- lung, sobald die Sinne fehlen; diese sind ebenso noth- wendig zur Entstehung der Jdee, wie ein chemischer Körper nothwendig ist, um mit einem andern Körper
das Zellenbauen unterläßt und ihren Honig in die fer- tigen Zellen trägt! u. ſ. w., u. ſ. w. Man hat auch noch die Thiere in dem Sinne für die Lehre von den angeborenen Jdeen zu benützen verſucht, daß man ſagte, die Thiere beſitzen ebenfalls Sinne wie der Menſch, oft noch bedeutend ſchärfere, und ſind dennoch nur Thiere. Dieſer Einwand hat nur eine ſcheinbare Begründung. Die Sinne ſind nicht die unmittelbaren Erzeuger, ſon- dern nur die Vermittler der geiſtigen Qualitäten; ſie führen die äußeren Eindrücke dem Gehirn zu, welches die- ſelben aufnimmt und nach Maßgabe ſeiner materiellen Energie verarbeitet und reproducirt; ohne Sinne kann dieſer ganze Proceß nicht vor ſich gehen, und es ſtammt da- her alle geiſtige Erkenntniß zunächſt aus der Quelle der Sinne; aber auch mit den ſchärfſten Sinnen muß dieſer Proceß nur mangelhaft vor ſich gehen, wo der Denk- apparat mangelhaft organiſirt iſt. Ueber das Verhältniß des thieriſchen Gehirns zu dem menſchlichen aber haben wir uns bereits hinlänglich verbreitet. Es gibt ange- borene Anlagen, abhängig von der verſchieden quali- ficirten Materialität der thieriſchen Organiſation, aber keine angeborenen Anſchauungen oder Jdeen. Auch jene Anlagen bleiben ewig ohne Realität, ohne Entwick- lung, ſobald die Sinne fehlen; dieſe ſind ebenſo noth- wendig zur Entſtehung der Jdee, wie ein chemiſcher Körper nothwendig iſt, um mit einem andern Körper
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das Zellenbauen unterläßt und ihren Honig in die fer-
tigen Zellen trägt! u. ſ. w., u. ſ. w. Man hat auch
noch die Thiere in dem Sinne für die Lehre von den
angeborenen Jdeen zu benützen verſucht, daß man ſagte,
die Thiere beſitzen ebenfalls Sinne wie der Menſch, oft
noch bedeutend ſchärfere, und ſind dennoch nur Thiere.
Dieſer Einwand hat nur eine ſcheinbare Begründung.
Die Sinne ſind nicht die unmittelbaren Erzeuger, ſon-
dern nur die Vermittler der geiſtigen Qualitäten; ſie
führen die äußeren Eindrücke dem Gehirn zu, welches die-
ſelben aufnimmt und nach Maßgabe ſeiner materiellen
Energie verarbeitet und reproducirt; ohne Sinne kann
dieſer ganze Proceß nicht vor ſich gehen, und es ſtammt da-
her alle geiſtige Erkenntniß zunächſt aus der Quelle der
Sinne; aber auch mit den ſchärfſten Sinnen muß dieſer
Proceß nur mangelhaft vor ſich gehen, wo der Denk-
apparat mangelhaft organiſirt iſt. Ueber das Verhältniß
des thieriſchen Gehirns zu dem menſchlichen aber haben
wir uns bereits hinlänglich verbreitet. Es gibt ange-
borene Anlagen, abhängig von der verſchieden quali-
ficirten Materialität der thieriſchen Organiſation, aber
keine angeborenen Anſchauungen oder Jdeen. Auch
jene Anlagen bleiben ewig ohne Realität, ohne Entwick-
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wendig zur Entſtehung der Jdee, wie ein chemiſcher
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/186>, abgerufen am 24.11.2024.
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