nungen in Kampf gerieth, in persönlichen Gefahren und Verfolgungen; und wie zweifelhaft selbst ihr innerer Lohn sei, hat ein geistreicher Perser in trefflichen Worten ausgedrückt:
-- -- "Und doch nein! wirf hin den Geist, seine Fesseln brich! "Thor sei! denn der Thor allein ist ein froher Mann. "Ewig, wie die Nachtigall bei der Rose, jauchzt "Solch' ein Herz, das, Einsichtsqual, deinem Dorn entrann. "Darum, segnend seinen Gott, preise sein Geschick, "Wer, durch Jrrthum selig noch, still sich freuen kann." --
Jhm, dem Dichter, erschien das Wesen der Dinge in seiner letzten Einfachheit und unverhüllt von der Masse jener äußerlichen Zuthaten, mit denen Jrrthum oder Berechnung von je die klare Sprache der Natur für den größten Theil der Menschen unverständlich gemacht haben; aber er konnte dafür auch nicht jener geistigen Unruhe, jenem Seelenschmerz entgehen, der nur Demjenigen be- greiflich ist, welcher gewisse Bahnen der Erkenntniß über- schritten hat. Er preist gewiß mit Recht Denjenigen glücklich, der "noch durch Jrrthum selig ist"; aber er ermahnt ihn mit Unrecht, darum seinen Gott zu segnen. Nur der Wissende kann den Jrrenden wegen seiner Be- schränktheit glücklich preisen, denn nur für ihn gibt es einen Schmerz der Erkenntniß, während das Wesen des Jrrthums eben vor Allem darin besteht, daß er seinen eignen Jrrthum weder begreift, noch ahnt. Jm tiefsten
nungen in Kampf gerieth, in perſönlichen Gefahren und Verfolgungen; und wie zweifelhaft ſelbſt ihr innerer Lohn ſei, hat ein geiſtreicher Perſer in trefflichen Worten ausgedrückt:
— — „Und doch nein! wirf hin den Geiſt, ſeine Feſſeln brich! „Thor ſei! denn der Thor allein iſt ein froher Mann. „Ewig, wie die Nachtigall bei der Roſe, jauchzt „Solch’ ein Herz, das, Einſichtsqual, deinem Dorn entrann. „Darum, ſegnend ſeinen Gott, preiſe ſein Geſchick, „Wer, durch Jrrthum ſelig noch, ſtill ſich freuen kann.‟ —
Jhm, dem Dichter, erſchien das Weſen der Dinge in ſeiner letzten Einfachheit und unverhüllt von der Maſſe jener äußerlichen Zuthaten, mit denen Jrrthum oder Berechnung von je die klare Sprache der Natur für den größten Theil der Menſchen unverſtändlich gemacht haben; aber er konnte dafür auch nicht jener geiſtigen Unruhe, jenem Seelenſchmerz entgehen, der nur Demjenigen be- greiflich iſt, welcher gewiſſe Bahnen der Erkenntniß über- ſchritten hat. Er preiſt gewiß mit Recht Denjenigen glücklich, der „noch durch Jrrthum ſelig iſt‟; aber er ermahnt ihn mit Unrecht, darum ſeinen Gott zu ſegnen. Nur der Wiſſende kann den Jrrenden wegen ſeiner Be- ſchränktheit glücklich preiſen, denn nur für ihn gibt es einen Schmerz der Erkenntniß, während das Weſen des Jrrthums eben vor Allem darin beſteht, daß er ſeinen eignen Jrrthum weder begreift, noch ahnt. Jm tiefſten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0288"n="268"/>
nungen in Kampf gerieth, in perſönlichen Gefahren und<lb/>
Verfolgungen; und wie zweifelhaft ſelbſt ihr <hirendition="#g">innerer</hi><lb/>
Lohn ſei, hat ein geiſtreicher Perſer in trefflichen Worten<lb/>
ausgedrückt:</p><lb/><cit><quote><hirendition="#et">——</hi><lb/>„Und doch nein! wirf hin den Geiſt, ſeine Feſſeln brich!<lb/>„Thor ſei! denn der Thor allein iſt ein froher Mann.<lb/>„Ewig, wie die Nachtigall bei der Roſe, jauchzt<lb/>„Solch’ ein Herz, das, Einſichtsqual, deinem Dorn entrann.<lb/>„Darum, ſegnend ſeinen Gott, preiſe ſein Geſchick,<lb/>„Wer, durch Jrrthum ſelig noch, ſtill ſich freuen kann.‟—</quote></cit><lb/><p>Jhm, dem Dichter, erſchien das Weſen der Dinge<lb/>
in ſeiner letzten Einfachheit und unverhüllt von der Maſſe<lb/>
jener äußerlichen Zuthaten, mit denen Jrrthum oder<lb/>
Berechnung von je die klare Sprache der Natur für den<lb/>
größten Theil der Menſchen unverſtändlich gemacht haben;<lb/>
aber er konnte dafür auch nicht jener geiſtigen Unruhe,<lb/>
jenem Seelenſchmerz entgehen, der nur Demjenigen be-<lb/>
greiflich iſt, welcher gewiſſe Bahnen der Erkenntniß über-<lb/>ſchritten hat. Er preiſt gewiß mit Recht Denjenigen<lb/>
glücklich, der „noch durch Jrrthum ſelig iſt‟; aber er<lb/>
ermahnt ihn mit Unrecht, darum ſeinen Gott zu ſegnen.<lb/>
Nur der Wiſſende kann den Jrrenden wegen ſeiner Be-<lb/>ſchränktheit glücklich preiſen, denn nur für ihn gibt es<lb/>
einen Schmerz der Erkenntniß, während das Weſen des<lb/>
Jrrthums eben vor Allem darin beſteht, daß er ſeinen<lb/>
eignen Jrrthum weder begreift, noch ahnt. Jm tiefſten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[268/0288]
nungen in Kampf gerieth, in perſönlichen Gefahren und
Verfolgungen; und wie zweifelhaft ſelbſt ihr innerer
Lohn ſei, hat ein geiſtreicher Perſer in trefflichen Worten
ausgedrückt:
— —
„Und doch nein! wirf hin den Geiſt, ſeine Feſſeln brich!
„Thor ſei! denn der Thor allein iſt ein froher Mann.
„Ewig, wie die Nachtigall bei der Roſe, jauchzt
„Solch’ ein Herz, das, Einſichtsqual, deinem Dorn entrann.
„Darum, ſegnend ſeinen Gott, preiſe ſein Geſchick,
„Wer, durch Jrrthum ſelig noch, ſtill ſich freuen kann.‟ —
Jhm, dem Dichter, erſchien das Weſen der Dinge
in ſeiner letzten Einfachheit und unverhüllt von der Maſſe
jener äußerlichen Zuthaten, mit denen Jrrthum oder
Berechnung von je die klare Sprache der Natur für den
größten Theil der Menſchen unverſtändlich gemacht haben;
aber er konnte dafür auch nicht jener geiſtigen Unruhe,
jenem Seelenſchmerz entgehen, der nur Demjenigen be-
greiflich iſt, welcher gewiſſe Bahnen der Erkenntniß über-
ſchritten hat. Er preiſt gewiß mit Recht Denjenigen
glücklich, der „noch durch Jrrthum ſelig iſt‟; aber er
ermahnt ihn mit Unrecht, darum ſeinen Gott zu ſegnen.
Nur der Wiſſende kann den Jrrenden wegen ſeiner Be-
ſchränktheit glücklich preiſen, denn nur für ihn gibt es
einen Schmerz der Erkenntniß, während das Weſen des
Jrrthums eben vor Allem darin beſteht, daß er ſeinen
eignen Jrrthum weder begreift, noch ahnt. Jm tiefſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/288>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.