Erd-Revolutionen ihren Ursprung verdanken, so sehr lehrte doch im Gegentheil eine reifere Ueberlegung und Beobachtung, daß der größte Theil dieser Veränderungen nichts anders, als die Folge einer allmähligen und lang- samen, aber durch ungeheure Zeiträume sich bewegenden Action natürlicher Kräfte ist -- einer Action, deren fort- dauernde Wirkungen wir tagtäglich noch in unserer nächsten Umgebung zu beobachten im Stande sind, aber wegen der Kürze der Zeit in so unendlich verkleinertem Maßstabe, daß uns diese Wirkungen nicht auffallend werden. "Denn die Erde", sagt Burmeister, "ist lediglich durch Kräfte erzeugt, welche wir noch heute selbst in entsprechender Stärke an ihr thätig finden; sie ist nie wesentlich gewaltsameren oder überhaupt anderen Entwicklungskatastrophen unterworfen gewesen; dagegen ist der Zeitraum, in welchem die Umänderung erfolgte, ein ganz unmeßbarer etc. Das Ungeheure und Ueber- raschende des irdischen Ausbildungsprocesses liegt nur in der immensen Zeitdauer, innerhalb welcher er er- folgte etc." Ein Tropfen Wasser höhlt einen Stein aus. So können anscheinend sehr schwache und kaum bemerk- liche Kräfte durch die Länge der Zeit unglaubliche und anscheinend wunderbare Wirkungen erzeugen. Wie die Wasserfälle des Niagara ihr Flußbett durch eine Tau- sende von Jahren dauernde Arrosion stundenweit nach rückwärts ausgewaschen haben, und zwar durch feste Fel-
Erd-Revolutionen ihren Urſprung verdanken, ſo ſehr lehrte doch im Gegentheil eine reifere Ueberlegung und Beobachtung, daß der größte Theil dieſer Veränderungen nichts anders, als die Folge einer allmähligen und lang- ſamen, aber durch ungeheure Zeiträume ſich bewegenden Action natürlicher Kräfte iſt — einer Action, deren fort- dauernde Wirkungen wir tagtäglich noch in unſerer nächſten Umgebung zu beobachten im Stande ſind, aber wegen der Kürze der Zeit in ſo unendlich verkleinertem Maßſtabe, daß uns dieſe Wirkungen nicht auffallend werden. „Denn die Erde‟, ſagt Burmeiſter, „iſt lediglich durch Kräfte erzeugt, welche wir noch heute ſelbſt in entſprechender Stärke an ihr thätig finden; ſie iſt nie weſentlich gewaltſameren oder überhaupt anderen Entwicklungskataſtrophen unterworfen geweſen; dagegen iſt der Zeitraum, in welchem die Umänderung erfolgte, ein ganz unmeßbarer ꝛc. Das Ungeheure und Ueber- raſchende des irdiſchen Ausbildungsproceſſes liegt nur in der immenſen Zeitdauer, innerhalb welcher er er- folgte ꝛc.‟ Ein Tropfen Waſſer höhlt einen Stein aus. So können anſcheinend ſehr ſchwache und kaum bemerk- liche Kräfte durch die Länge der Zeit unglaubliche und anſcheinend wunderbare Wirkungen erzeugen. Wie die Waſſerfälle des Niagara ihr Flußbett durch eine Tau- ſende von Jahren dauernde Arroſion ſtundenweit nach rückwärts ausgewaſchen haben, und zwar durch feſte Fel-
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[61/0081]
Erd-Revolutionen ihren Urſprung verdanken, ſo ſehr
lehrte doch im Gegentheil eine reifere Ueberlegung und
Beobachtung, daß der größte Theil dieſer Veränderungen
nichts anders, als die Folge einer allmähligen und lang-
ſamen, aber durch ungeheure Zeiträume ſich bewegenden
Action natürlicher Kräfte iſt — einer Action, deren fort-
dauernde Wirkungen wir tagtäglich noch in unſerer
nächſten Umgebung zu beobachten im Stande ſind, aber
wegen der Kürze der Zeit in ſo unendlich verkleinertem
Maßſtabe, daß uns dieſe Wirkungen nicht auffallend
werden. „Denn die Erde‟, ſagt Burmeiſter, „iſt
lediglich durch Kräfte erzeugt, welche wir noch heute ſelbſt
in entſprechender Stärke an ihr thätig finden; ſie iſt
nie weſentlich gewaltſameren oder überhaupt anderen
Entwicklungskataſtrophen unterworfen geweſen; dagegen
iſt der Zeitraum, in welchem die Umänderung erfolgte,
ein ganz unmeßbarer ꝛc. Das Ungeheure und Ueber-
raſchende des irdiſchen Ausbildungsproceſſes liegt nur
in der immenſen Zeitdauer, innerhalb welcher er er-
folgte ꝛc.‟ Ein Tropfen Waſſer höhlt einen Stein aus.
So können anſcheinend ſehr ſchwache und kaum bemerk-
liche Kräfte durch die Länge der Zeit unglaubliche und
anſcheinend wunderbare Wirkungen erzeugen. Wie die
Waſſerfälle des Niagara ihr Flußbett durch eine Tau-
ſende von Jahren dauernde Arroſion ſtundenweit nach
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/81>, abgerufen am 27.11.2024.
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