früher erzeugten Keim entstanden wären. Es scheint heute ein allgemeines durchgreifendes Gesetz der orga- nischen Welt zu sein: Omne vivum ex ovo, d. h. Alles, was lebt, entsteht nur aus einem vorher dage- wesenen Keim, welcher von gleichartigen Aeltern erzeugt worden ist, oder durch unmittelbare Fortpflanzung aus einem vorher dagewesenen älterlichen Körper heraus; also aus einem Ei, einem Samen, oder auch durch s. g. Theilung, Knospung, Sprossung u. s. w. Jmmer müssen ein oder mehrere Jndividuen derselben Gattung vorher dagewesen sein, um ähnliche weitere entstehen zu lassen. Die Erzählungen des alten Testament's drücken diese schon frühe erkannte Wahrheit allegorisch dahin aus, daß sie vor der großen Sündfluth ein Paar von jedem lebenden Thiergeschlecht in die rettende Arche aufnehmen lassen. Für Diejenigen nun, welche sich mit biblischen Erzählungen nicht genügen lassen, drängt sich im An- gesicht eines solchen Verhältnisses mit Nothwendigkeit die Frage nach dem Woher? nach dem Wie? der Entstehung, nach dem ersten Ursprung der organischen Wesen aus. Wenn alles Organische von Aeltern gezeugt wird, wie sind alsdann die ersten Aeltern entstanden? Konnten die- selben von selbst, bloß durch das zufällige oder noth- wendige Zusammentreffen äußerer Umstände und das Er- scheinen der zu ihrer Existenz nöthigen Bedingungen ent- stehen oder mußten sie durch das Zuthun einer äußeren Ge-
früher erzeugten Keim entſtanden wären. Es ſcheint heute ein allgemeines durchgreifendes Geſetz der orga- niſchen Welt zu ſein: Omne vivum ex ovo, d. h. Alles, was lebt, entſteht nur aus einem vorher dage- weſenen Keim, welcher von gleichartigen Aeltern erzeugt worden iſt, oder durch unmittelbare Fortpflanzung aus einem vorher dageweſenen älterlichen Körper heraus; alſo aus einem Ei, einem Samen, oder auch durch ſ. g. Theilung, Knospung, Sproſſung u. ſ. w. Jmmer müſſen ein oder mehrere Jndividuen derſelben Gattung vorher dageweſen ſein, um ähnliche weitere entſtehen zu laſſen. Die Erzählungen des alten Teſtament’s drücken dieſe ſchon frühe erkannte Wahrheit allegoriſch dahin aus, daß ſie vor der großen Sündfluth ein Paar von jedem lebenden Thiergeſchlecht in die rettende Arche aufnehmen laſſen. Für Diejenigen nun, welche ſich mit bibliſchen Erzählungen nicht genügen laſſen, drängt ſich im An- geſicht eines ſolchen Verhältniſſes mit Nothwendigkeit die Frage nach dem Woher? nach dem Wie? der Entſtehung, nach dem erſten Urſprung der organiſchen Weſen aus. Wenn alles Organiſche von Aeltern gezeugt wird, wie ſind alsdann die erſten Aeltern entſtanden? Konnten die- ſelben von ſelbſt, bloß durch das zufällige oder noth- wendige Zuſammentreffen äußerer Umſtände und das Er- ſcheinen der zu ihrer Exiſtenz nöthigen Bedingungen ent- ſtehen oder mußten ſie durch das Zuthun einer äußeren Ge-
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früher erzeugten Keim entſtanden wären. Es ſcheint
heute ein allgemeines durchgreifendes Geſetz der orga-
niſchen Welt zu ſein: Omne vivum ex ovo, d. h.
Alles, was lebt, entſteht nur aus einem vorher dage-
weſenen Keim, welcher von gleichartigen Aeltern erzeugt
worden iſt, oder durch unmittelbare Fortpflanzung aus
einem vorher dageweſenen älterlichen Körper heraus;
alſo aus einem Ei, einem Samen, oder auch durch ſ. g.
Theilung, Knospung, Sproſſung u. ſ. w. Jmmer müſſen
ein oder mehrere Jndividuen derſelben Gattung vorher
dageweſen ſein, um ähnliche weitere entſtehen zu laſſen.
Die Erzählungen des alten Teſtament’s drücken dieſe
ſchon frühe erkannte Wahrheit allegoriſch dahin aus,
daß ſie vor der großen Sündfluth ein Paar von jedem
lebenden Thiergeſchlecht in die rettende Arche aufnehmen
laſſen. Für Diejenigen nun, welche ſich mit bibliſchen
Erzählungen nicht genügen laſſen, drängt ſich im An-
geſicht eines ſolchen Verhältniſſes mit Nothwendigkeit die
Frage nach dem Woher? nach dem Wie? der Entſtehung,
nach dem erſten Urſprung der organiſchen Weſen aus.
Wenn alles Organiſche von Aeltern gezeugt wird, wie
ſind alsdann die erſten Aeltern entſtanden? Konnten die-
ſelben von ſelbſt, bloß durch das zufällige oder noth-
wendige Zuſammentreffen äußerer Umſtände und das Er-
ſcheinen der zu ihrer Exiſtenz nöthigen Bedingungen ent-
ſtehen oder mußten ſie durch das Zuthun einer äußeren Ge-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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