und endlich -- es klingt unglaublich, aber es ist so! -- selbst dieser Mensch empfand den Zauber dieser reinen, starken Natur, Kuhl hatte Mitleid mit Büchner und schonte ihn. Das ist keine bloße Hypothese! Büchner hatte allerdings nur durch sein Verschwinden nach Minnigerode's Verhaftung einen Verdacht auf sich gelenkt, aber die Polizei war so fest von seiner Mitschuld überzeugt, daß du Thil auf Georgi's Bericht hin dem Kuhl eine große Summe bieten ließ, wenn er Angaben über Büchner machen wolle. Aber Kuhl er- klärte, er kenne diesen Herrn Studenten nicht. Ebenso hat in ihm später noch einmal ein menschliches Rühren über die Hab- sucht gesiegt. Aber die weiteren Phasen dieser seltsamen Gerichts- und Denuncianten-Historie werden wir später zu beleuchten haben. Das Bisherige stellt klar, warum das Gericht nur nach Schütz fahndete, und wie Büchner unbe- helligt bleiben und sogar zur Klage gegen den Richter schreiten konnte.
Näheres über dieses tollkühne Vorgehen enthalten seine Briefe an die Eltern, doch sind sie hierüber, wie über seine ganze revolutionäre Thätigkeit in Gießen nur mit großer Vorsicht als Quelle zu gebrauchen. Denn er hehlte den Eltern diese Thätigkeit sehr ängstlich, und suchte, als sie Verdacht faßten, diesen durch allerlei Ausflüchte abzulenken. Das Motiv hierzu lag natürlich einzig in dem Charakter des Vaters. Dr. Ernst Büchner hätte für solches Vergehen keine Strafe zu hart gefunden. Doch verschwieg Georg nicht seine Gesinnungen, sondern nur seine Thaten, diese allerdings mit großer Gewandtheit. Als Dr. Büchner im März 1834 besorgt anfragte, ob die Gerüchte von entdeckten demokratischen Umtrieben in Oberhessen wahr sprächen, erwiderte der Sohn,
und endlich — es klingt unglaublich, aber es iſt ſo! — ſelbſt dieſer Menſch empfand den Zauber dieſer reinen, ſtarken Natur, Kuhl hatte Mitleid mit Büchner und ſchonte ihn. Das iſt keine bloße Hypotheſe! Büchner hatte allerdings nur durch ſein Verſchwinden nach Minnigerode's Verhaftung einen Verdacht auf ſich gelenkt, aber die Polizei war ſo feſt von ſeiner Mitſchuld überzeugt, daß du Thil auf Georgi's Bericht hin dem Kuhl eine große Summe bieten ließ, wenn er Angaben über Büchner machen wolle. Aber Kuhl er- klärte, er kenne dieſen Herrn Studenten nicht. Ebenſo hat in ihm ſpäter noch einmal ein menſchliches Rühren über die Hab- ſucht geſiegt. Aber die weiteren Phaſen dieſer ſeltſamen Gerichts- und Denuncianten-Hiſtorie werden wir ſpäter zu beleuchten haben. Das Bisherige ſtellt klar, warum das Gericht nur nach Schütz fahndete, und wie Büchner unbe- helligt bleiben und ſogar zur Klage gegen den Richter ſchreiten konnte.
Näheres über dieſes tollkühne Vorgehen enthalten ſeine Briefe an die Eltern, doch ſind ſie hierüber, wie über ſeine ganze revolutionäre Thätigkeit in Gießen nur mit großer Vorſicht als Quelle zu gebrauchen. Denn er hehlte den Eltern dieſe Thätigkeit ſehr ängſtlich, und ſuchte, als ſie Verdacht faßten, dieſen durch allerlei Ausflüchte abzulenken. Das Motiv hierzu lag natürlich einzig in dem Charakter des Vaters. Dr. Ernſt Büchner hätte für ſolches Vergehen keine Strafe zu hart gefunden. Doch verſchwieg Georg nicht ſeine Geſinnungen, ſondern nur ſeine Thaten, dieſe allerdings mit großer Gewandtheit. Als Dr. Büchner im März 1834 beſorgt anfragte, ob die Gerüchte von entdeckten demokratiſchen Umtrieben in Oberheſſen wahr ſprächen, erwiderte der Sohn,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="CXL"/>
und endlich — es klingt unglaublich, aber es iſt ſo! —ſelbſt<lb/>
dieſer Menſch empfand den Zauber dieſer reinen, ſtarken<lb/>
Natur, Kuhl hatte Mitleid mit Büchner und ſchonte ihn.<lb/>
Das iſt keine bloße Hypotheſe! Büchner hatte allerdings<lb/>
nur durch ſein Verſchwinden nach Minnigerode's Verhaftung<lb/>
einen Verdacht auf ſich gelenkt, aber die Polizei war ſo feſt<lb/>
von ſeiner Mitſchuld überzeugt, daß du Thil auf Georgi's<lb/>
Bericht hin dem Kuhl eine große Summe bieten ließ, wenn<lb/>
er Angaben über Büchner machen wolle. Aber Kuhl er-<lb/>
klärte, er kenne dieſen Herrn Studenten nicht. Ebenſo hat in<lb/>
ihm ſpäter noch einmal ein menſchliches Rühren über die Hab-<lb/>ſucht geſiegt. Aber die weiteren Phaſen dieſer ſeltſamen<lb/>
Gerichts- und Denuncianten-Hiſtorie werden wir ſpäter zu<lb/>
beleuchten haben. Das Bisherige ſtellt klar, warum das<lb/>
Gericht nur nach Schütz fahndete, und wie Büchner unbe-<lb/>
helligt bleiben und ſogar zur Klage gegen den Richter<lb/>ſchreiten konnte.</p><lb/><p>Näheres über dieſes tollkühne Vorgehen enthalten ſeine<lb/>
Briefe an die Eltern, doch ſind ſie hierüber, wie über ſeine<lb/>
ganze revolutionäre Thätigkeit in Gießen nur mit großer<lb/>
Vorſicht als Quelle zu gebrauchen. Denn er hehlte den<lb/>
Eltern dieſe Thätigkeit ſehr ängſtlich, und ſuchte, als ſie<lb/>
Verdacht faßten, dieſen durch allerlei Ausflüchte abzulenken.<lb/>
Das Motiv hierzu lag natürlich einzig in dem Charakter<lb/>
des Vaters. <hirendition="#aq">Dr.</hi> Ernſt Büchner hätte für ſolches Vergehen<lb/>
keine Strafe zu hart gefunden. Doch verſchwieg Georg nicht<lb/>ſeine Geſinnungen, ſondern nur ſeine Thaten, dieſe allerdings<lb/>
mit großer Gewandtheit. Als <hirendition="#aq">Dr.</hi> Büchner im März 1834<lb/>
beſorgt anfragte, ob die Gerüchte von entdeckten demokratiſchen<lb/>
Umtrieben in Oberheſſen wahr ſprächen, erwiderte der Sohn,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[CXL/0156]
und endlich — es klingt unglaublich, aber es iſt ſo! — ſelbſt
dieſer Menſch empfand den Zauber dieſer reinen, ſtarken
Natur, Kuhl hatte Mitleid mit Büchner und ſchonte ihn.
Das iſt keine bloße Hypotheſe! Büchner hatte allerdings
nur durch ſein Verſchwinden nach Minnigerode's Verhaftung
einen Verdacht auf ſich gelenkt, aber die Polizei war ſo feſt
von ſeiner Mitſchuld überzeugt, daß du Thil auf Georgi's
Bericht hin dem Kuhl eine große Summe bieten ließ, wenn
er Angaben über Büchner machen wolle. Aber Kuhl er-
klärte, er kenne dieſen Herrn Studenten nicht. Ebenſo hat in
ihm ſpäter noch einmal ein menſchliches Rühren über die Hab-
ſucht geſiegt. Aber die weiteren Phaſen dieſer ſeltſamen
Gerichts- und Denuncianten-Hiſtorie werden wir ſpäter zu
beleuchten haben. Das Bisherige ſtellt klar, warum das
Gericht nur nach Schütz fahndete, und wie Büchner unbe-
helligt bleiben und ſogar zur Klage gegen den Richter
ſchreiten konnte.
Näheres über dieſes tollkühne Vorgehen enthalten ſeine
Briefe an die Eltern, doch ſind ſie hierüber, wie über ſeine
ganze revolutionäre Thätigkeit in Gießen nur mit großer
Vorſicht als Quelle zu gebrauchen. Denn er hehlte den
Eltern dieſe Thätigkeit ſehr ängſtlich, und ſuchte, als ſie
Verdacht faßten, dieſen durch allerlei Ausflüchte abzulenken.
Das Motiv hierzu lag natürlich einzig in dem Charakter
des Vaters. Dr. Ernſt Büchner hätte für ſolches Vergehen
keine Strafe zu hart gefunden. Doch verſchwieg Georg nicht
ſeine Geſinnungen, ſondern nur ſeine Thaten, dieſe allerdings
mit großer Gewandtheit. Als Dr. Büchner im März 1834
beſorgt anfragte, ob die Gerüchte von entdeckten demokratiſchen
Umtrieben in Oberheſſen wahr ſprächen, erwiderte der Sohn,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXL. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/156>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.