-- In Gutzkow's Literaturblatt sollte Büchner auf dessen Wunsch Kritiken der neu erscheinenden französischen Literatur liefern. -- Zugleich mit den naturwissenschaftlichen Studien betrieb Büchner in Straßburg philosophische, und zwar namentlich als Grundlage "Geschichte der Philosophie". Unter den neueren Philosophen waren es Cartesius und Spinoza, mit deren Systemen er sich hauptsächlich be- schäftigte und aufs Innigste vertraut machte. (Man vergl. S. 303-321). Daneben fand sein rastloser Eifer noch Zeit, das Englische zu erlernen. Er studirte meist an- haltend von Morgens früh bis um Mitternacht. -- Seine vergleichend anatomischen Studien führten ihn zur Entdeckung einer früher nicht gekannten Verbindung unter den Kopfnerven des Fisches, welches ihm die Idee gab, eine Abhandlung über diesen Gegenstand zu schreiben. Er ging sogleich an die Arbeit, und dieselbe beschäftigte ihn fast ausschließlich in dem Winter von 1835 auf 1836. (Man vergl. S. 291 u. flgde.)
Im October 1835 erhielt Büchner durch besondere Vergünstigung eine französische Sicherheitskarte, die ihn aller Chikanen überhob, welche damals gegen die Refügies in Folge auswärtiger Noten im Schwange waren. Es waren kaum acht bis zehn deutsche Flüchtlinge in Straß- burg, alle mit ihren Studien beschäftigt, und die deutschen Regierungen träumten von Einfällen derselben über den Rhein. Von politischen Leidensgenossen und Freunden aus Deutsch- land traf Büchner in Straßburg nach und nach: Koch, Geil- fuß, Dittmar, Stamm, Schütz, Walloth, Heumann, Schulz, Nievergelter, Becker, Rosenstiel, Wiener und Andere; sie zerstreuten sich immer bald wieder, einige nach Paris, andere
— In Gutzkow's Literaturblatt ſollte Büchner auf deſſen Wunſch Kritiken der neu erſcheinenden franzöſiſchen Literatur liefern. — Zugleich mit den naturwiſſenſchaftlichen Studien betrieb Büchner in Straßburg philoſophiſche, und zwar namentlich als Grundlage "Geſchichte der Philoſophie". Unter den neueren Philoſophen waren es Carteſius und Spinoza, mit deren Syſtemen er ſich hauptſächlich be- ſchäftigte und aufs Innigſte vertraut machte. (Man vergl. S. 303-321). Daneben fand ſein raſtloſer Eifer noch Zeit, das Engliſche zu erlernen. Er ſtudirte meiſt an- haltend von Morgens früh bis um Mitternacht. — Seine vergleichend anatomiſchen Studien führten ihn zur Entdeckung einer früher nicht gekannten Verbindung unter den Kopfnerven des Fiſches, welches ihm die Idee gab, eine Abhandlung über dieſen Gegenſtand zu ſchreiben. Er ging ſogleich an die Arbeit, und dieſelbe beſchäftigte ihn faſt ausſchließlich in dem Winter von 1835 auf 1836. (Man vergl. S. 291 u. flgde.)
Im October 1835 erhielt Büchner durch beſondere Vergünſtigung eine franzöſiſche Sicherheitskarte, die ihn aller Chikanen überhob, welche damals gegen die Refügies in Folge auswärtiger Noten im Schwange waren. Es waren kaum acht bis zehn deutſche Flüchtlinge in Straß- burg, alle mit ihren Studien beſchäftigt, und die deutſchen Regierungen träumten von Einfällen derſelben über den Rhein. Von politiſchen Leidensgenoſſen und Freunden aus Deutſch- land traf Büchner in Straßburg nach und nach: Koch, Geil- fuß, Dittmar, Stamm, Schütz, Walloth, Heumann, Schulz, Nievergelter, Becker, Roſenſtiel, Wiener und Andere; ſie zerſtreuten ſich immer bald wieder, einige nach Paris, andere
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0185"n="CLXIX"/><p>— In Gutzkow's Literaturblatt ſollte Büchner auf deſſen<lb/>
Wunſch Kritiken der neu erſcheinenden franzöſiſchen Literatur<lb/>
liefern. — Zugleich mit den naturwiſſenſchaftlichen Studien<lb/>
betrieb Büchner in Straßburg <hirendition="#g">philoſophiſche</hi>, und zwar<lb/>
namentlich als Grundlage "Geſchichte der Philoſophie".<lb/>
Unter den neueren Philoſophen waren es <hirendition="#g">Carteſius</hi> und<lb/><hirendition="#g">Spinoza</hi>, mit deren Syſtemen er ſich hauptſächlich be-<lb/>ſchäftigte und aufs Innigſte vertraut machte. (Man vergl.<lb/>
S. 303-321). Daneben fand ſein raſtloſer Eifer noch<lb/>
Zeit, das <hirendition="#g">Engliſche</hi> zu erlernen. Er ſtudirte meiſt an-<lb/>
haltend von Morgens früh bis um Mitternacht. — Seine<lb/>
vergleichend anatomiſchen Studien führten ihn zur Entdeckung<lb/>
einer früher nicht gekannten Verbindung unter den Kopfnerven<lb/>
des Fiſches, welches ihm die Idee gab, eine Abhandlung<lb/>
über dieſen Gegenſtand zu ſchreiben. Er ging ſogleich an<lb/>
die Arbeit, und dieſelbe beſchäftigte ihn faſt ausſchließlich<lb/>
in dem Winter von 1835 auf 1836. (Man vergl. S. 291<lb/>
u. flgde.)</p><lb/><p>Im October 1835 erhielt Büchner durch beſondere<lb/>
Vergünſtigung eine <hirendition="#g">franzöſiſche Sicherheitskarte</hi>,<lb/>
die ihn aller Chikanen überhob, welche damals gegen die<lb/>
Refügies in Folge auswärtiger Noten im Schwange waren.<lb/>
Es waren kaum acht bis zehn deutſche Flüchtlinge in Straß-<lb/>
burg, alle mit ihren Studien beſchäftigt, und die deutſchen<lb/>
Regierungen träumten von Einfällen derſelben über den Rhein.<lb/>
Von politiſchen Leidensgenoſſen und Freunden aus Deutſch-<lb/>
land traf Büchner in Straßburg nach und nach: Koch, Geil-<lb/>
fuß, Dittmar, Stamm, Schütz, Walloth, Heumann, Schulz,<lb/>
Nievergelter, Becker, Roſenſtiel, Wiener und Andere; ſie<lb/>
zerſtreuten ſich immer bald wieder, einige nach Paris, andere<lb/></p></div></body></text></TEI>
[CLXIX/0185]
— In Gutzkow's Literaturblatt ſollte Büchner auf deſſen
Wunſch Kritiken der neu erſcheinenden franzöſiſchen Literatur
liefern. — Zugleich mit den naturwiſſenſchaftlichen Studien
betrieb Büchner in Straßburg philoſophiſche, und zwar
namentlich als Grundlage "Geſchichte der Philoſophie".
Unter den neueren Philoſophen waren es Carteſius und
Spinoza, mit deren Syſtemen er ſich hauptſächlich be-
ſchäftigte und aufs Innigſte vertraut machte. (Man vergl.
S. 303-321). Daneben fand ſein raſtloſer Eifer noch
Zeit, das Engliſche zu erlernen. Er ſtudirte meiſt an-
haltend von Morgens früh bis um Mitternacht. — Seine
vergleichend anatomiſchen Studien führten ihn zur Entdeckung
einer früher nicht gekannten Verbindung unter den Kopfnerven
des Fiſches, welches ihm die Idee gab, eine Abhandlung
über dieſen Gegenſtand zu ſchreiben. Er ging ſogleich an
die Arbeit, und dieſelbe beſchäftigte ihn faſt ausſchließlich
in dem Winter von 1835 auf 1836. (Man vergl. S. 291
u. flgde.)
Im October 1835 erhielt Büchner durch beſondere
Vergünſtigung eine franzöſiſche Sicherheitskarte,
die ihn aller Chikanen überhob, welche damals gegen die
Refügies in Folge auswärtiger Noten im Schwange waren.
Es waren kaum acht bis zehn deutſche Flüchtlinge in Straß-
burg, alle mit ihren Studien beſchäftigt, und die deutſchen
Regierungen träumten von Einfällen derſelben über den Rhein.
Von politiſchen Leidensgenoſſen und Freunden aus Deutſch-
land traf Büchner in Straßburg nach und nach: Koch, Geil-
fuß, Dittmar, Stamm, Schütz, Walloth, Heumann, Schulz,
Nievergelter, Becker, Roſenſtiel, Wiener und Andere; ſie
zerſtreuten ſich immer bald wieder, einige nach Paris, andere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/185>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.