Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Die Conciergerie. Danton an einem Fenster, welches in das nächste Zimmer geht. Camille, Philippeau, Lacroix, Herault. Danton. Du bist jetzt ruhig, Fabre. Eine Stimme (von innen). Am Sterben. Danton. Weißt du auch, was wir jetzt machen werden? Stimme. Nun? Danton. Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht hast -- des vers. Camille (für sich). Der Wahnsinn saß hinter ihren Augen. Es sind schon mehr Leute wahnsinnig geworden, das ist der Lauf der Welt. Was können wir dazu? Wir waschen unsere Hände. Es ist auch besser so. Danton. Ich lasse Alles in einer schrecklichen Ver- wirrung. Keiner versteht das Regieren. Es könnte vielleicht noch gehn, wenn ich Robespierre meine Huren und Couthon meine Waden hinterließe. Lacroix. Wir hätten die Freiheit zur Hure gemacht! Danton. Was wär' es auch! Die Freiheit und eine Hure sind die kosmopolitischsten Dinge unter der Sonne. Sie wird sich jetzt anständig im Ehebett des Advokaten von Arras prostituiren. Aber ich denke, sie wird die Clytemnestra gegen ihn spielen; ich lasse ihm keine sechs Monate Frist, ich ziehe ihn mit mir. Camille (für sich). Der Himmel verhelf' ihr zu einer behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche man die gesunde Vernunft tauft, sind unerträglich langweilig. Der glücklichste Mensch war der, welcher sich einbilden konnte, daß er Gott Vater, Sohn und heiliger Geist sei. Die Conciergerie. Danton an einem Fenſter, welches in das nächſte Zimmer geht. Camille, Philippeau, Lacroix, Hérault. Danton. Du biſt jetzt ruhig, Fabre. Eine Stimme (von innen). Am Sterben. Danton. Weißt du auch, was wir jetzt machen werden? Stimme. Nun? Danton. Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht haſt — des vers. Camille (für ſich). Der Wahnſinn ſaß hinter ihren Augen. Es ſind ſchon mehr Leute wahnſinnig geworden, das iſt der Lauf der Welt. Was können wir dazu? Wir waſchen unſere Hände. Es iſt auch beſſer ſo. Danton. Ich laſſe Alles in einer ſchrecklichen Ver- wirrung. Keiner verſteht das Regieren. Es könnte vielleicht noch gehn, wenn ich Robespierre meine Huren und Couthon meine Waden hinterließe. Lacroix. Wir hätten die Freiheit zur Hure gemacht! Danton. Was wär' es auch! Die Freiheit und eine Hure ſind die kosmopolitiſchſten Dinge unter der Sonne. Sie wird ſich jetzt anſtändig im Ehebett des Advokaten von Arras proſtituiren. Aber ich denke, ſie wird die Clytemneſtra gegen ihn ſpielen; ich laſſe ihm keine ſechs Monate Friſt, ich ziehe ihn mit mir. Camille (für ſich). Der Himmel verhelf' ihr zu einer behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche man die geſunde Vernunft tauft, ſind unerträglich langweilig. Der glücklichſte Menſch war der, welcher ſich einbilden konnte, daß er Gott Vater, Sohn und heiliger Geiſt ſei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <pb facs="#f0285" n="89"/> <div type="scene" n="4"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Conciergerie</hi>.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Danton</hi></hi> an einem Fenſter, welches in das nächſte Zimmer geht.<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Camille, Philippeau, Lacroix, H<hi rendition="#aq">é</hi>rault.</hi></hi></hi> </stage><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Du biſt jetzt ruhig, Fabre.</p> </sp><lb/> <sp who="#EINSTIM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Eine Stimme</hi> </hi> </speaker> <stage>(von innen).</stage> <p>Am Sterben.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Weißt du auch, was wir jetzt machen werden?</p> </sp><lb/> <sp who="#STIMME"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Stimme.</hi> </hi> </speaker> <p>Nun?</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht<lb/> haſt — <hi rendition="#aq">des vers.</hi></p> </sp><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Camille</hi> </hi> </speaker> <stage>(für ſich).</stage> <p>Der Wahnſinn ſaß hinter ihren<lb/> Augen. Es ſind ſchon mehr Leute wahnſinnig geworden,<lb/> das iſt der Lauf der Welt. Was können wir dazu? Wir<lb/> waſchen unſere Hände. Es iſt auch beſſer ſo.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Ich laſſe Alles in einer ſchrecklichen Ver-<lb/> wirrung. Keiner verſteht das Regieren. Es könnte vielleicht<lb/> noch gehn, wenn ich Robespierre meine Huren und Couthon<lb/> meine Waden hinterließe.</p> </sp><lb/> <sp who="#LAC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker> <p>Wir hätten die Freiheit zur Hure gemacht!</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Was wär' es auch! Die Freiheit und eine<lb/> Hure ſind die kosmopolitiſchſten Dinge unter der Sonne.<lb/> Sie wird ſich jetzt anſtändig im Ehebett des Advokaten von<lb/> Arras proſtituiren. Aber ich denke, ſie wird die Clytemneſtra<lb/> gegen ihn ſpielen; ich laſſe ihm keine ſechs Monate Friſt,<lb/> ich ziehe ihn mit mir.</p> </sp><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Camille</hi> </hi> </speaker> <stage>(für ſich).</stage> <p>Der Himmel verhelf' ihr zu einer<lb/> behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche<lb/> man die geſunde Vernunft tauft, ſind unerträglich langweilig.<lb/> Der glücklichſte Menſch war der, welcher ſich einbilden konnte,<lb/> daß er Gott Vater, Sohn und heiliger Geiſt ſei.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0285]
Die Conciergerie.
Danton an einem Fenſter, welches in das nächſte Zimmer geht.
Camille, Philippeau, Lacroix, Hérault.
Danton. Du biſt jetzt ruhig, Fabre.
Eine Stimme (von innen). Am Sterben.
Danton. Weißt du auch, was wir jetzt machen werden?
Stimme. Nun?
Danton. Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht
haſt — des vers.
Camille (für ſich). Der Wahnſinn ſaß hinter ihren
Augen. Es ſind ſchon mehr Leute wahnſinnig geworden,
das iſt der Lauf der Welt. Was können wir dazu? Wir
waſchen unſere Hände. Es iſt auch beſſer ſo.
Danton. Ich laſſe Alles in einer ſchrecklichen Ver-
wirrung. Keiner verſteht das Regieren. Es könnte vielleicht
noch gehn, wenn ich Robespierre meine Huren und Couthon
meine Waden hinterließe.
Lacroix. Wir hätten die Freiheit zur Hure gemacht!
Danton. Was wär' es auch! Die Freiheit und eine
Hure ſind die kosmopolitiſchſten Dinge unter der Sonne.
Sie wird ſich jetzt anſtändig im Ehebett des Advokaten von
Arras proſtituiren. Aber ich denke, ſie wird die Clytemneſtra
gegen ihn ſpielen; ich laſſe ihm keine ſechs Monate Friſt,
ich ziehe ihn mit mir.
Camille (für ſich). Der Himmel verhelf' ihr zu einer
behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche
man die geſunde Vernunft tauft, ſind unerträglich langweilig.
Der glücklichſte Menſch war der, welcher ſich einbilden konnte,
daß er Gott Vater, Sohn und heiliger Geiſt ſei.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |