Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Lacroix. Die Esel werden schreien: es lebe die Repu- blik, wenn wir vorbeigehen. Danton. Was liegt daran? Die Sündfluth der Revo- lution mag unsere Leichen absetzen, wo sie will, mit unsern fossilen Knochen wird man noch immer allen Königen die Schädel einschlagen können. Herault. Ja, wenn sich gerade ein Simson für unsere Kinnbacken findet. Danton. Sie sind Kainsbrüder. Lacroix. Nichts beweist mehr, daß Robespierre ein Nero ist, als der Umstand, daß er gegen Camille nie freund- licher war, als zwei Tage vor dessen Verhaftung. Ist es nicht so, Camille? Camille. Meinetwegen, was geht das mich an? -- (Für sich.) Was sie aus dem Wahnsinn für ein reizendes Ding gemacht hat. Warum muß ich jetzt fort? Wir hätten zu- sammen mit ihm gelacht, es gewiegt und geküßt. Danton. Wenn einmal die Geschichte ihre Grüfte öffnet, kann der Despotismus noch immer an dem Duft unserer Leichen ersticken. Herault. Wir stanken bei Lebzeiten schon hinlänglich. Das sind Phrasen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton, uns gehen sie eigentlich nichts an. Camille. Er zieht ein Gesicht, als solle er versteinern und von der Nachwelt als Antike ausgegraben werden. -- Das verlohnt sich auch der Mühe, Mäulchen zu machen und Roth aufzulegen und mit einem guten Accent zu sprechen; wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen uralten, zahnlosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, Lacroix. Die Eſel werden ſchreien: es lebe die Repu- blik, wenn wir vorbeigehen. Danton. Was liegt daran? Die Sündfluth der Revo- lution mag unſere Leichen abſetzen, wo ſie will, mit unſern foſſilen Knochen wird man noch immer allen Königen die Schädel einſchlagen können. Hérault. Ja, wenn ſich gerade ein Simſon für unſere Kinnbacken findet. Danton. Sie ſind Kainsbrüder. Lacroix. Nichts beweiſt mehr, daß Robespierre ein Nero iſt, als der Umſtand, daß er gegen Camille nie freund- licher war, als zwei Tage vor deſſen Verhaftung. Iſt es nicht ſo, Camille? Camille. Meinetwegen, was geht das mich an? — (Für ſich.) Was ſie aus dem Wahnſinn für ein reizendes Ding gemacht hat. Warum muß ich jetzt fort? Wir hätten zu- ſammen mit ihm gelacht, es gewiegt und geküßt. Danton. Wenn einmal die Geſchichte ihre Grüfte öffnet, kann der Despotismus noch immer an dem Duft unſerer Leichen erſticken. Hérault. Wir ſtanken bei Lebzeiten ſchon hinlänglich. Das ſind Phraſen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton, uns gehen ſie eigentlich nichts an. Camille. Er zieht ein Geſicht, als ſolle er verſteinern und von der Nachwelt als Antike ausgegraben werden. — Das verlohnt ſich auch der Mühe, Mäulchen zu machen und Roth aufzulegen und mit einem guten Accent zu ſprechen; wir ſollten einmal die Masken abnehmen, wir ſähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen uralten, zahnloſen, unverwüſtlichen Schafskopf, nichts mehr, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <pb facs="#f0286" n="90"/> <sp who="#LAC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Lacroix.</hi> </hi> </speaker> <p>Die Eſel werden ſchreien: es lebe die Repu-<lb/> blik, wenn wir vorbeigehen.</p> </sp><lb/> <sp who="#DANTON"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Danton.</hi> </hi> </speaker> <p>Was liegt daran? 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Schädel einſchlagen können.
Hérault. Ja, wenn ſich gerade ein Simſon für unſere
Kinnbacken findet.
Danton. Sie ſind Kainsbrüder.
Lacroix. Nichts beweiſt mehr, daß Robespierre ein
Nero iſt, als der Umſtand, daß er gegen Camille nie freund-
licher war, als zwei Tage vor deſſen Verhaftung. Iſt
es nicht ſo, Camille?
Camille. Meinetwegen, was geht das mich an? —
(Für ſich.) Was ſie aus dem Wahnſinn für ein reizendes Ding
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ſammen mit ihm gelacht, es gewiegt und geküßt.
Danton. Wenn einmal die Geſchichte ihre Grüfte
öffnet, kann der Despotismus noch immer an dem Duft
unſerer Leichen erſticken.
Hérault. Wir ſtanken bei Lebzeiten ſchon hinlänglich.
Das ſind Phraſen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton,
uns gehen ſie eigentlich nichts an.
Camille. Er zieht ein Geſicht, als ſolle er verſteinern
und von der Nachwelt als Antike ausgegraben werden. —
Das verlohnt ſich auch der Mühe, Mäulchen zu machen und
Roth aufzulegen und mit einem guten Accent zu ſprechen;
wir ſollten einmal die Masken abnehmen, wir ſähen dann,
wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen
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