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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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auch gegen Drang und Druck einer kleinlichen Junkerwirth-
schaft. Denn wenn es auch damals im gesammten Deutsch-
land nicht sonderlich erfreulich herging, so stand es doch be-
sonders traurig um Hessen -- es wird sich später die Noth-
wendigkeit ergeben, eingehend dieser Verhältnisse zu gedenken.
Und ferner hatten auch die Eltern ihr Theil an dieser
Schwärmerei; die Mutter, indem sie in sein Herz das Ideal
der Freiheit gepflanzt, der Vater, indem er in ihm Neigung
und Interesse für französisches Wesen großgezogen. Freilich
hatte Ernst Büchner nur jene Franzosen gemeint, welche
willig dem großen Kaiser gefolgt, während Georg seine
Sympathien jenen widmete, die soeben den kleinen König da-
vongejagt ...

"Sein Herz floß über von Begeisterung für die Frei-
heit, von schwärmerischem Thatendrang!" So berichtet einer
der Wenigen, denen Georg sich damals ganz offenbaren durfte,
einer seiner Mitschüler. Dem Vater gegenüber war er sehr
vorsichtig, vorsichtiger, als gegen die Lehrer. Denn es be-
rührt eigen, halb rührend, halb komisch, wenn man seine
deutschen Aufsätze von 1830 und 1831 durchblättert und
erkennt, wie er jede Gelegenheit, ob passend oder unpassend,
benützte, um seinem Herzen Luft zu machen. Dies zeigt sich
schon an der Wahl des Motto, denn nicht weniger als
drei Male lesen wir da den Vers G. A. Bürger's:

"Für Tugend, Menschenrecht und Menschenfreiheit sterben
Ist höchst erhabener Muth, ist Welterlösers Tod!
Denn nur die göttlichsten der Helden-Menschen färben
Dafür den Panzerrock mit ihrem Herzblut roth."

Und dann variirt der Aufsatz denselben Gedanken nach
Kräften, mag er sich in das vorgeschriebene Thema ein-

auch gegen Drang und Druck einer kleinlichen Junkerwirth-
ſchaft. Denn wenn es auch damals im geſammten Deutſch-
land nicht ſonderlich erfreulich herging, ſo ſtand es doch be-
ſonders traurig um Heſſen — es wird ſich ſpäter die Noth-
wendigkeit ergeben, eingehend dieſer Verhältniſſe zu gedenken.
Und ferner hatten auch die Eltern ihr Theil an dieſer
Schwärmerei; die Mutter, indem ſie in ſein Herz das Ideal
der Freiheit gepflanzt, der Vater, indem er in ihm Neigung
und Intereſſe für franzöſiſches Weſen großgezogen. Freilich
hatte Ernſt Büchner nur jene Franzoſen gemeint, welche
willig dem großen Kaiſer gefolgt, während Georg ſeine
Sympathien jenen widmete, die ſoeben den kleinen König da-
vongejagt ...

"Sein Herz floß über von Begeiſterung für die Frei-
heit, von ſchwärmeriſchem Thatendrang!" So berichtet einer
der Wenigen, denen Georg ſich damals ganz offenbaren durfte,
einer ſeiner Mitſchüler. Dem Vater gegenüber war er ſehr
vorſichtig, vorſichtiger, als gegen die Lehrer. Denn es be-
rührt eigen, halb rührend, halb komiſch, wenn man ſeine
deutſchen Aufſätze von 1830 und 1831 durchblättert und
erkennt, wie er jede Gelegenheit, ob paſſend oder unpaſſend,
benützte, um ſeinem Herzen Luft zu machen. Dies zeigt ſich
ſchon an der Wahl des Motto, denn nicht weniger als
drei Male leſen wir da den Vers G. A. Bürger's:

"Für Tugend, Menſchenrecht und Menſchenfreiheit ſterben
Iſt höchſt erhabener Muth, iſt Welterlöſers Tod!
Denn nur die göttlichſten der Helden-Menſchen färben
Dafür den Panzerrock mit ihrem Herzblut roth."

Und dann variirt der Aufſatz denſelben Gedanken nach
Kräften, mag er ſich in das vorgeſchriebene Thema ein-

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[XXVIII/0044] auch gegen Drang und Druck einer kleinlichen Junkerwirth- ſchaft. Denn wenn es auch damals im geſammten Deutſch- land nicht ſonderlich erfreulich herging, ſo ſtand es doch be- ſonders traurig um Heſſen — es wird ſich ſpäter die Noth- wendigkeit ergeben, eingehend dieſer Verhältniſſe zu gedenken. Und ferner hatten auch die Eltern ihr Theil an dieſer Schwärmerei; die Mutter, indem ſie in ſein Herz das Ideal der Freiheit gepflanzt, der Vater, indem er in ihm Neigung und Intereſſe für franzöſiſches Weſen großgezogen. Freilich hatte Ernſt Büchner nur jene Franzoſen gemeint, welche willig dem großen Kaiſer gefolgt, während Georg ſeine Sympathien jenen widmete, die ſoeben den kleinen König da- vongejagt ... "Sein Herz floß über von Begeiſterung für die Frei- heit, von ſchwärmeriſchem Thatendrang!" So berichtet einer der Wenigen, denen Georg ſich damals ganz offenbaren durfte, einer ſeiner Mitſchüler. Dem Vater gegenüber war er ſehr vorſichtig, vorſichtiger, als gegen die Lehrer. Denn es be- rührt eigen, halb rührend, halb komiſch, wenn man ſeine deutſchen Aufſätze von 1830 und 1831 durchblättert und erkennt, wie er jede Gelegenheit, ob paſſend oder unpaſſend, benützte, um ſeinem Herzen Luft zu machen. Dies zeigt ſich ſchon an der Wahl des Motto, denn nicht weniger als drei Male leſen wir da den Vers G. A. Bürger's: "Für Tugend, Menſchenrecht und Menſchenfreiheit ſterben Iſt höchſt erhabener Muth, iſt Welterlöſers Tod! Denn nur die göttlichſten der Helden-Menſchen färben Dafür den Panzerrock mit ihrem Herzblut roth." Und dann variirt der Aufſatz denſelben Gedanken nach Kräften, mag er ſich in das vorgeſchriebene Thema ein-

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/44>, abgerufen am 21.11.2024.