Büsch, Johann Georg: Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Bd. 2. Hamburg, 1792.Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte. Landesherrn gefolgert werden könnte, von den anseinem Strande verunglükkenden Schiffen und Gü- tern, wenn sie durch seine hoch genug belohnten Un- tertahnen ganz oder zum Teil, mehr oder minder beschädigt gerettet worden sind, einen Anteil sich an- zumassen, oder ein so genanntes Strandrecht zu üben. Allein in den Sitten der Vorzeit war Raubsucht, in- sonderheit gegen den Ausländer, auch auf festem Lan- de, kein Laster, und mehrerer Entschuldigung fähig, wenn dieselbe an einem solchen Eigentuhm des Frem- den geübt ward, das ihm die Natur schon gewisser- massen entrissen hatte. Es war also kein Wunder, wenn von allen Anwohnern der Nordischen Meere ein Recht angenommen ward, sich, ohne Erbarmung über das Unglük und den Verlust des Besizers, alles dessen zu bemächtigen, was die Unfälle der Seereisen ihrem Strande zuführten, und die oben angeführte Rechtsregel ohne Einschränkung zu üben, auch wann der mit seinem Schiff und Gütern gereisete Eigner zugegen war, und dessen Eigentuhm als keineswegs verlassen angesehen werden konnte. Doch war es in jenen Zeiten der Barbarei nicht Fürstenrecht, son- dern aus Raub- und Gewinnsucht entstandene Sitte unserer Vorfahren, insonderheit der Friesen, eines kühnen, freien und fast keine Oberherren kennenden Volks. Als Sitte erhielt es sich bis in die Zeiten, da diese Strandbewohner Oberherren bekamen, welche Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte. Landesherrn gefolgert werden koͤnnte, von den anſeinem Strande verungluͤkkenden Schiffen und Guͤ- tern, wenn ſie durch ſeine hoch genug belohnten Un- tertahnen ganz oder zum Teil, mehr oder minder beſchaͤdigt gerettet worden ſind, einen Anteil ſich an- zumaſſen, oder ein ſo genanntes Strandrecht zu uͤben. Allein in den Sitten der Vorzeit war Raubſucht, in- ſonderheit gegen den Auslaͤnder, auch auf feſtem Lan- de, kein Laſter, und mehrerer Entſchuldigung faͤhig, wenn dieſelbe an einem ſolchen Eigentuhm des Frem- den geuͤbt ward, das ihm die Natur ſchon gewiſſer- maſſen entriſſen hatte. Es war alſo kein Wunder, wenn von allen Anwohnern der Nordiſchen Meere ein Recht angenommen ward, ſich, ohne Erbarmung uͤber das Ungluͤk und den Verluſt des Beſizers, alles deſſen zu bemaͤchtigen, was die Unfaͤlle der Seereiſen ihrem Strande zufuͤhrten, und die oben angefuͤhrte Rechtsregel ohne Einſchraͤnkung zu uͤben, auch wann der mit ſeinem Schiff und Guͤtern gereiſete Eigner zugegen war, und deſſen Eigentuhm als keineswegs verlaſſen angeſehen werden konnte. Doch war es in jenen Zeiten der Barbarei nicht Fuͤrſtenrecht, ſon- dern aus Raub- und Gewinnſucht entſtandene Sitte unſerer Vorfahren, inſonderheit der Frieſen, eines kuͤhnen, freien und faſt keine Oberherren kennenden Volks. Als Sitte erhielt es ſich bis in die Zeiten, da dieſe Strandbewohner Oberherren bekamen, welche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0119" n="111"/><fw place="top" type="header">Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte.</fw><lb/> Landesherrn gefolgert werden koͤnnte, von den an<lb/> ſeinem Strande verungluͤkkenden Schiffen und Guͤ-<lb/> tern, wenn ſie durch ſeine hoch genug belohnten Un-<lb/> tertahnen ganz oder zum Teil, mehr oder minder<lb/> beſchaͤdigt gerettet worden ſind, einen Anteil ſich an-<lb/> zumaſſen, oder ein ſo genanntes Strandrecht zu uͤben.<lb/> Allein in den Sitten der Vorzeit war Raubſucht, in-<lb/> ſonderheit gegen den Auslaͤnder, auch auf feſtem Lan-<lb/> de, kein Laſter, und mehrerer Entſchuldigung faͤhig,<lb/> wenn dieſelbe an einem ſolchen Eigentuhm des Frem-<lb/> den geuͤbt ward, das ihm die Natur ſchon gewiſſer-<lb/> maſſen entriſſen hatte. Es war alſo kein Wunder,<lb/> wenn von allen Anwohnern der Nordiſchen Meere<lb/> ein Recht angenommen ward, ſich, ohne Erbarmung<lb/> uͤber das Ungluͤk und den Verluſt des Beſizers, alles<lb/> deſſen zu bemaͤchtigen, was die Unfaͤlle der Seereiſen<lb/> ihrem Strande zufuͤhrten, und die oben angefuͤhrte<lb/> Rechtsregel ohne Einſchraͤnkung zu uͤben, auch wann<lb/> der mit ſeinem Schiff und Guͤtern gereiſete Eigner<lb/> zugegen war, und deſſen Eigentuhm als keineswegs<lb/> verlaſſen angeſehen werden konnte. Doch war es<lb/> in jenen Zeiten der Barbarei nicht Fuͤrſtenrecht, ſon-<lb/> dern aus Raub- und Gewinnſucht entſtandene Sitte<lb/> unſerer Vorfahren, inſonderheit der Frieſen, eines<lb/> kuͤhnen, freien und faſt keine Oberherren kennenden<lb/> Volks. Als Sitte erhielt es ſich bis in die Zeiten,<lb/> da dieſe Strandbewohner Oberherren bekamen, welche<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0119]
Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte.
Landesherrn gefolgert werden koͤnnte, von den an
ſeinem Strande verungluͤkkenden Schiffen und Guͤ-
tern, wenn ſie durch ſeine hoch genug belohnten Un-
tertahnen ganz oder zum Teil, mehr oder minder
beſchaͤdigt gerettet worden ſind, einen Anteil ſich an-
zumaſſen, oder ein ſo genanntes Strandrecht zu uͤben.
Allein in den Sitten der Vorzeit war Raubſucht, in-
ſonderheit gegen den Auslaͤnder, auch auf feſtem Lan-
de, kein Laſter, und mehrerer Entſchuldigung faͤhig,
wenn dieſelbe an einem ſolchen Eigentuhm des Frem-
den geuͤbt ward, das ihm die Natur ſchon gewiſſer-
maſſen entriſſen hatte. Es war alſo kein Wunder,
wenn von allen Anwohnern der Nordiſchen Meere
ein Recht angenommen ward, ſich, ohne Erbarmung
uͤber das Ungluͤk und den Verluſt des Beſizers, alles
deſſen zu bemaͤchtigen, was die Unfaͤlle der Seereiſen
ihrem Strande zufuͤhrten, und die oben angefuͤhrte
Rechtsregel ohne Einſchraͤnkung zu uͤben, auch wann
der mit ſeinem Schiff und Guͤtern gereiſete Eigner
zugegen war, und deſſen Eigentuhm als keineswegs
verlaſſen angeſehen werden konnte. Doch war es
in jenen Zeiten der Barbarei nicht Fuͤrſtenrecht, ſon-
dern aus Raub- und Gewinnſucht entſtandene Sitte
unſerer Vorfahren, inſonderheit der Frieſen, eines
kuͤhnen, freien und faſt keine Oberherren kennenden
Volks. Als Sitte erhielt es ſich bis in die Zeiten,
da dieſe Strandbewohner Oberherren bekamen, welche
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