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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Der Affect in der biblischen Geschichte.
pflegt. Eine Anbetung der Hirten von Sassoferrato (Mus. vona
Neapel) giebt gerade das Gemüthliche, das vorzugsweise sein Element
ist; im Jahrhundert des Pathos eine vereinzelte Erscheinung. -- Von
den Geschichten der heil. Anverwandten werden jetzt vorzugsweise
nur die pathetischen, besonders die Sterbebetten behandelt: der Tod
der heil. Anna (von Sacchi, in S. Carlo ai catinari zu Rom, Altarb
links), der Tod des heil. Josephs (von Lotti, in der Annunziata zuc
Florenz, Cap. Feroni, die zweite links; -- von Franceschini, in Corpusd
Domini zu Bologna, erste Cap. links). Caravaggio dagegen, der
oft mit Absicht das Heilige alltäglich darstellte, malt (in einem Bildee
des Pal. Spada zu Rom) zwei hässliche Nätherinnen, womit die Er-
ziehung der Jungfrau durch S. Anna gemeint ist. -- Bei den Kindbetten
(Lod. Caracci: Geburt des Johannes, Pinac. von Bologna, spätes reso-f
lutes Hauptbild) mochte man, wenn auch unbewusst, den Nachtheil em-
pfinden, in welchem man sich z. B. gegen die Zeit eines Ghirlandajo be-
fand; damals war die Grundauffassung ideal, das Einzelne individuell,
jetzt die Grundauffassung prosaisch, die Einzelform allgemein. -- (Be-
sonders einflussreich müssen die nur unscheinbaren Bilder des Ago-g
stino und Lodovico in S. Bartolommeo di Reno zu Bologna, 1. Cap. l.,
Anbetung der Hirten, Beschneidung und Darstellung, gewesen sein.) --
Unter den Jugendgeschichten Christi, die nunmehr in senti-
mentaler Absicht bedeutend ausgesponnen wurden, behauptet die Ruhe
auf der Flucht immer den ersten Rang, und hier giebt Coreggio's Ma-
donna della scodella (S. 954, c) wesentlich den Ton an. Eine schöne
kleine Skizze des Annibale im Pal. Pitti zeigt diess z. B. deutlich;h
auch das betreffende unter Bonone's trefflichen Frescobildern imi
Chor von S. Maria in Vado zu Ferrara. U. a. m. Noch einmal
trifft Caravaggio den wahren idyllischen Inhalt, wenn auch in sei-
ner barocken Art. (Bild im Pal. Doria zu Rom: Mutter und Kindk
schlummern, ein Engel spielt Violin und Joseph hält das Notenblatt.
Er hat auch eine "Entwöhnung des Bambino" in seiner derbsten Artl
dargestellt; Pal. Corsini.) Bei den Meisten aber wird die Scene zu
einer grossen Engelcour im Walde; so schon in dem oben (S. 1008 n,)m
erwähnten Prachtbilde des Rutilio Manetti; vollends aber ist es
ergötzlich zu sehen, was ein später Neapolitaner daraus gemacht hat.
(Bild des Giac. del Po, im rechten Querschiff von S. Teresa zu Nea-n

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Der Affect in der biblischen Geschichte.
pflegt. Eine Anbetung der Hirten von Sassoferrato (Mus. vona
Neapel) giebt gerade das Gemüthliche, das vorzugsweise sein Element
ist; im Jahrhundert des Pathos eine vereinzelte Erscheinung. — Von
den Geschichten der heil. Anverwandten werden jetzt vorzugsweise
nur die pathetischen, besonders die Sterbebetten behandelt: der Tod
der heil. Anna (von Sacchi, in S. Carlo ai catinari zu Rom, Altarb
links), der Tod des heil. Josephs (von Lotti, in der Annunziata zuc
Florenz, Cap. Feroni, die zweite links; — von Franceschini, in Corpusd
Domini zu Bologna, erste Cap. links). Caravaggio dagegen, der
oft mit Absicht das Heilige alltäglich darstellte, malt (in einem Bildee
des Pal. Spada zu Rom) zwei hässliche Nätherinnen, womit die Er-
ziehung der Jungfrau durch S. Anna gemeint ist. — Bei den Kindbetten
(Lod. Caracci: Geburt des Johannes, Pinac. von Bologna, spätes reso-f
lutes Hauptbild) mochte man, wenn auch unbewusst, den Nachtheil em-
pfinden, in welchem man sich z. B. gegen die Zeit eines Ghirlandajo be-
fand; damals war die Grundauffassung ideal, das Einzelne individuell,
jetzt die Grundauffassung prosaisch, die Einzelform allgemein. — (Be-
sonders einflussreich müssen die nur unscheinbaren Bilder des Ago-g
stino und Lodovico in S. Bartolommeo di Reno zu Bologna, 1. Cap. l.,
Anbetung der Hirten, Beschneidung und Darstellung, gewesen sein.) —
Unter den Jugendgeschichten Christi, die nunmehr in senti-
mentaler Absicht bedeutend ausgesponnen wurden, behauptet die Ruhe
auf der Flucht immer den ersten Rang, und hier giebt Coreggio’s Ma-
donna della scodella (S. 954, c) wesentlich den Ton an. Eine schöne
kleine Skizze des Annibale im Pal. Pitti zeigt diess z. B. deutlich;h
auch das betreffende unter Bonone’s trefflichen Frescobildern imi
Chor von S. Maria in Vado zu Ferrara. U. a. m. Noch einmal
trifft Caravaggio den wahren idyllischen Inhalt, wenn auch in sei-
ner barocken Art. (Bild im Pal. Doria zu Rom: Mutter und Kindk
schlummern, ein Engel spielt Violin und Joseph hält das Notenblatt.
Er hat auch eine „Entwöhnung des Bambino“ in seiner derbsten Artl
dargestellt; Pal. Corsini.) Bei den Meisten aber wird die Scene zu
einer grossen Engelcour im Walde; so schon in dem oben (S. 1008 n,)m
erwähnten Prachtbilde des Rutilio Manetti; vollends aber ist es
ergötzlich zu sehen, was ein später Neapolitaner daraus gemacht hat.
(Bild des Giac. del Po, im rechten Querschiff von S. Teresa zu Nea-n

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[1027/1049] Der Affect in der biblischen Geschichte. pflegt. Eine Anbetung der Hirten von Sassoferrato (Mus. von Neapel) giebt gerade das Gemüthliche, das vorzugsweise sein Element ist; im Jahrhundert des Pathos eine vereinzelte Erscheinung. — Von den Geschichten der heil. Anverwandten werden jetzt vorzugsweise nur die pathetischen, besonders die Sterbebetten behandelt: der Tod der heil. Anna (von Sacchi, in S. Carlo ai catinari zu Rom, Altar links), der Tod des heil. Josephs (von Lotti, in der Annunziata zu Florenz, Cap. Feroni, die zweite links; — von Franceschini, in Corpus Domini zu Bologna, erste Cap. links). Caravaggio dagegen, der oft mit Absicht das Heilige alltäglich darstellte, malt (in einem Bilde des Pal. Spada zu Rom) zwei hässliche Nätherinnen, womit die Er- ziehung der Jungfrau durch S. Anna gemeint ist. — Bei den Kindbetten (Lod. Caracci: Geburt des Johannes, Pinac. von Bologna, spätes reso- lutes Hauptbild) mochte man, wenn auch unbewusst, den Nachtheil em- pfinden, in welchem man sich z. B. gegen die Zeit eines Ghirlandajo be- fand; damals war die Grundauffassung ideal, das Einzelne individuell, jetzt die Grundauffassung prosaisch, die Einzelform allgemein. — (Be- sonders einflussreich müssen die nur unscheinbaren Bilder des Ago- stino und Lodovico in S. Bartolommeo di Reno zu Bologna, 1. Cap. l., Anbetung der Hirten, Beschneidung und Darstellung, gewesen sein.) — Unter den Jugendgeschichten Christi, die nunmehr in senti- mentaler Absicht bedeutend ausgesponnen wurden, behauptet die Ruhe auf der Flucht immer den ersten Rang, und hier giebt Coreggio’s Ma- donna della scodella (S. 954, c) wesentlich den Ton an. Eine schöne kleine Skizze des Annibale im Pal. Pitti zeigt diess z. B. deutlich; auch das betreffende unter Bonone’s trefflichen Frescobildern im Chor von S. Maria in Vado zu Ferrara. U. a. m. Noch einmal trifft Caravaggio den wahren idyllischen Inhalt, wenn auch in sei- ner barocken Art. (Bild im Pal. Doria zu Rom: Mutter und Kind schlummern, ein Engel spielt Violin und Joseph hält das Notenblatt. Er hat auch eine „Entwöhnung des Bambino“ in seiner derbsten Art dargestellt; Pal. Corsini.) Bei den Meisten aber wird die Scene zu einer grossen Engelcour im Walde; so schon in dem oben (S. 1008 n,) erwähnten Prachtbilde des Rutilio Manetti; vollends aber ist es ergötzlich zu sehen, was ein später Neapolitaner daraus gemacht hat. (Bild des Giac. del Po, im rechten Querschiff von S. Teresa zu Nea- a b c d e f g h i k l m n 65*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1027. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1049>, abgerufen am 05.12.2024.