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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Moderne Malerei.
haben; unter den weiblichen Charakteren und Engeln macht sich hier
das nette, soubrettenhafte Köpfchen mit dem rothen Näschen, welches
dem D. eigen ist, ganz besonders geltend. -- Solche Beispiele mussten
aschon in Bologna selbst Nachfolge finden. Von Canuti, einem sehr
tüchtigen Schüler Guido's, ist in S. Cristina (4. Alt. r.) die Misshand-
lung der Heiligen durch ihren Vater -- man sehe wie -- gemalt. Auch
Maratta, sonst Guido's treuer Verehrer, holt sich in solchen Fällen
doch lieber seine Inspiration aus Domenichino's S. Sebastian (Marter
bdes heil. Blasius in S. M. di Carignano zu Genua, 1. Alt. r.). --
Guercin ist in Martyrien erträglicher als man erwarten sollte. (Gal.
cvon Modena: Marter des heil. Petrus, Hauptbild; -- Dom von Fer-
drara, Querschiff rechts: Marter des heil. Laurentius, sehr der Restau-
ration würdig.) -- Von dem Florentiner Cigoli sieht man in den
eUffizien eine mit grosser Virtuosität gemalte Marter des heil. Ste-
phanus, der bereits mit Steinen geworfen und mit Fusstritten miss-
handelt wird, in Gegenwart pharisäisch ruhiger Zuschauer. -- Carlo
fDolci's heil. Apollonia (Pal. Corsini in Rom) begnügt sich damit,
uns die Zange mit einem der ausgerissenen Zähne auf das Niedlichste
zu präsentiren.

Wahrhaft abscheulich sind in solchen Fällen die eigentlichen Na-
turalisten. Caravaggio selber zeigt uns in einem einzigen Kopfe
schon die ganze falsche Rechnung des Naturalismus; es ist seine Me-
gdusa in den Uffizien gemeint. Stets begierig nach einem Ausdruck
des Augenblickes und schon desshalb gleichgültig gegen den tiefern
immanenten Ausdruck (den er in der Grablegung gar wohl erreicht),
malt er einen weiblichen Kopf im Moment der Enthauptung; könnte
derselbe aber z. B. beim Ausreissen eines Zahnes nicht eben so aus-
sehen? -- Nothwendiger Weise erregt das Grässliche, wie diese
Schule es auffasst, mehr Ekel als tiefes Bangen.

Er selber sucht in einem seiner bestgemalten Bilder, dem Be-
hgräbniss des heil. Stephanus (bei Camuccini in Rom) durch natur-
wahre Darstellung des unterlaufenen Blutes Grauen zu erregen; seine
iMarter des heil. Matthäus (S. Luigi in Rom, letzte Cap. 1.) wirkt
durch die Zuthaten fast lächerlich. Sein Schüler Valentin hat zu
viel Geist, um ihm auf diesen Bahnen zu folgen; in seiner Enthaup-
ktung des Täufers (Pal. Sciarra zu Rom) tritt ein physiognomisches

Moderne Malerei.
haben; unter den weiblichen Charakteren und Engeln macht sich hier
das nette, soubrettenhafte Köpfchen mit dem rothen Näschen, welches
dem D. eigen ist, ganz besonders geltend. — Solche Beispiele mussten
aschon in Bologna selbst Nachfolge finden. Von Canuti, einem sehr
tüchtigen Schüler Guido’s, ist in S. Cristina (4. Alt. r.) die Misshand-
lung der Heiligen durch ihren Vater — man sehe wie — gemalt. Auch
Maratta, sonst Guido’s treuer Verehrer, holt sich in solchen Fällen
doch lieber seine Inspiration aus Domenichino’s S. Sebastian (Marter
bdes heil. Blasius in S. M. di Carignano zu Genua, 1. Alt. r.). —
Guercin ist in Martyrien erträglicher als man erwarten sollte. (Gal.
cvon Modena: Marter des heil. Petrus, Hauptbild; — Dom von Fer-
drara, Querschiff rechts: Marter des heil. Laurentius, sehr der Restau-
ration würdig.) — Von dem Florentiner Cigoli sieht man in den
eUffizien eine mit grosser Virtuosität gemalte Marter des heil. Ste-
phanus, der bereits mit Steinen geworfen und mit Fusstritten miss-
handelt wird, in Gegenwart pharisäisch ruhiger Zuschauer. — Carlo
fDolci’s heil. Apollonia (Pal. Corsini in Rom) begnügt sich damit,
uns die Zange mit einem der ausgerissenen Zähne auf das Niedlichste
zu präsentiren.

Wahrhaft abscheulich sind in solchen Fällen die eigentlichen Na-
turalisten. Caravaggio selber zeigt uns in einem einzigen Kopfe
schon die ganze falsche Rechnung des Naturalismus; es ist seine Me-
gdusa in den Uffizien gemeint. Stets begierig nach einem Ausdruck
des Augenblickes und schon desshalb gleichgültig gegen den tiefern
immanenten Ausdruck (den er in der Grablegung gar wohl erreicht),
malt er einen weiblichen Kopf im Moment der Enthauptung; könnte
derselbe aber z. B. beim Ausreissen eines Zahnes nicht eben so aus-
sehen? — Nothwendiger Weise erregt das Grässliche, wie diese
Schule es auffasst, mehr Ekel als tiefes Bangen.

Er selber sucht in einem seiner bestgemalten Bilder, dem Be-
hgräbniss des heil. Stephanus (bei Camuccini in Rom) durch natur-
wahre Darstellung des unterlaufenen Blutes Grauen zu erregen; seine
iMarter des heil. Matthäus (S. Luigi in Rom, letzte Cap. 1.) wirkt
durch die Zuthaten fast lächerlich. Sein Schüler Valentin hat zu
viel Geist, um ihm auf diesen Bahnen zu folgen; in seiner Enthaup-
ktung des Täufers (Pal. Sciarra zu Rom) tritt ein physiognomisches

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[1032/1054] Moderne Malerei. haben; unter den weiblichen Charakteren und Engeln macht sich hier das nette, soubrettenhafte Köpfchen mit dem rothen Näschen, welches dem D. eigen ist, ganz besonders geltend. — Solche Beispiele mussten schon in Bologna selbst Nachfolge finden. Von Canuti, einem sehr tüchtigen Schüler Guido’s, ist in S. Cristina (4. Alt. r.) die Misshand- lung der Heiligen durch ihren Vater — man sehe wie — gemalt. Auch Maratta, sonst Guido’s treuer Verehrer, holt sich in solchen Fällen doch lieber seine Inspiration aus Domenichino’s S. Sebastian (Marter des heil. Blasius in S. M. di Carignano zu Genua, 1. Alt. r.). — Guercin ist in Martyrien erträglicher als man erwarten sollte. (Gal. von Modena: Marter des heil. Petrus, Hauptbild; — Dom von Fer- rara, Querschiff rechts: Marter des heil. Laurentius, sehr der Restau- ration würdig.) — Von dem Florentiner Cigoli sieht man in den Uffizien eine mit grosser Virtuosität gemalte Marter des heil. Ste- phanus, der bereits mit Steinen geworfen und mit Fusstritten miss- handelt wird, in Gegenwart pharisäisch ruhiger Zuschauer. — Carlo Dolci’s heil. Apollonia (Pal. Corsini in Rom) begnügt sich damit, uns die Zange mit einem der ausgerissenen Zähne auf das Niedlichste zu präsentiren. a b c d e f Wahrhaft abscheulich sind in solchen Fällen die eigentlichen Na- turalisten. Caravaggio selber zeigt uns in einem einzigen Kopfe schon die ganze falsche Rechnung des Naturalismus; es ist seine Me- dusa in den Uffizien gemeint. Stets begierig nach einem Ausdruck des Augenblickes und schon desshalb gleichgültig gegen den tiefern immanenten Ausdruck (den er in der Grablegung gar wohl erreicht), malt er einen weiblichen Kopf im Moment der Enthauptung; könnte derselbe aber z. B. beim Ausreissen eines Zahnes nicht eben so aus- sehen? — Nothwendiger Weise erregt das Grässliche, wie diese Schule es auffasst, mehr Ekel als tiefes Bangen. g Er selber sucht in einem seiner bestgemalten Bilder, dem Be- gräbniss des heil. Stephanus (bei Camuccini in Rom) durch natur- wahre Darstellung des unterlaufenen Blutes Grauen zu erregen; seine Marter des heil. Matthäus (S. Luigi in Rom, letzte Cap. 1.) wirkt durch die Zuthaten fast lächerlich. Sein Schüler Valentin hat zu viel Geist, um ihm auf diesen Bahnen zu folgen; in seiner Enthaup- tung des Täufers (Pal. Sciarra zu Rom) tritt ein physiognomisches h i k

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1032. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1054>, abgerufen am 05.12.2024.