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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Marterbilder. Das Ceremoniöse.
Interesse an die Stelle des Grässlichen. (Dieselbe Scene, das beste
Bild des Honthorst in S. M. della scala zu Rom, rechts, lässt docha
ziemlich gleichgültig.) Andere dagegen malen so crud als möglich.
Sujets wie der Mord Abels (von Spada, im Museum von Neapel),b
das Opfer Isaaks (von Honthorst, im Pal. Sciarra zu Rom) werdenc
jetzt ganz henkermässig behandelt, vorzüglich aber die Heldenthat der
Judith, wofür eine gewisse Artemisia Gentileschi eine Art Pri-
vilegium besass. (Uffizien; Pal. Pitti; Pal. Sciarra); auch der Cavalierd
Calabrese leistete das Mögliche (Mus. von Neapel). Andere, le-e
gendarische Marterscenen übergehen wir. Durch einen sonderbaren
Zufall war gerade die erste grosse römische Bestellung, welche Nic.
Poussin
erhielt, die Marter des heil. Erasmus, welchem dief
Därme aus dem Leib gewunden werden. (Für S. Peter gemalt, jetzt
in der Gal. d. Vaticans.) Er brachte ein Werk zu Stande, welches in
Betreff des Kunstgehaltes zu den trefflichsten des Jahrhunderts gehört.
(Kleine eigenhändige Wiederholung im Pal. Sciarra.)g


Während nun um der vermeintlich ergreifenden Wirklichkeit willen
nach dieser Seite hin alle Schranken übersprungen werden, zeigen
sich dieselben Maler (die ja zum Theil Cavaliere hiessen!) bemüht, in
heilige Vorgänge den guten Ton und die bemessenen Formen der da-
maligen Gesellschaft hineinzubringen. (Vgl. Parmegianino S. 969, c, d.)
Namentlich werden jetzt die Engel dazu erzogen, eine noble Diener-
schaft vorzustellen, den Hof der heiligen Personen zu bilden. Im
Refectorium der Badia bei Fiesole wird man nicht ohne Heiterkeith
betrachten, wie Christus nach der Versuchung von den Engeln bedient
wird; doch sieht dergleichen bei Giov. da S. Giovanni, der das
Fresco malte, immer naiv aus. Schon viel wohlerzogener sind die
Engel in der grossen Taufe Christi von Albani (Pinac. v. Bologna);i
man erinnert sich bei ihrer Dienstfertigkeit unwillkürlich, wie auf mit-
telalterlichen Bildern die kleiderhaltenden Engel noch Zeit und Stim-
mung zur Anbetung übrig haben. Putten als Lakaien ausserhalb der
Scene wartend sieht man auf einer "Vermählung der heil. Catharina"k
von Tiarini (ebenda); ausser der genannten Heiligen wohnen auch
S. Margaretha und S. Barbara der Ceremonie bei; der gute Joseph

Marterbilder. Das Ceremoniöse.
Interesse an die Stelle des Grässlichen. (Dieselbe Scene, das beste
Bild des Honthorst in S. M. della scala zu Rom, rechts, lässt docha
ziemlich gleichgültig.) Andere dagegen malen so crud als möglich.
Sujets wie der Mord Abels (von Spada, im Museum von Neapel),b
das Opfer Isaaks (von Honthorst, im Pal. Sciarra zu Rom) werdenc
jetzt ganz henkermässig behandelt, vorzüglich aber die Heldenthat der
Judith, wofür eine gewisse Artemisia Gentileschi eine Art Pri-
vilegium besass. (Uffizien; Pal. Pitti; Pal. Sciarra); auch der Cavalierd
Calabrese leistete das Mögliche (Mus. von Neapel). Andere, le-e
gendarische Marterscenen übergehen wir. Durch einen sonderbaren
Zufall war gerade die erste grosse römische Bestellung, welche Nic.
Poussin
erhielt, die Marter des heil. Erasmus, welchem dief
Därme aus dem Leib gewunden werden. (Für S. Peter gemalt, jetzt
in der Gal. d. Vaticans.) Er brachte ein Werk zu Stande, welches in
Betreff des Kunstgehaltes zu den trefflichsten des Jahrhunderts gehört.
(Kleine eigenhändige Wiederholung im Pal. Sciarra.)g


Während nun um der vermeintlich ergreifenden Wirklichkeit willen
nach dieser Seite hin alle Schranken übersprungen werden, zeigen
sich dieselben Maler (die ja zum Theil Cavaliere hiessen!) bemüht, in
heilige Vorgänge den guten Ton und die bemessenen Formen der da-
maligen Gesellschaft hineinzubringen. (Vgl. Parmegianino S. 969, c, d.)
Namentlich werden jetzt die Engel dazu erzogen, eine noble Diener-
schaft vorzustellen, den Hof der heiligen Personen zu bilden. Im
Refectorium der Badia bei Fiesole wird man nicht ohne Heiterkeith
betrachten, wie Christus nach der Versuchung von den Engeln bedient
wird; doch sieht dergleichen bei Giov. da S. Giovanni, der das
Fresco malte, immer naiv aus. Schon viel wohlerzogener sind die
Engel in der grossen Taufe Christi von Albani (Pinac. v. Bologna);i
man erinnert sich bei ihrer Dienstfertigkeit unwillkürlich, wie auf mit-
telalterlichen Bildern die kleiderhaltenden Engel noch Zeit und Stim-
mung zur Anbetung übrig haben. Putten als Lakaien ausserhalb der
Scene wartend sieht man auf einer „Vermählung der heil. Catharina“k
von Tiarini (ebenda); ausser der genannten Heiligen wohnen auch
S. Margaretha und S. Barbara der Ceremonie bei; der gute Joseph

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[1033/1055] Marterbilder. Das Ceremoniöse. Interesse an die Stelle des Grässlichen. (Dieselbe Scene, das beste Bild des Honthorst in S. M. della scala zu Rom, rechts, lässt doch ziemlich gleichgültig.) Andere dagegen malen so crud als möglich. Sujets wie der Mord Abels (von Spada, im Museum von Neapel), das Opfer Isaaks (von Honthorst, im Pal. Sciarra zu Rom) werden jetzt ganz henkermässig behandelt, vorzüglich aber die Heldenthat der Judith, wofür eine gewisse Artemisia Gentileschi eine Art Pri- vilegium besass. (Uffizien; Pal. Pitti; Pal. Sciarra); auch der Cavalier Calabrese leistete das Mögliche (Mus. von Neapel). Andere, le- gendarische Marterscenen übergehen wir. Durch einen sonderbaren Zufall war gerade die erste grosse römische Bestellung, welche Nic. Poussin erhielt, die Marter des heil. Erasmus, welchem die Därme aus dem Leib gewunden werden. (Für S. Peter gemalt, jetzt in der Gal. d. Vaticans.) Er brachte ein Werk zu Stande, welches in Betreff des Kunstgehaltes zu den trefflichsten des Jahrhunderts gehört. (Kleine eigenhändige Wiederholung im Pal. Sciarra.) a b c d e f g Während nun um der vermeintlich ergreifenden Wirklichkeit willen nach dieser Seite hin alle Schranken übersprungen werden, zeigen sich dieselben Maler (die ja zum Theil Cavaliere hiessen!) bemüht, in heilige Vorgänge den guten Ton und die bemessenen Formen der da- maligen Gesellschaft hineinzubringen. (Vgl. Parmegianino S. 969, c, d.) Namentlich werden jetzt die Engel dazu erzogen, eine noble Diener- schaft vorzustellen, den Hof der heiligen Personen zu bilden. Im Refectorium der Badia bei Fiesole wird man nicht ohne Heiterkeit betrachten, wie Christus nach der Versuchung von den Engeln bedient wird; doch sieht dergleichen bei Giov. da S. Giovanni, der das Fresco malte, immer naiv aus. Schon viel wohlerzogener sind die Engel in der grossen Taufe Christi von Albani (Pinac. v. Bologna); man erinnert sich bei ihrer Dienstfertigkeit unwillkürlich, wie auf mit- telalterlichen Bildern die kleiderhaltenden Engel noch Zeit und Stim- mung zur Anbetung übrig haben. Putten als Lakaien ausserhalb der Scene wartend sieht man auf einer „Vermählung der heil. Catharina“ von Tiarini (ebenda); ausser der genannten Heiligen wohnen auch S. Margaretha und S. Barbara der Ceremonie bei; der gute Joseph h i k

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1033. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1055>, abgerufen am 05.12.2024.