schwatzt inzwischen draussen im Vordergrunde mit den drei kleinen Dienstboten, welche das Rad der Catharina, den Drachen der Mar- garetha und das Thürmchen der Barbara zu hüten haben. -- Ein ge- wisses Ceremoniell war schon in den venezianischen Empfehlungs- bildern (S. 992) üblich. Jetzt kommen aber Dinge vor, wie z. B. ein aCondolenzbesuch sämmtlicher Apostel bei der trauernden Madonna; Petrus als Wortführer kniet und wischt sich mit dem Schnupftuch die Thränen ab (gemalt v. Lod. Caracci als Deckenbild der Sa- cristei von S. Pietro zu Bologna). Oder S. Dominicus stellt den heil. bFranz dem heil. Carmeliter Thomas vor, wobei ganz die höfliche Neu- gier herrscht die in solchen Fällen am Platze ist (Lod. Caracci, in der Pinac.). Wie ganz anders giebt das XV. Jahrh. ein solches Zusammentreffen von Heiligen! (S. 591, b.) In Aless. Allori's Krö- cnung Mariä (agli Angeli, Camaldulenser, in Florenz, Hochaltar) küsst Maria dem Sohne ganz ergeben die rechte Hand. -- Auch S. Antonius von Padua bekömmt das Kind gar nicht immer auf die Arme, son- ddern es wird ihm nur zum Handkuss hingereicht (Bild des Lod. Caracci, Pinac. v. Bologna).
Wir wenden uns nun zu denjenigen Bildern, in welchen der Seelenausdruck vor dem erzählenden Element den Vorrang hat, um dann zur Behandlungsweise des Überirdischen überzugehen.
Der Ausdruck sehnsüchtiger Inbrunst, ekstatischer Andacht, des Verlorenseins in Wonne und Hingebung war von den grossen Mei- stern der goldenen Zeit auf wenige, seltene Gelegenheiten verspart worden. Zwar macht bereits Perugino recht eigentlich Geschäfte da- mit, allein Rafael malte nur Einen Christus wie der in der Trans- figuration, nur Eine heil. Cäcilia; Tizian nur Eine Assunta wie die in der Academie von Venedig. Jetzt dagegen wird dieser Ausdruck ein Hauptbestandtheil desjenigen Affectes, ohne welchen die Malerei überhaupt nicht mehr glaubt bestehen zu können.
Zu einer endlosen Masse vermehren sich nunmehr jene einzelnen Halbfiguren, welche von den frühern Schulen in verschiedener Absicht, z. B. in Venedig als schöne Daseinsbilder waren gemalt wor- den. Jetzt liegt ihr Hauptwerth darin, dass man jenen gesteigerten
Moderne Malerei.
schwatzt inzwischen draussen im Vordergrunde mit den drei kleinen Dienstboten, welche das Rad der Catharina, den Drachen der Mar- garetha und das Thürmchen der Barbara zu hüten haben. — Ein ge- wisses Ceremoniell war schon in den venezianischen Empfehlungs- bildern (S. 992) üblich. Jetzt kommen aber Dinge vor, wie z. B. ein aCondolenzbesuch sämmtlicher Apostel bei der trauernden Madonna; Petrus als Wortführer kniet und wischt sich mit dem Schnupftuch die Thränen ab (gemalt v. Lod. Caracci als Deckenbild der Sa- cristei von S. Pietro zu Bologna). Oder S. Dominicus stellt den heil. bFranz dem heil. Carmeliter Thomas vor, wobei ganz die höfliche Neu- gier herrscht die in solchen Fällen am Platze ist (Lod. Caracci, in der Pinac.). Wie ganz anders giebt das XV. Jahrh. ein solches Zusammentreffen von Heiligen! (S. 591, b.) In Aless. Allori’s Krö- cnung Mariä (agli Angeli, Camaldulenser, in Florenz, Hochaltar) küsst Maria dem Sohne ganz ergeben die rechte Hand. — Auch S. Antonius von Padua bekömmt das Kind gar nicht immer auf die Arme, son- ddern es wird ihm nur zum Handkuss hingereicht (Bild des Lod. Caracci, Pinac. v. Bologna).
Wir wenden uns nun zu denjenigen Bildern, in welchen der Seelenausdruck vor dem erzählenden Element den Vorrang hat, um dann zur Behandlungsweise des Überirdischen überzugehen.
Der Ausdruck sehnsüchtiger Inbrunst, ekstatischer Andacht, des Verlorenseins in Wonne und Hingebung war von den grossen Mei- stern der goldenen Zeit auf wenige, seltene Gelegenheiten verspart worden. Zwar macht bereits Perugino recht eigentlich Geschäfte da- mit, allein Rafael malte nur Einen Christus wie der in der Trans- figuration, nur Eine heil. Cäcilia; Tizian nur Eine Assunta wie die in der Academie von Venedig. Jetzt dagegen wird dieser Ausdruck ein Hauptbestandtheil desjenigen Affectes, ohne welchen die Malerei überhaupt nicht mehr glaubt bestehen zu können.
Zu einer endlosen Masse vermehren sich nunmehr jene einzelnen Halbfiguren, welche von den frühern Schulen in verschiedener Absicht, z. B. in Venedig als schöne Daseinsbilder waren gemalt wor- den. Jetzt liegt ihr Hauptwerth darin, dass man jenen gesteigerten
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Moderne Malerei.
schwatzt inzwischen draussen im Vordergrunde mit den drei kleinen
Dienstboten, welche das Rad der Catharina, den Drachen der Mar-
garetha und das Thürmchen der Barbara zu hüten haben. — Ein ge-
wisses Ceremoniell war schon in den venezianischen Empfehlungs-
bildern (S. 992) üblich. Jetzt kommen aber Dinge vor, wie z. B. ein
Condolenzbesuch sämmtlicher Apostel bei der trauernden Madonna;
Petrus als Wortführer kniet und wischt sich mit dem Schnupftuch
die Thränen ab (gemalt v. Lod. Caracci als Deckenbild der Sa-
cristei von S. Pietro zu Bologna). Oder S. Dominicus stellt den heil.
Franz dem heil. Carmeliter Thomas vor, wobei ganz die höfliche Neu-
gier herrscht die in solchen Fällen am Platze ist (Lod. Caracci,
in der Pinac.). Wie ganz anders giebt das XV. Jahrh. ein solches
Zusammentreffen von Heiligen! (S. 591, b.) In Aless. Allori’s Krö-
nung Mariä (agli Angeli, Camaldulenser, in Florenz, Hochaltar) küsst
Maria dem Sohne ganz ergeben die rechte Hand. — Auch S. Antonius
von Padua bekömmt das Kind gar nicht immer auf die Arme, son-
dern es wird ihm nur zum Handkuss hingereicht (Bild des Lod.
Caracci, Pinac. v. Bologna).
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Wir wenden uns nun zu denjenigen Bildern, in welchen der
Seelenausdruck vor dem erzählenden Element den Vorrang hat,
um dann zur Behandlungsweise des Überirdischen überzugehen.
Der Ausdruck sehnsüchtiger Inbrunst, ekstatischer Andacht, des
Verlorenseins in Wonne und Hingebung war von den grossen Mei-
stern der goldenen Zeit auf wenige, seltene Gelegenheiten verspart
worden. Zwar macht bereits Perugino recht eigentlich Geschäfte da-
mit, allein Rafael malte nur Einen Christus wie der in der Trans-
figuration, nur Eine heil. Cäcilia; Tizian nur Eine Assunta wie die
in der Academie von Venedig. Jetzt dagegen wird dieser Ausdruck
ein Hauptbestandtheil desjenigen Affectes, ohne welchen die Malerei
überhaupt nicht mehr glaubt bestehen zu können.
Zu einer endlosen Masse vermehren sich nunmehr jene einzelnen
Halbfiguren, welche von den frühern Schulen in verschiedener
Absicht, z. B. in Venedig als schöne Daseinsbilder waren gemalt wor-
den. Jetzt liegt ihr Hauptwerth darin, dass man jenen gesteigerten
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1034. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1056>, abgerufen am 05.12.2024.
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