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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Renaissance.
[Abbildung]

Die Ursprünge der modernen Baukunst und Decoration, bei wel-
chen wir dem innern Werthe und den Architekten zu Gefallen etwas
umständlicher verweilen wollen, heissen in der jetzigen Kunstsprache
die Renaissance. Schon die betreffenden Künstler selbst glaubten
an eine mögliche Wiedergeburt der ganzen antiken Architektur und
meinten diesem Ziele wirklich sich zu nähern; in der That aber be-
kleideten sie nur die von ihnen selbst geschaffenen Compositionen mit
den antiken Detailformen. Die römischen Baureste, so grosse Begei-
sterung ihnen im XV. Jahrhundert gewidmet wurde und so viel reich-
licher als jetzt sie auch vorhanden waren, gaben doch für die Lösung
der damaligen Aufgaben zu wenige unbedingte Vorbilder. Für mehr-
stöckige Bauten z. B. war man fast einzig auf die römischen Theater
und auf das damals noch vorhandene Septizonium Severi (am Fuss
des Palatin) angewiesen, welches letztere denn allerdings einen be-
deutenden Einfluss ausübte; für Prachtbekleidung von Mauern fand
man nichts Besseres vor als die Triumphbogen. Von irgend einer
Unterscheidung der Epochen war noch nicht die Rede; man nahm das
Alterthum als Ganzes zum Muster und berief sich auf das Späteste
wie auf das Frühste.

Es wird bisweilen bedauert, dass Brunellesco und Alberti nicht
auf die griechischen Tempel statt auf die Bauten von Rom stiessen;
allein man vergisst dabei, dass sie nicht eine neue Compositionsweise
im Grossen, sondern nur eine neue Ausdrucksweise im Einzelnen von
dem Alterthum verlangten; die Hauptsache brachten sie selbst mit
und zu ihrem Zweck passten gewiss die biegsamen römischen Formen
besser.

Renaissance.
[Abbildung]

Die Ursprünge der modernen Baukunst und Decoration, bei wel-
chen wir dem innern Werthe und den Architekten zu Gefallen etwas
umständlicher verweilen wollen, heissen in der jetzigen Kunstsprache
die Renaissance. Schon die betreffenden Künstler selbst glaubten
an eine mögliche Wiedergeburt der ganzen antiken Architektur und
meinten diesem Ziele wirklich sich zu nähern; in der That aber be-
kleideten sie nur die von ihnen selbst geschaffenen Compositionen mit
den antiken Detailformen. Die römischen Baureste, so grosse Begei-
sterung ihnen im XV. Jahrhundert gewidmet wurde und so viel reich-
licher als jetzt sie auch vorhanden waren, gaben doch für die Lösung
der damaligen Aufgaben zu wenige unbedingte Vorbilder. Für mehr-
stöckige Bauten z. B. war man fast einzig auf die römischen Theater
und auf das damals noch vorhandene Septizonium Severi (am Fuss
des Palatin) angewiesen, welches letztere denn allerdings einen be-
deutenden Einfluss ausübte; für Prachtbekleidung von Mauern fand
man nichts Besseres vor als die Triumphbogen. Von irgend einer
Unterscheidung der Epochen war noch nicht die Rede; man nahm das
Alterthum als Ganzes zum Muster und berief sich auf das Späteste
wie auf das Frühste.

Es wird bisweilen bedauert, dass Brunellesco und Alberti nicht
auf die griechischen Tempel statt auf die Bauten von Rom stiessen;
allein man vergisst dabei, dass sie nicht eine neue Compositionsweise
im Grossen, sondern nur eine neue Ausdrucksweise im Einzelnen von
dem Alterthum verlangten; die Hauptsache brachten sie selbst mit
und zu ihrem Zweck passten gewiss die biegsamen römischen Formen
besser.

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[168/0190] Renaissance. [Abbildung] Die Ursprünge der modernen Baukunst und Decoration, bei wel- chen wir dem innern Werthe und den Architekten zu Gefallen etwas umständlicher verweilen wollen, heissen in der jetzigen Kunstsprache die Renaissance. Schon die betreffenden Künstler selbst glaubten an eine mögliche Wiedergeburt der ganzen antiken Architektur und meinten diesem Ziele wirklich sich zu nähern; in der That aber be- kleideten sie nur die von ihnen selbst geschaffenen Compositionen mit den antiken Detailformen. Die römischen Baureste, so grosse Begei- sterung ihnen im XV. Jahrhundert gewidmet wurde und so viel reich- licher als jetzt sie auch vorhanden waren, gaben doch für die Lösung der damaligen Aufgaben zu wenige unbedingte Vorbilder. Für mehr- stöckige Bauten z. B. war man fast einzig auf die römischen Theater und auf das damals noch vorhandene Septizonium Severi (am Fuss des Palatin) angewiesen, welches letztere denn allerdings einen be- deutenden Einfluss ausübte; für Prachtbekleidung von Mauern fand man nichts Besseres vor als die Triumphbogen. Von irgend einer Unterscheidung der Epochen war noch nicht die Rede; man nahm das Alterthum als Ganzes zum Muster und berief sich auf das Späteste wie auf das Frühste. Es wird bisweilen bedauert, dass Brunellesco und Alberti nicht auf die griechischen Tempel statt auf die Bauten von Rom stiessen; allein man vergisst dabei, dass sie nicht eine neue Compositionsweise im Grossen, sondern nur eine neue Ausdrucksweise im Einzelnen von dem Alterthum verlangten; die Hauptsache brachten sie selbst mit und zu ihrem Zweck passten gewiss die biegsamen römischen Formen besser.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/190>, abgerufen am 04.12.2024.