Zu derselben Zeit nahm auch ein einheimischer Künstler, An- drea Ciccione, der bisher gothisch gebaut (wie u. a. sein Grabmal für König Ladislaus beweist) die neue Bauweise an. Von ihm ein- afache ehemalige Klosterhöfe bei Monte Oliveto und S. Severino b(derjenige mit den Fresken des Zingaro), auch die Kirche Monte- coliveto selbst, unter deren Anbauten sich zwei einfach schöne Ca- pellen (rechts und links vom Portal) 1) und eine Sacristei (links hin- ten) von florentinischem Styl befinden. Das artige viereckige Kirchlein ddes Pontanus, an der Strada de' Tribunali, soll lange nach Ciccione's Tode, erst 1492, nach seiner Zeichnung errichtet sein; über kräftigem Sockel Composita-Pilaster und schlichte Fenster; der Aufsatz un- vollendet, das Innere glatt.
Zaghaft und selbst ungeschickt tritt der florentinische Palastbau emit Rustica auf in dem von 1466 datirten Pal. Colobrano, Strada S. Trinita. (Ehemals Pal. Diomede Carafa, jetzt Wohnung des Mi- nisters Santangelo.) -- Aber noch vor dem Ende des XV. Jahrhun- fderts erbaute der Neapolitaner Gabriele d'Agnolo den Palast Gravina, dessen ehemalige, durch den jetzigen Umbau in ihren letzten Resten bedrohte Anlage von grösster Schönheit war: das Erdge- schoss gewaltige Rustica, das obere Stockwerk glatte Wände mit korin- thischen Pilastern; über den kräftig eingerahmten Fenstern Medaillons mit Büsten, dann das Hauptgesimse. (Das jetzige kaum das ursprüng- liche.) Durch die Vermehrung der Stockwerke und das Herausbrechen neuer Fenster geht der ganze Sinn des Baues verloren. -- Von Gian- francesco Mormandi, um welchen sich Florenz und Neapel gstreiten, ist der Pal. della Rocca, Strada S. Trinita; wenigstens die einfachen untern Stockwerke des Hofes, Bogen auf Pfeilern, mit der mächtigen gewölbten Einfahrt, die schon damals und seither im- mer für das prunkliebende Neapel bezeichnend war. An der Kirche hS. Severino ist von Mormandi's Bau (1490) noch die einfache flo- rentinisch schöne Aussenseite links erhalten. -- Gut erhalten ist aus iderselben Zeit der niedliche Palast Alice, Strada S. Trinita, dessen Urheber ich nicht anzugeben weiss.
1) Vielleicht von Antonio Rosellino, der für die eine derselben die wichtigen Sculpturen schuf. Sie entsprechen so ziemlich der von ihm erbauten Capelle in S. Miniato bei Florenz.
Frührenaissance. Neapel.
Zu derselben Zeit nahm auch ein einheimischer Künstler, An- drea Ciccione, der bisher gothisch gebaut (wie u. a. sein Grabmal für König Ladislaus beweist) die neue Bauweise an. Von ihm ein- afache ehemalige Klosterhöfe bei Monte Oliveto und S. Severino b(derjenige mit den Fresken des Zingaro), auch die Kirche Monte- coliveto selbst, unter deren Anbauten sich zwei einfach schöne Ca- pellen (rechts und links vom Portal) 1) und eine Sacristei (links hin- ten) von florentinischem Styl befinden. Das artige viereckige Kirchlein ddes Pontanus, an der Strada de’ Tribunali, soll lange nach Ciccione’s Tode, erst 1492, nach seiner Zeichnung errichtet sein; über kräftigem Sockel Composita-Pilaster und schlichte Fenster; der Aufsatz un- vollendet, das Innere glatt.
Zaghaft und selbst ungeschickt tritt der florentinische Palastbau emit Rustica auf in dem von 1466 datirten Pal. Colobrano, Strada S. Trinità. (Ehemals Pal. Diomede Carafa, jetzt Wohnung des Mi- nisters Santangelo.) — Aber noch vor dem Ende des XV. Jahrhun- fderts erbaute der Neapolitaner Gabriele d’Agnolo den Palast Gravina, dessen ehemalige, durch den jetzigen Umbau in ihren letzten Resten bedrohte Anlage von grösster Schönheit war: das Erdge- schoss gewaltige Rustica, das obere Stockwerk glatte Wände mit korin- thischen Pilastern; über den kräftig eingerahmten Fenstern Medaillons mit Büsten, dann das Hauptgesimse. (Das jetzige kaum das ursprüng- liche.) Durch die Vermehrung der Stockwerke und das Herausbrechen neuer Fenster geht der ganze Sinn des Baues verloren. — Von Gian- francesco Mormandi, um welchen sich Florenz und Neapel gstreiten, ist der Pal. della Rocca, Strada S. Trinità; wenigstens die einfachen untern Stockwerke des Hofes, Bogen auf Pfeilern, mit der mächtigen gewölbten Einfahrt, die schon damals und seither im- mer für das prunkliebende Neapel bezeichnend war. An der Kirche hS. Severino ist von Mormandi’s Bau (1490) noch die einfache flo- rentinisch schöne Aussenseite links erhalten. — Gut erhalten ist aus iderselben Zeit der niedliche Palast Alice, Strada S. Trinità, dessen Urheber ich nicht anzugeben weiss.
1) Vielleicht von Antonio Rosellino, der für die eine derselben die wichtigen Sculpturen schuf. Sie entsprechen so ziemlich der von ihm erbauten Capelle in S. Miniato bei Florenz.
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Frührenaissance. Neapel.
Zu derselben Zeit nahm auch ein einheimischer Künstler, An-
drea Ciccione, der bisher gothisch gebaut (wie u. a. sein Grabmal
für König Ladislaus beweist) die neue Bauweise an. Von ihm ein-
fache ehemalige Klosterhöfe bei Monte Oliveto und S. Severino
(derjenige mit den Fresken des Zingaro), auch die Kirche Monte-
oliveto selbst, unter deren Anbauten sich zwei einfach schöne Ca-
pellen (rechts und links vom Portal) 1) und eine Sacristei (links hin-
ten) von florentinischem Styl befinden. Das artige viereckige Kirchlein
des Pontanus, an der Strada de’ Tribunali, soll lange nach Ciccione’s
Tode, erst 1492, nach seiner Zeichnung errichtet sein; über kräftigem
Sockel Composita-Pilaster und schlichte Fenster; der Aufsatz un-
vollendet, das Innere glatt.
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Zaghaft und selbst ungeschickt tritt der florentinische Palastbau
mit Rustica auf in dem von 1466 datirten Pal. Colobrano, Strada
S. Trinità. (Ehemals Pal. Diomede Carafa, jetzt Wohnung des Mi-
nisters Santangelo.) — Aber noch vor dem Ende des XV. Jahrhun-
derts erbaute der Neapolitaner Gabriele d’Agnolo den Palast
Gravina, dessen ehemalige, durch den jetzigen Umbau in ihren
letzten Resten bedrohte Anlage von grösster Schönheit war: das Erdge-
schoss gewaltige Rustica, das obere Stockwerk glatte Wände mit korin-
thischen Pilastern; über den kräftig eingerahmten Fenstern Medaillons
mit Büsten, dann das Hauptgesimse. (Das jetzige kaum das ursprüng-
liche.) Durch die Vermehrung der Stockwerke und das Herausbrechen
neuer Fenster geht der ganze Sinn des Baues verloren. — Von Gian-
francesco Mormandi, um welchen sich Florenz und Neapel
streiten, ist der Pal. della Rocca, Strada S. Trinità; wenigstens
die einfachen untern Stockwerke des Hofes, Bogen auf Pfeilern, mit
der mächtigen gewölbten Einfahrt, die schon damals und seither im-
mer für das prunkliebende Neapel bezeichnend war. An der Kirche
S. Severino ist von Mormandi’s Bau (1490) noch die einfache flo-
rentinisch schöne Aussenseite links erhalten. — Gut erhalten ist aus
derselben Zeit der niedliche Palast Alice, Strada S. Trinità, dessen
Urheber ich nicht anzugeben weiss.
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Sculpturen schuf. Sie entsprechen so ziemlich der von ihm erbauten Capelle
in S. Miniato bei Florenz.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/218>, abgerufen am 04.12.2024.
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