tung. In S. Sisto und S. Giovanni kommt das meiste Licht durch die Fenster der untern Capellenreihen, die zu beiden Seiten der Al- täre in den halbrunden Nischen angebracht sind; an der Steccata hat der Meister sogar seine Fenster ohne alle Noth so weit unten als möglich angebracht. Von den Kuppeln hat leider gerade diejenige von S. Giovanni, mit Coreggio's Fresken, das kümmerlichste Licht durch vier kleine Luken. In der Steccata geht dem Innern, das sonst so schön gedacht ist, sein bester Reiz durch diesen Mangel ganz verloren.
Um sich den Eindruck des Ganzen einigermassen zu vervollstän- digen, denke man sich bei S. Sisto und S. Giovanni eine Backstein- fassade dieses Styles hinzu, wie sie z. B. S. Pietro in Modenaa recht schön darbietet. Wie einst die gothischen, so reproducirt in dieser Epoche der Backstein die antiken Formen in einer oft eigen- thümlich reizenden Weise.
In Modena ist ausser der eben erwähnten Backsteinfassade von S. Pietro nichts von höherer Bedeutung vorhanden; der zweite Klo-b sterhof daselbst (ionische Halle) hat ein sonderbar niedriges Ober- geschoss. Für Architekten: Pal. Coccapane (Strada Rua del muro),c Backsteinbau mit reichen Gesimsen aussen und im Hof, gemalten Frie- sen und Decken in den untern Hallen. -- Pal. Rangoni (jetzt Bellin-d tani, Hauptstrasse) hat rechts noch ein sehr entstelltes Höfchen mit oben herumgehenden offenem Pfeilergang.
Von andern Renaissancebauten der Gegend können zwei Gebäude an der Via S. Antonio zu Piacenza und ein grosser halbzerstörter Klosterhof links neben S. Quintino in Parma für Architekten einiges Interesse bieten. Die Madonna della Campagna in Piacenza (an eineme Ende der Stadt) scheint eine frühe Nachahmung der Steccata zu sein. Das bischöfliche Seminar in Parma, beim Dom, ist eine gute, jetztf vermauerte Doppelhalle.
Bologna besitzt aus dieser Zeit keine bedeutende Kirche, aber einzelne sehr werthvolle Bruchstücke von solchen. Die ganze fröh- liche Naivetät der Frührenaissance lebt z. B. in der zierlichen Back- steinfassade der Madonna di Galliera (nahe bei S. Pietro), vomg
Parma. Modena. Bologna.
tung. In S. Sisto und S. Giovanni kommt das meiste Licht durch die Fenster der untern Capellenreihen, die zu beiden Seiten der Al- täre in den halbrunden Nischen angebracht sind; an der Steccata hat der Meister sogar seine Fenster ohne alle Noth so weit unten als möglich angebracht. Von den Kuppeln hat leider gerade diejenige von S. Giovanni, mit Coreggio’s Fresken, das kümmerlichste Licht durch vier kleine Luken. In der Steccata geht dem Innern, das sonst so schön gedacht ist, sein bester Reiz durch diesen Mangel ganz verloren.
Um sich den Eindruck des Ganzen einigermassen zu vervollstän- digen, denke man sich bei S. Sisto und S. Giovanni eine Backstein- fassade dieses Styles hinzu, wie sie z. B. S. Pietro in Modenaa recht schön darbietet. Wie einst die gothischen, so reproducirt in dieser Epoche der Backstein die antiken Formen in einer oft eigen- thümlich reizenden Weise.
In Modena ist ausser der eben erwähnten Backsteinfassade von S. Pietro nichts von höherer Bedeutung vorhanden; der zweite Klo-b sterhof daselbst (ionische Halle) hat ein sonderbar niedriges Ober- geschoss. Für Architekten: Pal. Coccapane (Strada Rua del muro),c Backsteinbau mit reichen Gesimsen aussen und im Hof, gemalten Frie- sen und Decken in den untern Hallen. — Pal. Rangoni (jetzt Bellin-d tani, Hauptstrasse) hat rechts noch ein sehr entstelltes Höfchen mit oben herumgehenden offenem Pfeilergang.
Von andern Renaissancebauten der Gegend können zwei Gebäude an der Via S. Antonio zu Piacenza und ein grosser halbzerstörter Klosterhof links neben S. Quintino in Parma für Architekten einiges Interesse bieten. Die Madonna della Campagna in Piacenza (an eineme Ende der Stadt) scheint eine frühe Nachahmung der Steccata zu sein. Das bischöfliche Seminar in Parma, beim Dom, ist eine gute, jetztf vermauerte Doppelhalle.
Bologna besitzt aus dieser Zeit keine bedeutende Kirche, aber einzelne sehr werthvolle Bruchstücke von solchen. Die ganze fröh- liche Naivetät der Frührenaissance lebt z. B. in der zierlichen Back- steinfassade der Madonna di Galliera (nahe bei S. Pietro), vomg
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Parma. Modena. Bologna.
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die Fenster der untern Capellenreihen, die zu beiden Seiten der Al-
täre in den halbrunden Nischen angebracht sind; an der Steccata hat
der Meister sogar seine Fenster ohne alle Noth so weit unten als
möglich angebracht. Von den Kuppeln hat leider gerade diejenige
von S. Giovanni, mit Coreggio’s Fresken, das kümmerlichste Licht
durch vier kleine Luken. In der Steccata geht dem Innern, das sonst
so schön gedacht ist, sein bester Reiz durch diesen Mangel ganz
verloren.
Um sich den Eindruck des Ganzen einigermassen zu vervollstän-
digen, denke man sich bei S. Sisto und S. Giovanni eine Backstein-
fassade dieses Styles hinzu, wie sie z. B. S. Pietro in Modena
recht schön darbietet. Wie einst die gothischen, so reproducirt in
dieser Epoche der Backstein die antiken Formen in einer oft eigen-
thümlich reizenden Weise.
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In Modena ist ausser der eben erwähnten Backsteinfassade von
S. Pietro nichts von höherer Bedeutung vorhanden; der zweite Klo-
sterhof daselbst (ionische Halle) hat ein sonderbar niedriges Ober-
geschoss. Für Architekten: Pal. Coccapane (Strada Rua del muro),
Backsteinbau mit reichen Gesimsen aussen und im Hof, gemalten Frie-
sen und Decken in den untern Hallen. — Pal. Rangoni (jetzt Bellin-
tani, Hauptstrasse) hat rechts noch ein sehr entstelltes Höfchen mit
oben herumgehenden offenem Pfeilergang.
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Von andern Renaissancebauten der Gegend können zwei Gebäude
an der Via S. Antonio zu Piacenza und ein grosser halbzerstörter
Klosterhof links neben S. Quintino in Parma für Architekten einiges
Interesse bieten. Die Madonna della Campagna in Piacenza (an einem
Ende der Stadt) scheint eine frühe Nachahmung der Steccata zu sein.
Das bischöfliche Seminar in Parma, beim Dom, ist eine gute, jetzt
vermauerte Doppelhalle.
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einzelne sehr werthvolle Bruchstücke von solchen. Die ganze fröh-
liche Naivetät der Frührenaissance lebt z. B. in der zierlichen Back-
steinfassade der Madonna di Galliera (nahe bei S. Pietro), vom
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/227>, abgerufen am 04.12.2024.
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