Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Kostbare Stoffe. Majoliken.
der sinnlosen spätmediceischen Liebhaberei für das Seltene und Schwie-
rige unterthan. (Apostelstatuetten von kostbaren Steinen und Exvoto-a
relief Cosimo's II in den Uffizien.) -- Von dieser Sinnesweise sonst
kunstverdienter Regenten ist dann die florentinische Mosaiktechnik in
"harten Steinen" (pietre dure) ein unvergänglich zu nennendes Denk-
mal. Wir dürfen die unglaublich kostspieligen Arbeiten dieser Fabrik
aus dem XVII. und XVIII. Jahrhunderte übergehen, da der selbstän-
dige und eigenthümliche künstlerische Zug darin ungemein schwach
ist. Das beste sind vielleicht einzelne Tischplatten mit Ornamenten
auf schwarzem Grunde; von Arbeiten grössern Massstabes nennen
wir bei diesem Anlass die Reliefverzierungen von feinen Steinen inb
der Madonnencapelle der Annunziata, die Wappen in dem grossenc
Kuppelanbau von S. Lorenzo und das Chorgeländer im Dom von Pisa.d

Das römische Mosaik, welches nicht auf dem principiellen Luxus
harter Steine, sondern auf der mittelalterlichen Glaspaste beruhte und
eine natürliche Fortsetzung des alten, nie ganz vergessenen Kirchen-
mosaikes war, konnte denn auch bis auf unser Jahrhundert ganz
andere Dienste leisten. Zur Zeit des Maratti, unter der Leitung des
Cristofari, gab es die grössten modernen Altarbilder mit der Wirkung
des Originals wieder. (Altäre von S. Peter.)


Einen Übergang von der plastischen Decoration zur gemalten bil-
den u. a. die sog. Majoliken, überhaupt die glasirten Geschirre des
XVI. Jahrhunderts, in dessen zweiter Hälfte hauptsächlich zu Castel
Durante im Herzogthum Urbino eine ganze Schule mit diesem Kunst-
zweig beschäftigt war. -- Der Verfasser kennt die wichtigste Samm-
lung, die der Apotheke der Kirche von Loretto, nicht aus Anschauung;f
eine Menge der besten Geschirre befinden sich ohnediess im Ausland
(Sammlungen in Paris, Berlin etc.); in Italien bewahrt z. B. das
Museum von Neapel (zweiter Saal der Terracotten), die Villa Albanig
bei Rom (am Billardsaal) u. a. Sammlungen noch manches Gute.h

Es sind fast die Farben der Robbia (S. 237), gelb, grün, blau,
violett, auf welche sich die Majolikenmaler beschränkten; in diese
trugen sie Geschichten und Ornamente über, erstere grossentheils nach
Compositionen der römischen Schule, auch Rafaels selbst, wesshalb

18*

Kostbare Stoffe. Majoliken.
der sinnlosen spätmediceischen Liebhaberei für das Seltene und Schwie-
rige unterthan. (Apostelstatuetten von kostbaren Steinen und Exvoto-a
relief Cosimo’s II in den Uffizien.) — Von dieser Sinnesweise sonst
kunstverdienter Regenten ist dann die florentinische Mosaiktechnik in
„harten Steinen“ (pietre dure) ein unvergänglich zu nennendes Denk-
mal. Wir dürfen die unglaublich kostspieligen Arbeiten dieser Fabrik
aus dem XVII. und XVIII. Jahrhunderte übergehen, da der selbstän-
dige und eigenthümliche künstlerische Zug darin ungemein schwach
ist. Das beste sind vielleicht einzelne Tischplatten mit Ornamenten
auf schwarzem Grunde; von Arbeiten grössern Massstabes nennen
wir bei diesem Anlass die Reliefverzierungen von feinen Steinen inb
der Madonnencapelle der Annunziata, die Wappen in dem grossenc
Kuppelanbau von S. Lorenzo und das Chorgeländer im Dom von Pisa.d

Das römische Mosaik, welches nicht auf dem principiellen Luxus
harter Steine, sondern auf der mittelalterlichen Glaspaste beruhte und
eine natürliche Fortsetzung des alten, nie ganz vergessenen Kirchen-
mosaikes war, konnte denn auch bis auf unser Jahrhundert ganz
andere Dienste leisten. Zur Zeit des Maratti, unter der Leitung des
Cristofari, gab es die grössten modernen Altarbilder mit der Wirkung
des Originals wieder. (Altäre von S. Peter.)


Einen Übergang von der plastischen Decoration zur gemalten bil-
den u. a. die sog. Majoliken, überhaupt die glasirten Geschirre des
XVI. Jahrhunderts, in dessen zweiter Hälfte hauptsächlich zu Castel
Durante im Herzogthum Urbino eine ganze Schule mit diesem Kunst-
zweig beschäftigt war. — Der Verfasser kennt die wichtigste Samm-
lung, die der Apotheke der Kirche von Loretto, nicht aus Anschauung;f
eine Menge der besten Geschirre befinden sich ohnediess im Ausland
(Sammlungen in Paris, Berlin etc.); in Italien bewahrt z. B. das
Museum von Neapel (zweiter Saal der Terracotten), die Villa Albanig
bei Rom (am Billardsaal) u. a. Sammlungen noch manches Gute.h

Es sind fast die Farben der Robbia (S. 237), gelb, grün, blau,
violett, auf welche sich die Majolikenmaler beschränkten; in diese
trugen sie Geschichten und Ornamente über, erstere grossentheils nach
Compositionen der römischen Schule, auch Rafaels selbst, wesshalb

18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0297" n="275"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kostbare Stoffe. Majoliken.</hi></fw><lb/>
der sinnlosen spätmediceischen Liebhaberei für das Seltene und Schwie-<lb/>
rige unterthan. (Apostelstatuetten von kostbaren Steinen und Exvoto-<note place="right">a</note><lb/>
relief Cosimo&#x2019;s II in den Uffizien.) &#x2014; Von dieser Sinnesweise sonst<lb/>
kunstverdienter Regenten ist dann die florentinische Mosaiktechnik in<lb/>
&#x201E;harten Steinen&#x201C; (pietre dure) ein unvergänglich zu nennendes Denk-<lb/>
mal. Wir dürfen die unglaublich kostspieligen Arbeiten dieser Fabrik<lb/>
aus dem XVII. und XVIII. Jahrhunderte übergehen, da der selbstän-<lb/>
dige und eigenthümliche künstlerische Zug darin ungemein schwach<lb/>
ist. Das beste sind vielleicht einzelne Tischplatten mit Ornamenten<lb/>
auf schwarzem Grunde; von Arbeiten grössern Massstabes nennen<lb/>
wir bei diesem Anlass die Reliefverzierungen von feinen Steinen in<note place="right">b</note><lb/>
der Madonnencapelle der Annunziata, die Wappen in dem grossen<note place="right">c</note><lb/>
Kuppelanbau von S. Lorenzo und das Chorgeländer im Dom von Pisa.<note place="right">d</note></p><lb/>
        <p>Das römische Mosaik, welches nicht auf dem principiellen Luxus<lb/>
harter Steine, sondern auf der mittelalterlichen Glaspaste beruhte und<lb/>
eine natürliche Fortsetzung des alten, nie ganz vergessenen Kirchen-<lb/>
mosaikes war, konnte denn auch bis auf unser Jahrhundert ganz<lb/>
andere Dienste leisten. Zur Zeit des Maratti, unter der Leitung des<lb/>
Cristofari, gab es die grössten modernen Altarbilder mit der Wirkung<lb/>
des Originals wieder. (Altäre von S. Peter.)</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Einen Übergang von der plastischen Decoration zur gemalten bil-<lb/>
den u. a. die sog. <hi rendition="#g">Majoliken</hi>, überhaupt die glasirten Geschirre des<lb/>
XVI. Jahrhunderts, in dessen zweiter Hälfte hauptsächlich zu Castel<lb/>
Durante im Herzogthum Urbino eine ganze Schule mit diesem Kunst-<lb/>
zweig beschäftigt war. &#x2014; Der Verfasser kennt die wichtigste Samm-<lb/>
lung, die der Apotheke der Kirche von Loretto, nicht aus Anschauung;<note place="right">f</note><lb/>
eine Menge der besten Geschirre befinden sich ohnediess im Ausland<lb/>
(Sammlungen in Paris, Berlin etc.); in Italien bewahrt z. B. das<lb/>
Museum von Neapel (zweiter Saal der Terracotten), die Villa Albani<note place="right">g</note><lb/>
bei Rom (am Billardsaal) u. a. Sammlungen noch manches Gute.<note place="right">h</note></p><lb/>
        <p>Es sind fast die Farben der Robbia (S. 237), gelb, grün, blau,<lb/>
violett, auf welche sich die Majolikenmaler beschränkten; in diese<lb/>
trugen sie Geschichten und Ornamente über, erstere grossentheils nach<lb/>
Compositionen der römischen Schule, auch Rafaels selbst, wesshalb<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0297] Kostbare Stoffe. Majoliken. der sinnlosen spätmediceischen Liebhaberei für das Seltene und Schwie- rige unterthan. (Apostelstatuetten von kostbaren Steinen und Exvoto- relief Cosimo’s II in den Uffizien.) — Von dieser Sinnesweise sonst kunstverdienter Regenten ist dann die florentinische Mosaiktechnik in „harten Steinen“ (pietre dure) ein unvergänglich zu nennendes Denk- mal. Wir dürfen die unglaublich kostspieligen Arbeiten dieser Fabrik aus dem XVII. und XVIII. Jahrhunderte übergehen, da der selbstän- dige und eigenthümliche künstlerische Zug darin ungemein schwach ist. Das beste sind vielleicht einzelne Tischplatten mit Ornamenten auf schwarzem Grunde; von Arbeiten grössern Massstabes nennen wir bei diesem Anlass die Reliefverzierungen von feinen Steinen in der Madonnencapelle der Annunziata, die Wappen in dem grossen Kuppelanbau von S. Lorenzo und das Chorgeländer im Dom von Pisa. a b c d Das römische Mosaik, welches nicht auf dem principiellen Luxus harter Steine, sondern auf der mittelalterlichen Glaspaste beruhte und eine natürliche Fortsetzung des alten, nie ganz vergessenen Kirchen- mosaikes war, konnte denn auch bis auf unser Jahrhundert ganz andere Dienste leisten. Zur Zeit des Maratti, unter der Leitung des Cristofari, gab es die grössten modernen Altarbilder mit der Wirkung des Originals wieder. (Altäre von S. Peter.) Einen Übergang von der plastischen Decoration zur gemalten bil- den u. a. die sog. Majoliken, überhaupt die glasirten Geschirre des XVI. Jahrhunderts, in dessen zweiter Hälfte hauptsächlich zu Castel Durante im Herzogthum Urbino eine ganze Schule mit diesem Kunst- zweig beschäftigt war. — Der Verfasser kennt die wichtigste Samm- lung, die der Apotheke der Kirche von Loretto, nicht aus Anschauung; eine Menge der besten Geschirre befinden sich ohnediess im Ausland (Sammlungen in Paris, Berlin etc.); in Italien bewahrt z. B. das Museum von Neapel (zweiter Saal der Terracotten), die Villa Albani bei Rom (am Billardsaal) u. a. Sammlungen noch manches Gute. f g h Es sind fast die Farben der Robbia (S. 237), gelb, grün, blau, violett, auf welche sich die Majolikenmaler beschränkten; in diese trugen sie Geschichten und Ornamente über, erstere grossentheils nach Compositionen der römischen Schule, auch Rafaels selbst, wesshalb 18*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/297
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/297>, abgerufen am 06.12.2024.