etwas weniger halsbrechend gefährlich sein. -- Das Ganze hat wohl einen bestimmten Sinn, der sich deutlicher aussprechen würde bei vollendetem Oberbau. Der Künstler hat mit allen, auch den ver- werflichsten Mitteln das Gefühl des Strebenden hervorzubringen ge- sucht; wir wissen aber nicht mehr, was er damit wollte. Eine baldige Nachahmung blieb nicht aus; Ammanati stellte Säulen in enge Wand-a nischen an der Fassade der Jesuitenkirche S. Giovannino; Giov. da Bologna an den Wänden seiner eigenen Gruftcapelle hinten in derb Annunziata u. s. w.
Das Gebäude der Laurenziana selbst ist wieder baulich einfachc und würdig, und wenn hier das Detail der Verzierung wirklich, wie man annimmt, von Michelangelo angegeben ist, so besass er im Kleinen den feinsten Schönheitssinn, den er im Grossen der Bizarrerie aufopferte. Die holzgeschnitzte Decke, deren edles und reiches Ver- zierungsmotiv sich in der Zeichnung des Backsteinbodens wiederholt, soll "nach seiner Idee" von Tasso und Caroto, das einfach classische Stuhlwerk von Ciapino und del Cinque, die bloss zweifarbigen lichten Arabesken der Fenster, wie oben bemerkt, von Giov. da Udine aus- geführt sein. Die Thür, eines der ersten Beispiele perspectivischen Scheinreichthums durch Verdoppelung der Glieder, ist erweislich von Michelangelo.
Seine römische Thätigkeit ging zum Theil mit Plänen verloren, die nicht ausgeführt wurden. (Entwurf zu einem Palast für Julius III an der Ripetta, fünf Pläne für S. Giovanni de' Fiorentini, welche sämmtlich nicht mehr vorgefunden wurden, als im vorigen Jahrhun- dert die jetzige Fassade, von Galilei, zur Ausführung kam. U. a. m.) Doch sind ausser dem Bau von S. Peter, den er erst nach 1546 über- nahm, einige Bauten von ihm ausgeführt vorhanden, welche die Grösse und Richtung seines Geistes gerade an sehr verschiedenen Aufgaben darthun.
Von ihm ist zunächst am Pal. Farnese das bewundernswürdiged grosse Hauptgesimse (dessen Wirkung er vorher durch hölzerne Mo- delle erprobte) und die beiden untern Stockwerke des Hofes. Diese imposantesten Palasthallen Rom's sind, wie ohne Mühe zu erkennen ist, den beiden untern Ordnungen des Marcellustheaters fast genau nachgebildet, nur dass die Metopen mit Waffen und der ionische Fries
S. Lorenzo. Römische Bauten.
etwas weniger halsbrechend gefährlich sein. — Das Ganze hat wohl einen bestimmten Sinn, der sich deutlicher aussprechen würde bei vollendetem Oberbau. Der Künstler hat mit allen, auch den ver- werflichsten Mitteln das Gefühl des Strebenden hervorzubringen ge- sucht; wir wissen aber nicht mehr, was er damit wollte. Eine baldige Nachahmung blieb nicht aus; Ammanati stellte Säulen in enge Wand-a nischen an der Fassade der Jesuitenkirche S. Giovannino; Giov. da Bologna an den Wänden seiner eigenen Gruftcapelle hinten in derb Annunziata u. s. w.
Das Gebäude der Laurenziana selbst ist wieder baulich einfachc und würdig, und wenn hier das Detail der Verzierung wirklich, wie man annimmt, von Michelangelo angegeben ist, so besass er im Kleinen den feinsten Schönheitssinn, den er im Grossen der Bizarrerie aufopferte. Die holzgeschnitzte Decke, deren edles und reiches Ver- zierungsmotiv sich in der Zeichnung des Backsteinbodens wiederholt, soll „nach seiner Idee“ von Tasso und Caroto, das einfach classische Stuhlwerk von Ciapino und del Cinque, die bloss zweifarbigen lichten Arabesken der Fenster, wie oben bemerkt, von Giov. da Udine aus- geführt sein. Die Thür, eines der ersten Beispiele perspectivischen Scheinreichthums durch Verdoppelung der Glieder, ist erweislich von Michelangelo.
Seine römische Thätigkeit ging zum Theil mit Plänen verloren, die nicht ausgeführt wurden. (Entwurf zu einem Palast für Julius III an der Ripetta, fünf Pläne für S. Giovanni de’ Fiorentini, welche sämmtlich nicht mehr vorgefunden wurden, als im vorigen Jahrhun- dert die jetzige Fassade, von Galilei, zur Ausführung kam. U. a. m.) Doch sind ausser dem Bau von S. Peter, den er erst nach 1546 über- nahm, einige Bauten von ihm ausgeführt vorhanden, welche die Grösse und Richtung seines Geistes gerade an sehr verschiedenen Aufgaben darthun.
Von ihm ist zunächst am Pal. Farnese das bewundernswürdiged grosse Hauptgesimse (dessen Wirkung er vorher durch hölzerne Mo- delle erprobte) und die beiden untern Stockwerke des Hofes. Diese imposantesten Palasthallen Rom’s sind, wie ohne Mühe zu erkennen ist, den beiden untern Ordnungen des Marcellustheaters fast genau nachgebildet, nur dass die Metopen mit Waffen und der ionische Fries
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S. Lorenzo. Römische Bauten.
etwas weniger halsbrechend gefährlich sein. — Das Ganze hat wohl
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vollendetem Oberbau. Der Künstler hat mit allen, auch den ver-
werflichsten Mitteln das Gefühl des Strebenden hervorzubringen ge-
sucht; wir wissen aber nicht mehr, was er damit wollte. Eine baldige
Nachahmung blieb nicht aus; Ammanati stellte Säulen in enge Wand-
nischen an der Fassade der Jesuitenkirche S. Giovannino; Giov. da
Bologna an den Wänden seiner eigenen Gruftcapelle hinten in der
Annunziata u. s. w.
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und würdig, und wenn hier das Detail der Verzierung wirklich, wie
man annimmt, von Michelangelo angegeben ist, so besass er im
Kleinen den feinsten Schönheitssinn, den er im Grossen der Bizarrerie
aufopferte. Die holzgeschnitzte Decke, deren edles und reiches Ver-
zierungsmotiv sich in der Zeichnung des Backsteinbodens wiederholt,
soll „nach seiner Idee“ von Tasso und Caroto, das einfach classische
Stuhlwerk von Ciapino und del Cinque, die bloss zweifarbigen lichten
Arabesken der Fenster, wie oben bemerkt, von Giov. da Udine aus-
geführt sein. Die Thür, eines der ersten Beispiele perspectivischen
Scheinreichthums durch Verdoppelung der Glieder, ist erweislich von
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Seine römische Thätigkeit ging zum Theil mit Plänen verloren,
die nicht ausgeführt wurden. (Entwurf zu einem Palast für Julius III
an der Ripetta, fünf Pläne für S. Giovanni de’ Fiorentini, welche
sämmtlich nicht mehr vorgefunden wurden, als im vorigen Jahrhun-
dert die jetzige Fassade, von Galilei, zur Ausführung kam. U. a. m.)
Doch sind ausser dem Bau von S. Peter, den er erst nach 1546 über-
nahm, einige Bauten von ihm ausgeführt vorhanden, welche die Grösse
und Richtung seines Geistes gerade an sehr verschiedenen Aufgaben
darthun.
Von ihm ist zunächst am Pal. Farnese das bewundernswürdige
grosse Hauptgesimse (dessen Wirkung er vorher durch hölzerne Mo-
delle erprobte) und die beiden untern Stockwerke des Hofes. Diese
imposantesten Palasthallen Rom’s sind, wie ohne Mühe zu erkennen
ist, den beiden untern Ordnungen des Marcellustheaters fast genau
nachgebildet, nur dass die Metopen mit Waffen und der ionische Fries
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/353>, abgerufen am 06.12.2024.
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