würdige Versuch eines Theaterbaues in der Art der Alten ist in jener Zeit lange nicht der einzige; wir dürfen z. B. bei vielen Theaterbau- ten des Augenblickes, deren Vasari eine ganze Anzahl erwähnt, eine ähnliche Anlage voraussetzen. Allein des Erhaltenen ist ausserordent- lich wenig; das oben (S. 357, b) genannte Teatro Farnese in Parma er- scheint bereits als ein Mittelding zwischen antiker und moderner An- lage; die Scena ist schon ein auf Verwandlungen berechneter Tiefbau.
a
Von den Villen Palladio's geniesst die Rotonda der Marchesi Capra, eine Miglie von der Stadt, mit ihrem runden Mittelbau und ihren vier ionischen Fronten den grössten Ruhm. Es ist wohl auf- fallend, dass weder er noch seine Bauherrn jemals sich von der Idee eines schloss- oder tempelähnlichen Prachtbaues mit bedeutender Centralanlage haben losmachen können, dass trotz der in der Haupt- sache klaren Schilderungen der antiken Schriftsteller vom Landbau und des Plinius Niemand eine echte antike Villa, d. h. ein Aggregat von niedrigen, nicht symmetrisch geordneten Einzelbauten hat bauen oder besitzen mögen, dass z. B. auch Palladio's nächster Nachfolger Scamozzi die Villa Laurentina des Plinius so grundfalsch restauriren konnte. -- Die übrigen Villen Palladio's kennt der Verfasser nur aus bziemlich alten Abbildungen; ausser der nahe bei Vicenza befindlichen Villa Tornieri sind es nach der damaligen Bestimmung der Orte und Besitzer hauptsächlich folgende: Villa Sarego, in Collogneso la Miga (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani bei Montagnana (Gebiet von Pa- dua); Villa Tiene in Cicogna; Villa Barbaro in Masera (Gebiet von Treviso); Villa Emo in Fanzola (dasselbe Gebiet); Villa Repetta in Campiglia (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani in Bagnolo (dasselbe Gebiet); Villa Badoer in la Fratta (Polesina); Villa Valmarana in Lisiera (Gebiet von Vicenza); Villa Sarego in S. Sofia (5 Miglien von Verona); Villa Tiene in Quinto (Gebiet von Vicenza?); endlich Villa Trissino zu Meledo (Gebiet von Vicenza), wo das Motiv der Rotonda, mit grossen Vorhallen vermehrt, wiederholt ist -- vieler andern zu ge- schweigen. Der Mittelbau, hier öfter mit doppelter, als offene Loggia behandelter Ordnung, pflegt die Anbauten und die mit Portiken um- zogenen Ökonomiegebäude völlig zu beherrschen. Im Innern ein grosser Reichthum an originellen und schönen Dispositionen, auch der Trep-
Architektur von 1540 bis 1580.
würdige Versuch eines Theaterbaues in der Art der Alten ist in jener Zeit lange nicht der einzige; wir dürfen z. B. bei vielen Theaterbau- ten des Augenblickes, deren Vasari eine ganze Anzahl erwähnt, eine ähnliche Anlage voraussetzen. Allein des Erhaltenen ist ausserordent- lich wenig; das oben (S. 357, b) genannte Teatro Farnese in Parma er- scheint bereits als ein Mittelding zwischen antiker und moderner An- lage; die Scena ist schon ein auf Verwandlungen berechneter Tiefbau.
a
Von den Villen Palladio’s geniesst die Rotonda der Marchesi Capra, eine Miglie von der Stadt, mit ihrem runden Mittelbau und ihren vier ionischen Fronten den grössten Ruhm. Es ist wohl auf- fallend, dass weder er noch seine Bauherrn jemals sich von der Idee eines schloss- oder tempelähnlichen Prachtbaues mit bedeutender Centralanlage haben losmachen können, dass trotz der in der Haupt- sache klaren Schilderungen der antiken Schriftsteller vom Landbau und des Plinius Niemand eine echte antike Villa, d. h. ein Aggregat von niedrigen, nicht symmetrisch geordneten Einzelbauten hat bauen oder besitzen mögen, dass z. B. auch Palladio’s nächster Nachfolger Scamozzi die Villa Laurentina des Plinius so grundfalsch restauriren konnte. — Die übrigen Villen Palladio’s kennt der Verfasser nur aus bziemlich alten Abbildungen; ausser der nahe bei Vicenza befindlichen Villa Tornieri sind es nach der damaligen Bestimmung der Orte und Besitzer hauptsächlich folgende: Villa Sarego, in Collogneso la Miga (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani bei Montagnana (Gebiet von Pa- dua); Villa Tiene in Cicogna; Villa Barbaro in Masera (Gebiet von Treviso); Villa Emo in Fanzola (dasselbe Gebiet); Villa Repetta in Campiglia (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani in Bagnolo (dasselbe Gebiet); Villa Badoer in la Fratta (Polesina); Villa Valmarana in Lisiera (Gebiet von Vicenza); Villa Sarego in S. Sofia (5 Miglien von Verona); Villa Tiene in Quinto (Gebiet von Vicenza?); endlich Villa Trissino zu Meledo (Gebiet von Vicenza), wo das Motiv der Rotonda, mit grossen Vorhallen vermehrt, wiederholt ist — vieler andern zu ge- schweigen. Der Mittelbau, hier öfter mit doppelter, als offene Loggia behandelter Ordnung, pflegt die Anbauten und die mit Portiken um- zogenen Ökonomiegebäude völlig zu beherrschen. Im Innern ein grosser Reichthum an originellen und schönen Dispositionen, auch der Trep-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0382"n="360"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Architektur von 1540 bis 1580.</hi></fw><lb/>
würdige Versuch eines Theaterbaues in der Art der Alten ist in jener<lb/>
Zeit lange nicht der einzige; wir dürfen z. B. bei vielen Theaterbau-<lb/>
ten des Augenblickes, deren Vasari eine ganze Anzahl erwähnt, eine<lb/>
ähnliche Anlage voraussetzen. Allein des Erhaltenen ist ausserordent-<lb/>
lich wenig; das oben (S. 357, b) genannte Teatro Farnese in Parma er-<lb/>
scheint bereits als ein Mittelding zwischen antiker und moderner An-<lb/>
lage; die Scena ist schon ein auf Verwandlungen berechneter Tiefbau.</p><lb/><noteplace="left">a</note><p>Von den <hirendition="#g">Villen</hi> Palladio’s geniesst die <hirendition="#g">Rotonda</hi> der Marchesi<lb/>
Capra, eine Miglie von der Stadt, mit ihrem runden Mittelbau und<lb/>
ihren vier ionischen Fronten den grössten Ruhm. Es ist wohl auf-<lb/>
fallend, dass weder er noch seine Bauherrn jemals sich von der Idee<lb/>
eines schloss- oder tempelähnlichen Prachtbaues mit bedeutender<lb/>
Centralanlage haben losmachen können, dass trotz der in der Haupt-<lb/>
sache klaren Schilderungen der antiken Schriftsteller vom Landbau<lb/>
und des Plinius Niemand eine echte antike Villa, d. h. ein Aggregat<lb/>
von niedrigen, nicht symmetrisch geordneten Einzelbauten hat bauen<lb/>
oder besitzen mögen, dass z. B. auch Palladio’s nächster Nachfolger<lb/>
Scamozzi die Villa Laurentina des Plinius so grundfalsch restauriren<lb/>
konnte. — Die übrigen Villen Palladio’s kennt der Verfasser nur aus<lb/><noteplace="left">b</note>ziemlich alten Abbildungen; ausser der nahe bei Vicenza befindlichen<lb/>
Villa Tornieri sind es nach der damaligen Bestimmung der Orte und<lb/>
Besitzer hauptsächlich folgende: Villa Sarego, in Collogneso la Miga<lb/>
(Gebiet von Vicenza); Villa Pisani bei Montagnana (Gebiet von Pa-<lb/>
dua); Villa Tiene in Cicogna; Villa Barbaro in Masera (Gebiet von<lb/>
Treviso); Villa Emo in Fanzola (dasselbe Gebiet); Villa Repetta in<lb/>
Campiglia (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani in Bagnolo (dasselbe<lb/>
Gebiet); Villa Badoer in la Fratta (Polesina); Villa Valmarana in<lb/>
Lisiera (Gebiet von Vicenza); Villa Sarego in S. Sofia (5 Miglien von<lb/>
Verona); Villa Tiene in Quinto (Gebiet von Vicenza?); endlich Villa<lb/>
Trissino zu Meledo (Gebiet von Vicenza), wo das Motiv der Rotonda,<lb/>
mit grossen Vorhallen vermehrt, wiederholt ist — vieler andern zu ge-<lb/>
schweigen. Der Mittelbau, hier öfter mit doppelter, als offene Loggia<lb/>
behandelter Ordnung, pflegt die Anbauten und die mit Portiken um-<lb/>
zogenen Ökonomiegebäude völlig zu beherrschen. Im Innern ein grosser<lb/>
Reichthum an originellen und schönen Dispositionen, auch der Trep-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[360/0382]
Architektur von 1540 bis 1580.
würdige Versuch eines Theaterbaues in der Art der Alten ist in jener
Zeit lange nicht der einzige; wir dürfen z. B. bei vielen Theaterbau-
ten des Augenblickes, deren Vasari eine ganze Anzahl erwähnt, eine
ähnliche Anlage voraussetzen. Allein des Erhaltenen ist ausserordent-
lich wenig; das oben (S. 357, b) genannte Teatro Farnese in Parma er-
scheint bereits als ein Mittelding zwischen antiker und moderner An-
lage; die Scena ist schon ein auf Verwandlungen berechneter Tiefbau.
Von den Villen Palladio’s geniesst die Rotonda der Marchesi
Capra, eine Miglie von der Stadt, mit ihrem runden Mittelbau und
ihren vier ionischen Fronten den grössten Ruhm. Es ist wohl auf-
fallend, dass weder er noch seine Bauherrn jemals sich von der Idee
eines schloss- oder tempelähnlichen Prachtbaues mit bedeutender
Centralanlage haben losmachen können, dass trotz der in der Haupt-
sache klaren Schilderungen der antiken Schriftsteller vom Landbau
und des Plinius Niemand eine echte antike Villa, d. h. ein Aggregat
von niedrigen, nicht symmetrisch geordneten Einzelbauten hat bauen
oder besitzen mögen, dass z. B. auch Palladio’s nächster Nachfolger
Scamozzi die Villa Laurentina des Plinius so grundfalsch restauriren
konnte. — Die übrigen Villen Palladio’s kennt der Verfasser nur aus
ziemlich alten Abbildungen; ausser der nahe bei Vicenza befindlichen
Villa Tornieri sind es nach der damaligen Bestimmung der Orte und
Besitzer hauptsächlich folgende: Villa Sarego, in Collogneso la Miga
(Gebiet von Vicenza); Villa Pisani bei Montagnana (Gebiet von Pa-
dua); Villa Tiene in Cicogna; Villa Barbaro in Masera (Gebiet von
Treviso); Villa Emo in Fanzola (dasselbe Gebiet); Villa Repetta in
Campiglia (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani in Bagnolo (dasselbe
Gebiet); Villa Badoer in la Fratta (Polesina); Villa Valmarana in
Lisiera (Gebiet von Vicenza); Villa Sarego in S. Sofia (5 Miglien von
Verona); Villa Tiene in Quinto (Gebiet von Vicenza?); endlich Villa
Trissino zu Meledo (Gebiet von Vicenza), wo das Motiv der Rotonda,
mit grossen Vorhallen vermehrt, wiederholt ist — vieler andern zu ge-
schweigen. Der Mittelbau, hier öfter mit doppelter, als offene Loggia
behandelter Ordnung, pflegt die Anbauten und die mit Portiken um-
zogenen Ökonomiegebäude völlig zu beherrschen. Im Innern ein grosser
Reichthum an originellen und schönen Dispositionen, auch der Trep-
b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/382>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.