guignon; man gewinnt gewiss rascher ein Interesse für das moderne Schlachtbild, dessen Leben insgemein in einer möglichst wirklichen Hauptepisode besteht. Rafael aber musste einen Angelpunkt der Welt- und Kirchengeschichte als solchen darstellen. Vor allem einen Sieg im Moment der Entscheidung. Auch die brillanteste Episode genügt hiezu nicht; das Heer als Ganzes muss siegen. Diess ist hier zur Anschauung gebracht durch das gleichmässig gewaltige Vordringen der christlichen Reiter und durch die Stellung Constantins genau in der Mitte des Bildes, die er eben im Begriff ist weitersprengend zu überschreiten. Auf diesem Hintergrunde gewinnen erst die pracht- vollen Episoden des Einzelkampfes ihre wahre Bedeutung, ohne aus dem Ganzen herauszufallen. Ruhig, wie ein Princip, thront der Heer- führer in Mitten seiner Schlacht; die Beziehungen einzelner Krieger auf ihn, die Gruppe der Engel über ihm, verstärken seine centrale Bedeutung; ein Krieger zeigt ihm den im Wasser versinkenden Maxentius. -- Die Aufeinanderfolge und Auswahl der einzelnen Mo- tive des Kampfes ist der Art, dass keines das andere aufhebt; sie sind nicht nur räumlich wahrscheinlich, sondern auch beim grössten Reichthum dramatisch deutlich.
Die Taufe Constantins ist weit mehr als ein blosses Cere- monienbild und steht in der Composition beträchtlich über dem Schwur Leo's III und der Krönung Carls. Sie ist nicht gegeben als Function, die auf einem Ceremoniale und auf bestimmten Costümen beruht, son- dern als idealer historischer Augenblick. Die ganze Gruppe ist in einer Bewegung, die durch das Stufenwerk des Raumes vortrefflich modificirt wird. Die äussersten beiden Figuren, Zuthaten Penni's, wirken freilich als Coulissen.
Die Schenkung Constantins, die unter jeder andern Hand ein Ceremonienbild geworden wäre, ist hier ebenfalls ein idealer hi- storischer Augenblick. Der Kaiser überreicht dem Papst S. Silvester nicht eine Urkunde, worin man sich die Schenkung der Stadt Rom geschrieben denken müsste, auch nicht ein Stadtmodell, womit sich spätere Künstler in ähnlichen Fällen geholfen haben, sondern eine goldene Statuette der Roma. Sein knieendes Gefolge, welches durch seine Stelle noch den Weg bezeichnet den es gekommen ist, besteht nur aus vier Personen; die Nachdrängenden werden durch Wachen
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
guignon; man gewinnt gewiss rascher ein Interesse für das moderne Schlachtbild, dessen Leben insgemein in einer möglichst wirklichen Hauptepisode besteht. Rafael aber musste einen Angelpunkt der Welt- und Kirchengeschichte als solchen darstellen. Vor allem einen Sieg im Moment der Entscheidung. Auch die brillanteste Episode genügt hiezu nicht; das Heer als Ganzes muss siegen. Diess ist hier zur Anschauung gebracht durch das gleichmässig gewaltige Vordringen der christlichen Reiter und durch die Stellung Constantins genau in der Mitte des Bildes, die er eben im Begriff ist weitersprengend zu überschreiten. Auf diesem Hintergrunde gewinnen erst die pracht- vollen Episoden des Einzelkampfes ihre wahre Bedeutung, ohne aus dem Ganzen herauszufallen. Ruhig, wie ein Princip, thront der Heer- führer in Mitten seiner Schlacht; die Beziehungen einzelner Krieger auf ihn, die Gruppe der Engel über ihm, verstärken seine centrale Bedeutung; ein Krieger zeigt ihm den im Wasser versinkenden Maxentius. — Die Aufeinanderfolge und Auswahl der einzelnen Mo- tive des Kampfes ist der Art, dass keines das andere aufhebt; sie sind nicht nur räumlich wahrscheinlich, sondern auch beim grössten Reichthum dramatisch deutlich.
Die Taufe Constantins ist weit mehr als ein blosses Cere- monienbild und steht in der Composition beträchtlich über dem Schwur Leo’s III und der Krönung Carls. Sie ist nicht gegeben als Function, die auf einem Ceremoniale und auf bestimmten Costümen beruht, son- dern als idealer historischer Augenblick. Die ganze Gruppe ist in einer Bewegung, die durch das Stufenwerk des Raumes vortrefflich modificirt wird. Die äussersten beiden Figuren, Zuthaten Penni’s, wirken freilich als Coulissen.
Die Schenkung Constantins, die unter jeder andern Hand ein Ceremonienbild geworden wäre, ist hier ebenfalls ein idealer hi- storischer Augenblick. Der Kaiser überreicht dem Papst S. Silvester nicht eine Urkunde, worin man sich die Schenkung der Stadt Rom geschrieben denken müsste, auch nicht ein Stadtmodell, womit sich spätere Künstler in ähnlichen Fällen geholfen haben, sondern eine goldene Statuette der Roma. Sein knieendes Gefolge, welches durch seine Stelle noch den Weg bezeichnet den es gekommen ist, besteht nur aus vier Personen; die Nachdrängenden werden durch Wachen
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
guignon; man gewinnt gewiss rascher ein Interesse für das moderne
Schlachtbild, dessen Leben insgemein in einer möglichst wirklichen
Hauptepisode besteht. Rafael aber musste einen Angelpunkt der Welt-
und Kirchengeschichte als solchen darstellen. Vor allem einen Sieg
im Moment der Entscheidung. Auch die brillanteste Episode genügt
hiezu nicht; das Heer als Ganzes muss siegen. Diess ist hier zur
Anschauung gebracht durch das gleichmässig gewaltige Vordringen
der christlichen Reiter und durch die Stellung Constantins genau in
der Mitte des Bildes, die er eben im Begriff ist weitersprengend zu
überschreiten. Auf diesem Hintergrunde gewinnen erst die pracht-
vollen Episoden des Einzelkampfes ihre wahre Bedeutung, ohne aus
dem Ganzen herauszufallen. Ruhig, wie ein Princip, thront der Heer-
führer in Mitten seiner Schlacht; die Beziehungen einzelner Krieger
auf ihn, die Gruppe der Engel über ihm, verstärken seine centrale
Bedeutung; ein Krieger zeigt ihm den im Wasser versinkenden
Maxentius. — Die Aufeinanderfolge und Auswahl der einzelnen Mo-
tive des Kampfes ist der Art, dass keines das andere aufhebt; sie
sind nicht nur räumlich wahrscheinlich, sondern auch beim grössten
Reichthum dramatisch deutlich.
Die Taufe Constantins ist weit mehr als ein blosses Cere-
monienbild und steht in der Composition beträchtlich über dem Schwur
Leo’s III und der Krönung Carls. Sie ist nicht gegeben als Function,
die auf einem Ceremoniale und auf bestimmten Costümen beruht, son-
dern als idealer historischer Augenblick. Die ganze Gruppe ist in
einer Bewegung, die durch das Stufenwerk des Raumes vortrefflich
modificirt wird. Die äussersten beiden Figuren, Zuthaten Penni’s,
wirken freilich als Coulissen.
Die Schenkung Constantins, die unter jeder andern Hand
ein Ceremonienbild geworden wäre, ist hier ebenfalls ein idealer hi-
storischer Augenblick. Der Kaiser überreicht dem Papst S. Silvester
nicht eine Urkunde, worin man sich die Schenkung der Stadt Rom
geschrieben denken müsste, auch nicht ein Stadtmodell, womit sich
spätere Künstler in ähnlichen Fällen geholfen haben, sondern eine
goldene Statuette der Roma. Sein knieendes Gefolge, welches durch
seine Stelle noch den Weg bezeichnet den es gekommen ist, besteht
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/946>, abgerufen am 05.12.2024.
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