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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Schule Rafaels.
nach beinahe noch rafaelisch grossartig 1); -- in dem Saale rechts der
Gigantenkampf, widerlich renommistisch wie die meisten Bilder dieser
Art; -- von den übrigen Sälen enthält wohl derjenige mit den Lieb-
schaften des Zeus und den Wissenschaften, sowie derjenige mit den
Geschichten der Psyche die geistreichsten Motive. -- Die genuesischen
Schüler Perins gehören durchaus zu den Manieristen. -- (Spätere Fres-
aken Perins in Rom: S. Marcello, 6. Cap. rechts.)

Francesco Penni, genannt il Fattore, hat in Rom wenig
Namhaftes hinterlassen.

b

Von einem ungenannten Maler der Schule Rafaels ist in Trinita
de' monti zu Rom die 5. Cap. rechts ausgemalt (Anbetung der Hirten,
der Könige, Beschneidung, nebst Lunettenbildern). Neben rafaelischen
Nachklängen ist die Verwilderung der Schule hier ganz besonders
deutlich in ihren Anfängen zu beobachten; langgestreckte Figuren, ver-
drehte Arme u. s. w. -- Mehrere andere Capellen zeigen ebenso die
Ausartung der Nachahmer Michelangelo's. (Die 3. Cap. r. mit Ge-
schichten der Maria ist z. B. von Daniele da Volterra ausgemalt.)


Von allen Schülern hat Andrea Sabbatini oder Andrea da
Salerno
am meisten von Rafaels Geist. Ausser den Bildern im
cMuseum von Neapel (Kreuzabnahme, Anbetung der Könige, sieben
Kirchenlehrer, S. Nicolaus thronend zwischen den von ihm Geretteten
detc.) und einzelnen in Kirchen zerstreuten (S. Maria della grazie) sind
edie Fresken in der Vorhalle des innern Hofes von S. Gennaro de'
Poveri, die man ihm unbedenklich zuschreiben darf, vielleicht das
Geistvollste was Neapel Heimisches aus der goldenen Zeit besitzt.
(Geschichten des heil. Januarius, leider sehr entstellt.) Andrea denkt
einfach und schön und malt nur was er denkt, nicht was aus irgend
einem malerischen Grunde irgend einen Effect machen könnte. -- Ein
Nachfolger, Gian Bernardo Lama, ist im glücklichen Fall eben-
falls naiv und einfach, bisweilen aber auch sehr schwach und süsslich.

1) Bei diesem Anlass muss ich ein herrliches Bildniss in den Uffizien (Sala del
*Baroccio) erwähnen, welches wohl von einem Schüler Rafaels ist: ein Mann
von gutmüthigem und doch ruchlosem Charakter, mit Barett, grauem Damast-
kleid und Pelz.

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Schule Rafaels.
nach beinahe noch rafaelisch grossartig 1); — in dem Saale rechts der
Gigantenkampf, widerlich renommistisch wie die meisten Bilder dieser
Art; — von den übrigen Sälen enthält wohl derjenige mit den Lieb-
schaften des Zeus und den Wissenschaften, sowie derjenige mit den
Geschichten der Psyche die geistreichsten Motive. — Die genuesischen
Schüler Perins gehören durchaus zu den Manieristen. — (Spätere Fres-
aken Perins in Rom: S. Marcello, 6. Cap. rechts.)

Francesco Penni, genannt il Fattore, hat in Rom wenig
Namhaftes hinterlassen.

b

Von einem ungenannten Maler der Schule Rafaels ist in Trinità
de’ monti zu Rom die 5. Cap. rechts ausgemalt (Anbetung der Hirten,
der Könige, Beschneidung, nebst Lunettenbildern). Neben rafaelischen
Nachklängen ist die Verwilderung der Schule hier ganz besonders
deutlich in ihren Anfängen zu beobachten; langgestreckte Figuren, ver-
drehte Arme u. s. w. — Mehrere andere Capellen zeigen ebenso die
Ausartung der Nachahmer Michelangelo’s. (Die 3. Cap. r. mit Ge-
schichten der Maria ist z. B. von Daniele da Volterra ausgemalt.)


Von allen Schülern hat Andrea Sabbatini oder Andrea da
Salerno
am meisten von Rafaels Geist. Ausser den Bildern im
cMuseum von Neapel (Kreuzabnahme, Anbetung der Könige, sieben
Kirchenlehrer, S. Nicolaus thronend zwischen den von ihm Geretteten
detc.) und einzelnen in Kirchen zerstreuten (S. Maria della grazie) sind
edie Fresken in der Vorhalle des innern Hofes von S. Gennaro de’
Poveri, die man ihm unbedenklich zuschreiben darf, vielleicht das
Geistvollste was Neapel Heimisches aus der goldenen Zeit besitzt.
(Geschichten des heil. Januarius, leider sehr entstellt.) Andrea denkt
einfach und schön und malt nur was er denkt, nicht was aus irgend
einem malerischen Grunde irgend einen Effect machen könnte. — Ein
Nachfolger, Gian Bernardo Lama, ist im glücklichen Fall eben-
falls naiv und einfach, bisweilen aber auch sehr schwach und süsslich.

1) Bei diesem Anlass muss ich ein herrliches Bildniss in den Uffizien (Sala del
*Baroccio) erwähnen, welches wohl von einem Schüler Rafaels ist: ein Mann
von gutmüthigem und doch ruchlosem Charakter, mit Barett, grauem Damast-
kleid und Pelz.
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[938/0960] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Schule Rafaels. nach beinahe noch rafaelisch grossartig 1); — in dem Saale rechts der Gigantenkampf, widerlich renommistisch wie die meisten Bilder dieser Art; — von den übrigen Sälen enthält wohl derjenige mit den Lieb- schaften des Zeus und den Wissenschaften, sowie derjenige mit den Geschichten der Psyche die geistreichsten Motive. — Die genuesischen Schüler Perins gehören durchaus zu den Manieristen. — (Spätere Fres- ken Perins in Rom: S. Marcello, 6. Cap. rechts.) a Francesco Penni, genannt il Fattore, hat in Rom wenig Namhaftes hinterlassen. Von einem ungenannten Maler der Schule Rafaels ist in Trinità de’ monti zu Rom die 5. Cap. rechts ausgemalt (Anbetung der Hirten, der Könige, Beschneidung, nebst Lunettenbildern). Neben rafaelischen Nachklängen ist die Verwilderung der Schule hier ganz besonders deutlich in ihren Anfängen zu beobachten; langgestreckte Figuren, ver- drehte Arme u. s. w. — Mehrere andere Capellen zeigen ebenso die Ausartung der Nachahmer Michelangelo’s. (Die 3. Cap. r. mit Ge- schichten der Maria ist z. B. von Daniele da Volterra ausgemalt.) Von allen Schülern hat Andrea Sabbatini oder Andrea da Salerno am meisten von Rafaels Geist. Ausser den Bildern im Museum von Neapel (Kreuzabnahme, Anbetung der Könige, sieben Kirchenlehrer, S. Nicolaus thronend zwischen den von ihm Geretteten etc.) und einzelnen in Kirchen zerstreuten (S. Maria della grazie) sind die Fresken in der Vorhalle des innern Hofes von S. Gennaro de’ Poveri, die man ihm unbedenklich zuschreiben darf, vielleicht das Geistvollste was Neapel Heimisches aus der goldenen Zeit besitzt. (Geschichten des heil. Januarius, leider sehr entstellt.) Andrea denkt einfach und schön und malt nur was er denkt, nicht was aus irgend einem malerischen Grunde irgend einen Effect machen könnte. — Ein Nachfolger, Gian Bernardo Lama, ist im glücklichen Fall eben- falls naiv und einfach, bisweilen aber auch sehr schwach und süsslich. c d e 1) Bei diesem Anlass muss ich ein herrliches Bildniss in den Uffizien (Sala del Baroccio) erwähnen, welches wohl von einem Schüler Rafaels ist: ein Mann von gutmüthigem und doch ruchlosem Charakter, mit Barett, grauem Damast- kleid und Pelz.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 938. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/960>, abgerufen am 05.12.2024.