Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
a-- Museum von Neapel; -- noch sehr schöne: Pal. Adorno in Genua;
b-- Pal. Colonna in Rom (wo noch ein anderes herrliches Bild ähn-
licher Art, kenntlich an der zwei Augen auf Nadeln haltenden S. Lu-
ccia, als Jugendwerk Tizians gilt); -- Pal. Pitti, u. a. a. O. -- Ein
schönes Altarbild von 5 grössern Figuren (in der Mitte Johannes d.
dT.) auf dem 1. Alt. r. in S. Cassiano zu Venedig sieht eher dem Rocco
Marconi ähnlich. -- Das Porträt eines reichgekleideten Mathematikers
e(Pal. Pitti), ein Kopf von der hohen Gattung des Johanniters (Seite
962, e).

Rocco Marconi, im Gedanken durchaus von den Genannten
abhängig, in der Farbe glühend und transparent wie Wenige, in den
Charakteren ungleich, hat sich einmal zu einer grossen Leistung zu-
fsammengenommen: die Kreuzabnahme (Acad. von Venedig). Seine
Halbfigurenbilder mit dem venez. Lieblingssujet der Ehebrecherin vor
gChristo (Pal. Manfrin; -- S. Pantaleone, Cap. 1. vom Chor, u. a. a. O.)
sind seelenlos aufgeschichtet; -- sein Christus zwischen 2 Aposteln
hist das eine mal (Acad. von Venedig) in Anordnung und Charakteren
iunfrei, das andere mal (S. Giov. e Paolo, rechtes Querschiff) eines
der besten Bilder der Schule, mit den schönsten, mildesten Köpfen,
zumal des Christus, der sich dem Christus Bellini's nähert. -- Eine
keinzelne Halbfigur (in der Academie) ist wiederum schwächer.

Lorenzo Lotto, halb Lombarde halb Venezianer, ist in den
Bildern der letztern Art, namentlich wo er sich dem Giorgione nä-
lhert, ein trefflicher Meister; so in dem Bilde al Carmine, 2. Alt. l.,
wo S. Nicolaus mit drei Engeln und zwei Heiligen auf Wolken über
einer morgendämmernden Meeresbucht schwebt; noch in äusserster
Verderbniss ein herrliches poetisches Werk. -- Im rechten Querschiff
mvon SS. Giov. e Paolo der von Engeln umgebene S. Antonin, dessen
Capläne Bittschriften annehmen und Almosen vertheilen. -- Madonnen
nmit Heiligen mehr in Palma's Art: Pal. Manfrin; Uffizien etc. -- Das
oHalbfigurenbild der drei Menschenalter, im Pal. Pitti, sehr ansprechend
pin Giorgione's Art. -- In S. Giacomo dall' Orio ein Altarbild im l.
Querschiff, thronende Madonna mit vier Heiligen, ein Werk seines
Alters (1546).


Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
a— Museum von Neapel; — noch sehr schöne: Pal. Adorno in Genua;
b— Pal. Colonna in Rom (wo noch ein anderes herrliches Bild ähn-
licher Art, kenntlich an der zwei Augen auf Nadeln haltenden S. Lu-
ccia, als Jugendwerk Tizians gilt); — Pal. Pitti, u. a. a. O. — Ein
schönes Altarbild von 5 grössern Figuren (in der Mitte Johannes d.
dT.) auf dem 1. Alt. r. in S. Cassiano zu Venedig sieht eher dem Rocco
Marconi ähnlich. — Das Porträt eines reichgekleideten Mathematikers
e(Pal. Pitti), ein Kopf von der hohen Gattung des Johanniters (Seite
962, e).

Rocco Marconi, im Gedanken durchaus von den Genannten
abhängig, in der Farbe glühend und transparent wie Wenige, in den
Charakteren ungleich, hat sich einmal zu einer grossen Leistung zu-
fsammengenommen: die Kreuzabnahme (Acad. von Venedig). Seine
Halbfigurenbilder mit dem venez. Lieblingssujet der Ehebrecherin vor
gChristo (Pal. Manfrin; — S. Pantaleone, Cap. 1. vom Chor, u. a. a. O.)
sind seelenlos aufgeschichtet; — sein Christus zwischen 2 Aposteln
hist das eine mal (Acad. von Venedig) in Anordnung und Charakteren
iunfrei, das andere mal (S. Giov. e Paolo, rechtes Querschiff) eines
der besten Bilder der Schule, mit den schönsten, mildesten Köpfen,
zumal des Christus, der sich dem Christus Bellini’s nähert. — Eine
keinzelne Halbfigur (in der Academie) ist wiederum schwächer.

Lorenzo Lotto, halb Lombarde halb Venezianer, ist in den
Bildern der letztern Art, namentlich wo er sich dem Giorgione nä-
lhert, ein trefflicher Meister; so in dem Bilde al Carmine, 2. Alt. l.,
wo S. Nicolaus mit drei Engeln und zwei Heiligen auf Wolken über
einer morgendämmernden Meeresbucht schwebt; noch in äusserster
Verderbniss ein herrliches poetisches Werk. — Im rechten Querschiff
mvon SS. Giov. e Paolo der von Engeln umgebene S. Antonin, dessen
Capläne Bittschriften annehmen und Almosen vertheilen. — Madonnen
nmit Heiligen mehr in Palma’s Art: Pal. Manfrin; Uffizien etc. — Das
oHalbfigurenbild der drei Menschenalter, im Pal. Pitti, sehr ansprechend
pin Giorgione’s Art. — In S. Giacomo dall’ Orio ein Altarbild im l.
Querschiff, thronende Madonna mit vier Heiligen, ein Werk seines
Alters (1546).


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0988" n="966"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.</hi></fw><lb/><note place="left">a</note>&#x2014; Museum von Neapel; &#x2014; noch sehr schöne: Pal. Adorno in Genua;<lb/><note place="left">b</note>&#x2014; Pal. Colonna in Rom (wo noch ein anderes herrliches Bild ähn-<lb/>
licher Art, kenntlich an der zwei Augen auf Nadeln haltenden S. Lu-<lb/><note place="left">c</note>cia, als Jugendwerk Tizians gilt); &#x2014; Pal. Pitti, u. a. a. O. &#x2014; Ein<lb/>
schönes Altarbild von 5 grössern Figuren (in der Mitte Johannes d.<lb/><note place="left">d</note>T.) auf dem 1. Alt. r. in S. Cassiano zu Venedig sieht eher dem Rocco<lb/>
Marconi ähnlich. &#x2014; Das Porträt eines reichgekleideten Mathematikers<lb/><note place="left">e</note>(Pal. Pitti), ein Kopf von der hohen Gattung des Johanniters (Seite<lb/>
962, e).</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Rocco Marconi</hi>, im Gedanken durchaus von den Genannten<lb/>
abhängig, in der Farbe glühend und transparent wie Wenige, in den<lb/>
Charakteren ungleich, hat sich einmal zu einer grossen Leistung zu-<lb/><note place="left">f</note>sammengenommen: die Kreuzabnahme (Acad. von Venedig). Seine<lb/>
Halbfigurenbilder mit dem venez. Lieblingssujet der Ehebrecherin vor<lb/><note place="left">g</note>Christo (Pal. Manfrin; &#x2014; S. Pantaleone, Cap. 1. vom Chor, u. a. a. O.)<lb/>
sind seelenlos aufgeschichtet; &#x2014; sein Christus zwischen 2 Aposteln<lb/><note place="left">h</note>ist das eine mal (Acad. von Venedig) in Anordnung und Charakteren<lb/><note place="left">i</note>unfrei, das andere mal (S. Giov. e Paolo, rechtes Querschiff) eines<lb/>
der besten Bilder der Schule, mit den schönsten, mildesten Köpfen,<lb/>
zumal des Christus, der sich dem Christus Bellini&#x2019;s nähert. &#x2014; Eine<lb/><note place="left">k</note>einzelne Halbfigur (in der Academie) ist wiederum schwächer.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Lorenzo Lotto</hi>, halb Lombarde halb Venezianer, ist in den<lb/>
Bildern der letztern Art, namentlich wo er sich dem Giorgione nä-<lb/><note place="left">l</note>hert, ein trefflicher Meister; so in dem Bilde al Carmine, 2. Alt. l.,<lb/>
wo S. Nicolaus mit drei Engeln und zwei Heiligen auf Wolken über<lb/>
einer morgendämmernden Meeresbucht schwebt; noch in äusserster<lb/>
Verderbniss ein herrliches poetisches Werk. &#x2014; Im rechten Querschiff<lb/><note place="left">m</note>von SS. Giov. e Paolo der von Engeln umgebene S. Antonin, dessen<lb/>
Capläne Bittschriften annehmen und Almosen vertheilen. &#x2014; Madonnen<lb/><note place="left">n</note>mit Heiligen mehr in Palma&#x2019;s Art: Pal. Manfrin; Uffizien etc. &#x2014; Das<lb/><note place="left">o</note>Halbfigurenbild der drei Menschenalter, im Pal. Pitti, sehr ansprechend<lb/><note place="left">p</note>in Giorgione&#x2019;s Art. &#x2014; In S. Giacomo dall&#x2019; Orio ein Altarbild im l.<lb/>
Querschiff, thronende Madonna mit vier Heiligen, ein Werk seines<lb/>
Alters (1546).</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[966/0988] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig. — Museum von Neapel; — noch sehr schöne: Pal. Adorno in Genua; — Pal. Colonna in Rom (wo noch ein anderes herrliches Bild ähn- licher Art, kenntlich an der zwei Augen auf Nadeln haltenden S. Lu- cia, als Jugendwerk Tizians gilt); — Pal. Pitti, u. a. a. O. — Ein schönes Altarbild von 5 grössern Figuren (in der Mitte Johannes d. T.) auf dem 1. Alt. r. in S. Cassiano zu Venedig sieht eher dem Rocco Marconi ähnlich. — Das Porträt eines reichgekleideten Mathematikers (Pal. Pitti), ein Kopf von der hohen Gattung des Johanniters (Seite 962, e). a b c d e Rocco Marconi, im Gedanken durchaus von den Genannten abhängig, in der Farbe glühend und transparent wie Wenige, in den Charakteren ungleich, hat sich einmal zu einer grossen Leistung zu- sammengenommen: die Kreuzabnahme (Acad. von Venedig). Seine Halbfigurenbilder mit dem venez. Lieblingssujet der Ehebrecherin vor Christo (Pal. Manfrin; — S. Pantaleone, Cap. 1. vom Chor, u. a. a. O.) sind seelenlos aufgeschichtet; — sein Christus zwischen 2 Aposteln ist das eine mal (Acad. von Venedig) in Anordnung und Charakteren unfrei, das andere mal (S. Giov. e Paolo, rechtes Querschiff) eines der besten Bilder der Schule, mit den schönsten, mildesten Köpfen, zumal des Christus, der sich dem Christus Bellini’s nähert. — Eine einzelne Halbfigur (in der Academie) ist wiederum schwächer. f g h i k Lorenzo Lotto, halb Lombarde halb Venezianer, ist in den Bildern der letztern Art, namentlich wo er sich dem Giorgione nä- hert, ein trefflicher Meister; so in dem Bilde al Carmine, 2. Alt. l., wo S. Nicolaus mit drei Engeln und zwei Heiligen auf Wolken über einer morgendämmernden Meeresbucht schwebt; noch in äusserster Verderbniss ein herrliches poetisches Werk. — Im rechten Querschiff von SS. Giov. e Paolo der von Engeln umgebene S. Antonin, dessen Capläne Bittschriften annehmen und Almosen vertheilen. — Madonnen mit Heiligen mehr in Palma’s Art: Pal. Manfrin; Uffizien etc. — Das Halbfigurenbild der drei Menschenalter, im Pal. Pitti, sehr ansprechend in Giorgione’s Art. — In S. Giacomo dall’ Orio ein Altarbild im l. Querschiff, thronende Madonna mit vier Heiligen, ein Werk seines Alters (1546). l m n o p

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/988
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 966. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/988>, abgerufen am 17.07.2024.