amalt, im Pal. Manfrin; Sassoferrato's schöne aber minder energische Copie im Pal. Borghese zu Rom. (Hirt und Hirtin auf einer Wald- wiese, seitwärts Kinder, in der Ferne ein Greis.) Das andere, im bPal. Borghese zu Rom: amor sacro ed amor profano, d. h. Liebe und Sprödigkeit, ein Thema, welches z. B. schon von Perugino behandelt worden war. Diese Bedeutung wird auf alle mögliche Weise klar gemacht: die vollkommene Bekleidung der einen Figur 1), selbst mit Handschuhen; die zerpflückte Rose; am Brunnensarcophag das Relief eines von Genien mit Geisselhieben aus dem Schlaf geweckten Amors; die Kaninchen; das Liebespaar in der Ferne. -- Beide Bilder, vorzüglich das letztere, üben jenen traumhaften Zauber aus, den man nur in Gleichnissen schildern und durch Worte vielleicht überhaupt nur entweihen könnte.
Unter den Schülern und Gehülfen Tizians begegnen wir zunächst einigen seiner Verwandten. Von seinem Bruder Francesco Ve- ccellio sind z. B. die Orgelflügel in S. Salvatore gemalt; ein Bischof, der knieende Mönche ordinirt, und S. Mauritius in einer Landschaft, in jener grandiosen, freien Darstellungsweise, welche man in den Fres- ken zu Padua bemerkt. -- Von seinem Neffen Marco Vecellio eine dfarbenglühende Madonna della misericordia im Pal. Pitti, und in eS. Giovanni Elemosinario zu Venedig (links) das Bild dieses Heiligen nebst S. Marcus und einem Stifter. -- Von seinem Sohn Orazio Ve- cellio ist wenig Namhaftes vorhanden.
Bonifazio Veneziano (1491--1563), ein mässig begabter Nachahmer Tizians, zeigt, wenn man seine Bilder als Ganzes über- sieht, welches in Venedig der Ersatz für die mangelnden Fresken war, nämlich jene grossen, auf Tuch gemalten Geschichten, welche an hei- liger und profaner Stätte in einiger Höhe, etwa oberhalb des Wand- getäfels aufgehängt wurden. Es ist für den ganzen Schulstyl von Bedeutung, dass das Breitbild hier (aus Gründen des Raumes) durchgehends den Vorzug erhielt vor dem Hochbild; die Erzählungs- weise selbst eines Paolo Veronese, welchem man später alle wünsch-
1) Sie erinnert an die Flora und an die Bella im Pal. Sciarra.
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
amalt, im Pal. Manfrin; Sassoferrato’s schöne aber minder energische Copie im Pal. Borghese zu Rom. (Hirt und Hirtin auf einer Wald- wiese, seitwärts Kinder, in der Ferne ein Greis.) Das andere, im bPal. Borghese zu Rom: amor sacro ed amor profano, d. h. Liebe und Sprödigkeit, ein Thema, welches z. B. schon von Perugino behandelt worden war. Diese Bedeutung wird auf alle mögliche Weise klar gemacht: die vollkommene Bekleidung der einen Figur 1), selbst mit Handschuhen; die zerpflückte Rose; am Brunnensarcophag das Relief eines von Genien mit Geisselhieben aus dem Schlaf geweckten Amors; die Kaninchen; das Liebespaar in der Ferne. — Beide Bilder, vorzüglich das letztere, üben jenen traumhaften Zauber aus, den man nur in Gleichnissen schildern und durch Worte vielleicht überhaupt nur entweihen könnte.
Unter den Schülern und Gehülfen Tizians begegnen wir zunächst einigen seiner Verwandten. Von seinem Bruder Francesco Ve- ccellio sind z. B. die Orgelflügel in S. Salvatore gemalt; ein Bischof, der knieende Mönche ordinirt, und S. Mauritius in einer Landschaft, in jener grandiosen, freien Darstellungsweise, welche man in den Fres- ken zu Padua bemerkt. — Von seinem Neffen Marco Vecellio eine dfarbenglühende Madonna della misericordia im Pal. Pitti, und in eS. Giovanni Elemosinario zu Venedig (links) das Bild dieses Heiligen nebst S. Marcus und einem Stifter. — Von seinem Sohn Orazio Ve- cellio ist wenig Namhaftes vorhanden.
Bonifazio Veneziano (1491—1563), ein mässig begabter Nachahmer Tizians, zeigt, wenn man seine Bilder als Ganzes über- sieht, welches in Venedig der Ersatz für die mangelnden Fresken war, nämlich jene grossen, auf Tuch gemalten Geschichten, welche an hei- liger und profaner Stätte in einiger Höhe, etwa oberhalb des Wand- getäfels aufgehängt wurden. Es ist für den ganzen Schulstyl von Bedeutung, dass das Breitbild hier (aus Gründen des Raumes) durchgehends den Vorzug erhielt vor dem Hochbild; die Erzählungs- weise selbst eines Paolo Veronese, welchem man später alle wünsch-
1) Sie erinnert an die Flora und an die Bella im Pal. Sciarra.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0998"n="976"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.</hi></fw><lb/><noteplace="left">a</note>malt, im Pal. Manfrin; Sassoferrato’s schöne aber minder energische<lb/>
Copie im Pal. Borghese zu Rom. (Hirt und Hirtin auf einer Wald-<lb/>
wiese, seitwärts Kinder, in der Ferne ein Greis.) Das andere, im<lb/><noteplace="left">b</note>Pal. Borghese zu Rom: <hirendition="#g">amor sacro ed amor profano</hi>, d. h.<lb/>
Liebe und Sprödigkeit, ein Thema, welches z. B. schon von Perugino<lb/>
behandelt worden war. Diese Bedeutung wird auf alle mögliche Weise<lb/>
klar gemacht: die vollkommene Bekleidung der einen Figur <noteplace="foot"n="1)">Sie erinnert an die Flora und an die Bella im Pal. Sciarra.</note>, selbst<lb/>
mit Handschuhen; die zerpflückte Rose; am Brunnensarcophag das<lb/>
Relief eines von Genien mit Geisselhieben aus dem Schlaf geweckten<lb/>
Amors; die Kaninchen; das Liebespaar in der Ferne. — Beide Bilder,<lb/>
vorzüglich das letztere, üben jenen traumhaften Zauber aus, den man<lb/>
nur in Gleichnissen schildern und durch Worte vielleicht überhaupt<lb/>
nur entweihen könnte.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Unter den Schülern und Gehülfen Tizians begegnen wir zunächst<lb/>
einigen seiner Verwandten. Von seinem Bruder <hirendition="#g">Francesco Ve-</hi><lb/><noteplace="left">c</note><hirendition="#g">cellio</hi> sind z. B. die Orgelflügel in S. Salvatore gemalt; ein Bischof,<lb/>
der knieende Mönche ordinirt, und S. Mauritius in einer Landschaft,<lb/>
in jener grandiosen, freien Darstellungsweise, welche man in den Fres-<lb/>
ken zu Padua bemerkt. — Von seinem Neffen <hirendition="#g">Marco Vecellio</hi> eine<lb/><noteplace="left">d</note>farbenglühende Madonna della misericordia im Pal. Pitti, und in<lb/><noteplace="left">e</note>S. Giovanni Elemosinario zu Venedig (links) das Bild dieses Heiligen<lb/>
nebst S. Marcus und einem Stifter. — Von seinem Sohn <hirendition="#g">Orazio Ve-<lb/>
cellio</hi> ist wenig Namhaftes vorhanden.</p><lb/><p><hirendition="#g">Bonifazio Veneziano</hi> (1491—1563), ein mässig begabter<lb/>
Nachahmer Tizians, zeigt, wenn man seine Bilder als Ganzes über-<lb/>
sieht, welches in Venedig der Ersatz für die mangelnden Fresken war,<lb/>
nämlich jene grossen, auf Tuch gemalten Geschichten, welche an hei-<lb/>
liger und profaner Stätte in einiger Höhe, etwa oberhalb des Wand-<lb/>
getäfels aufgehängt wurden. Es ist für den ganzen Schulstyl von<lb/>
Bedeutung, dass das <hirendition="#g">Breitbild</hi> hier (aus Gründen des Raumes)<lb/>
durchgehends den Vorzug erhielt vor dem Hochbild; die Erzählungs-<lb/>
weise selbst eines Paolo Veronese, welchem man später alle wünsch-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[976/0998]
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
malt, im Pal. Manfrin; Sassoferrato’s schöne aber minder energische
Copie im Pal. Borghese zu Rom. (Hirt und Hirtin auf einer Wald-
wiese, seitwärts Kinder, in der Ferne ein Greis.) Das andere, im
Pal. Borghese zu Rom: amor sacro ed amor profano, d. h.
Liebe und Sprödigkeit, ein Thema, welches z. B. schon von Perugino
behandelt worden war. Diese Bedeutung wird auf alle mögliche Weise
klar gemacht: die vollkommene Bekleidung der einen Figur 1), selbst
mit Handschuhen; die zerpflückte Rose; am Brunnensarcophag das
Relief eines von Genien mit Geisselhieben aus dem Schlaf geweckten
Amors; die Kaninchen; das Liebespaar in der Ferne. — Beide Bilder,
vorzüglich das letztere, üben jenen traumhaften Zauber aus, den man
nur in Gleichnissen schildern und durch Worte vielleicht überhaupt
nur entweihen könnte.
a
b
Unter den Schülern und Gehülfen Tizians begegnen wir zunächst
einigen seiner Verwandten. Von seinem Bruder Francesco Ve-
cellio sind z. B. die Orgelflügel in S. Salvatore gemalt; ein Bischof,
der knieende Mönche ordinirt, und S. Mauritius in einer Landschaft,
in jener grandiosen, freien Darstellungsweise, welche man in den Fres-
ken zu Padua bemerkt. — Von seinem Neffen Marco Vecellio eine
farbenglühende Madonna della misericordia im Pal. Pitti, und in
S. Giovanni Elemosinario zu Venedig (links) das Bild dieses Heiligen
nebst S. Marcus und einem Stifter. — Von seinem Sohn Orazio Ve-
cellio ist wenig Namhaftes vorhanden.
c
d
e
Bonifazio Veneziano (1491—1563), ein mässig begabter
Nachahmer Tizians, zeigt, wenn man seine Bilder als Ganzes über-
sieht, welches in Venedig der Ersatz für die mangelnden Fresken war,
nämlich jene grossen, auf Tuch gemalten Geschichten, welche an hei-
liger und profaner Stätte in einiger Höhe, etwa oberhalb des Wand-
getäfels aufgehängt wurden. Es ist für den ganzen Schulstyl von
Bedeutung, dass das Breitbild hier (aus Gründen des Raumes)
durchgehends den Vorzug erhielt vor dem Hochbild; die Erzählungs-
weise selbst eines Paolo Veronese, welchem man später alle wünsch-
1) Sie erinnert an die Flora und an die Bella im Pal. Sciarra.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 976. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/998>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.