Vaterstadt eine neue geistige Heimath finden dürfe in der1. Abschnitt. Sprache und Bildung, die ihm nicht mehr genommen werden könne, und auf diesen Punkt werden wir noch einmal zurückkommen.
Den Villani, Giovanni sowohl als Matteo, verdankenFlorentinische Statistik. wir nicht sowohl tiefe politische Betrachtungen als vielmehr frische, practische Urtheile und die Grundlage zur Statistik von Florenz, nebst wichtigen Angaben über andere Staaten. Handel und Industrie hatten auch hier neben dem politi- schen Denken das staatsöconomische geweckt. Ueber die Geldverhältnisse im Großen wußte man nirgends in der Welt so genauen Bescheid, anzufangen von der päpstlichen Curie zu Avignon, deren enormer Kassenbestand (25 Mill. Goldgulden beim Tode Johann's XXII.) nur aus so guten Quellen 1) glaublich wird. Nur hier erhalten wir Bescheid über colossale Anleihen z. B.: des Königs von England bei den florentinischen Häusern Bardi und Peruzzi, welche ein Guthaben von 1,365,000 Goldgulden -- eigenes und Com- pagnie-Geld -- einbüßten (1338) und sich dennoch wieder erholten 2). Das wichtigste aber sind die auf den Staat bezüglichen Angaben 3) aus jener nämlichen Zeit: Die Staatseinnahmen (über 300,000 Goldgulden) und Aus- gaben; die Bevölkerung der Stadt (hier noch sehr unvoll- kommen nach dem Brodconsum in bocche, d. h. Mäulern berechnet auf 90,000), und die des Staates; der Ueber- schuß von 300 bis 500 männlichen Geburten unter den 5800 bis 6000 alljährlichen Täuflingen des Battistero 4); die Schulkinder, von welchen 8 bis 10,000 lesen, 1000
2) Diese und ähnliche Notizen bei Giov. Villani XI, 87. XII, 54.
3)Giov. Villani XI, 91, s. -- Abweichend davon Macchiavelli, stor. fiorent. lib. II.
4) Der Pfarrer legte für jeden Knaben eine schwarze, für jedes Mäd- chen eine weiße Bohne bei Seite; dieß war die ganze Controle.
Vaterſtadt eine neue geiſtige Heimath finden dürfe in der1. Abſchnitt. Sprache und Bildung, die ihm nicht mehr genommen werden könne, und auf dieſen Punkt werden wir noch einmal zurückkommen.
Den Villani, Giovanni ſowohl als Matteo, verdankenFlorentiniſche Statiſtik. wir nicht ſowohl tiefe politiſche Betrachtungen als vielmehr friſche, practiſche Urtheile und die Grundlage zur Statiſtik von Florenz, nebſt wichtigen Angaben über andere Staaten. Handel und Induſtrie hatten auch hier neben dem politi- ſchen Denken das ſtaatsöconomiſche geweckt. Ueber die Geldverhältniſſe im Großen wußte man nirgends in der Welt ſo genauen Beſcheid, anzufangen von der päpſtlichen Curie zu Avignon, deren enormer Kaſſenbeſtand (25 Mill. Goldgulden beim Tode Johann's XXII.) nur aus ſo guten Quellen 1) glaublich wird. Nur hier erhalten wir Beſcheid über coloſſale Anleihen z. B.: des Königs von England bei den florentiniſchen Häuſern Bardi und Peruzzi, welche ein Guthaben von 1,365,000 Goldgulden — eigenes und Com- pagnie-Geld — einbüßten (1338) und ſich dennoch wieder erholten 2). Das wichtigſte aber ſind die auf den Staat bezüglichen Angaben 3) aus jener nämlichen Zeit: Die Staatseinnahmen (über 300,000 Goldgulden) und Aus- gaben; die Bevölkerung der Stadt (hier noch ſehr unvoll- kommen nach dem Brodconſum in bocche, d. h. Mäulern berechnet auf 90,000), und die des Staates; der Ueber- ſchuß von 300 bis 500 männlichen Geburten unter den 5800 bis 6000 alljährlichen Täuflingen des Battiſtero 4); die Schulkinder, von welchen 8 bis 10,000 leſen, 1000
2) Dieſe und ähnliche Notizen bei Giov. Villani XI, 87. XII, 54.
3)Giov. Villani XI, 91, s. — Abweichend davon Macchiavelli, stor. fiorent. lib. II.
4) Der Pfarrer legte für jeden Knaben eine ſchwarze, für jedes Mäd- chen eine weiße Bohne bei Seite; dieß war die ganze Controle.
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Vaterſtadt eine neue geiſtige Heimath finden dürfe in der
Sprache und Bildung, die ihm nicht mehr genommen werden
könne, und auf dieſen Punkt werden wir noch einmal
zurückkommen.
1. Abſchnitt.
Den Villani, Giovanni ſowohl als Matteo, verdanken
wir nicht ſowohl tiefe politiſche Betrachtungen als vielmehr
friſche, practiſche Urtheile und die Grundlage zur Statiſtik
von Florenz, nebſt wichtigen Angaben über andere Staaten.
Handel und Induſtrie hatten auch hier neben dem politi-
ſchen Denken das ſtaatsöconomiſche geweckt. Ueber die
Geldverhältniſſe im Großen wußte man nirgends in der
Welt ſo genauen Beſcheid, anzufangen von der päpſtlichen
Curie zu Avignon, deren enormer Kaſſenbeſtand (25 Mill.
Goldgulden beim Tode Johann's XXII.) nur aus ſo guten
Quellen 1) glaublich wird. Nur hier erhalten wir Beſcheid über
coloſſale Anleihen z. B.: des Königs von England bei den
florentiniſchen Häuſern Bardi und Peruzzi, welche ein
Guthaben von 1,365,000 Goldgulden — eigenes und Com-
pagnie-Geld — einbüßten (1338) und ſich dennoch wieder
erholten 2). Das wichtigſte aber ſind die auf den Staat
bezüglichen Angaben 3) aus jener nämlichen Zeit: Die
Staatseinnahmen (über 300,000 Goldgulden) und Aus-
gaben; die Bevölkerung der Stadt (hier noch ſehr unvoll-
kommen nach dem Brodconſum in bocche, d. h. Mäulern
berechnet auf 90,000), und die des Staates; der Ueber-
ſchuß von 300 bis 500 männlichen Geburten unter den
5800 bis 6000 alljährlichen Täuflingen des Battiſtero 4);
die Schulkinder, von welchen 8 bis 10,000 leſen, 1000
Florentiniſche
Statiſtik.
1) Giov. Villani XI, 20. Vgl. Matt. Villani IX, 93.
2) Dieſe und ähnliche Notizen bei Giov. Villani XI, 87. XII, 54.
3) Giov. Villani XI, 91, s. — Abweichend davon Macchiavelli,
stor. fiorent. lib. II.
4) Der Pfarrer legte für jeden Knaben eine ſchwarze, für jedes Mäd-
chen eine weiße Bohne bei Seite; dieß war die ganze Controle.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/87>, abgerufen am 21.11.2024.
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