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Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

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Der Gesetzgeber hat demnach zu allererst nach den vorbeugenden Mitteln gesucht, welche einem unermeßlichen Uebel, das die Seelen und die Körper zugleich tödtet, entgegenzusetzen sind. Bei dem jüdischen Volke, sagt Herr Descuret in seiner "Medecine des passions" (Heilkunde der Leidenschaften), schweigt das Gesetz über Alles, was sich irgend auf die Trunksucht bezieht, so sehr war dieses Volk von Natur der Mäßigkeit beflissen. Und noch in unsern Tagen bewahrt dieses Volk einen solchen Widerwillen gegen dieses Laster, daß man nur sehr wenige Individuen desselben sich ihm hingeben sieht.

Bei den Athenern straften die Gesetze Draco's und Solon's die Trunkenheit mit dem Tode; der Archont oder die Magistratsperson, welche sich öffentlich betrunken zeigte, verfiel der Todesstrafe. Es gab sogar eigene Aufseher, ophtalmos genannt, welchen oblag, den Unstalten bei Trinkgelagen zu steuern. Lykurg befahl in Sparta, alle Weinstöcke auszurotten *).

*) Auch die Geten, ein slavischer Volksstamm in Thracien, wurden, trotz ihrer Liebe zum Weingenusse, durch einen ihrer Oberpriester dazu veranlaßt, alle Weinstöcke bei sich auszurotten, aus Besorgniß nämlich, daß die Gewohnheit des Weintrinkens sie zu Sclaven der Römer machen würde, welchen sie auch erst lange nachher, nach tapferem Widerstande, zur Zeit des Trajan erlagen.
Die alten Mexikaner durften, ohne ausdrückliche Erlaubniß der Obrigkeit, keine berauschenden Getränke zu sich nehmen, deren Genuß nur den Alten und Kranken gestattet wurde. Nur an Tagen, wo entweder Feste gefeiert, oder gemeinschaftliche Arbeiten verrichtet werden sollten, wurde einem Jeden obrigkeitlich ein gewisses Maß zugetheilt. Wer sich betrank, dem wurde der Bart öffentlich abgeschoren, seine Güter und Würden wurden eingezogen und sein Haus niedergerissen, als Andeutung, daß er nicht länger würdig sei, in der bürgerlichen Gesellschaft zu erscheinen, weil er seine Vernunft verloren habe.
Auch die alten Schotten legten ihre Verachtung der Trunkenbolde auf eine eigenthümliche Weise an den Tag, indem sie nämlich Jeden nach Belieben trinken ließen, ihn aber in's Wasser stürzten, wenn er sich betrunken hatte.
Bei den alten Deutschen dagegen galt es von jeher, wie leider bei nur zu vielen noch jetzt, für eine Ehre, im Trinken von Wein,

Der Gesetzgeber hat demnach zu allererst nach den vorbeugenden Mitteln gesucht, welche einem unermeßlichen Uebel, das die Seelen und die Körper zugleich tödtet, entgegenzusetzen sind. Bei dem jüdischen Volke, sagt Herr Descuret in seiner „Médecine des passions“ (Heilkunde der Leidenschaften), schweigt das Gesetz über Alles, was sich irgend auf die Trunksucht bezieht, so sehr war dieses Volk von Natur der Mäßigkeit beflissen. Und noch in unsern Tagen bewahrt dieses Volk einen solchen Widerwillen gegen dieses Laster, daß man nur sehr wenige Individuen desselben sich ihm hingeben sieht.

Bei den Athenern straften die Gesetze Draco’s und Solon’s die Trunkenheit mit dem Tode; der Archont oder die Magistratsperson, welche sich öffentlich betrunken zeigte, verfiel der Todesstrafe. Es gab sogar eigene Aufseher, ophtalmos genannt, welchen oblag, den Unstalten bei Trinkgelagen zu steuern. Lykurg befahl in Sparta, alle Weinstöcke auszurotten *).

*) Auch die Geten, ein slavischer Volksstamm in Thracien, wurden, trotz ihrer Liebe zum Weingenusse, durch einen ihrer Oberpriester dazu veranlaßt, alle Weinstöcke bei sich auszurotten, aus Besorgniß nämlich, daß die Gewohnheit des Weintrinkens sie zu Sclaven der Römer machen würde, welchen sie auch erst lange nachher, nach tapferem Widerstande, zur Zeit des Trajan erlagen.
Die alten Mexikaner durften, ohne ausdrückliche Erlaubniß der Obrigkeit, keine berauschenden Getränke zu sich nehmen, deren Genuß nur den Alten und Kranken gestattet wurde. Nur an Tagen, wo entweder Feste gefeiert, oder gemeinschaftliche Arbeiten verrichtet werden sollten, wurde einem Jeden obrigkeitlich ein gewisses Maß zugetheilt. Wer sich betrank, dem wurde der Bart öffentlich abgeschoren, seine Güter und Würden wurden eingezogen und sein Haus niedergerissen, als Andeutung, daß er nicht länger würdig sei, in der bürgerlichen Gesellschaft zu erscheinen, weil er seine Vernunft verloren habe.
Auch die alten Schotten legten ihre Verachtung der Trunkenbolde auf eine eigenthümliche Weise an den Tag, indem sie nämlich Jeden nach Belieben trinken ließen, ihn aber in’s Wasser stürzten, wenn er sich betrunken hatte.
Bei den alten Deutschen dagegen galt es von jeher, wie leider bei nur zu vielen noch jetzt, für eine Ehre, im Trinken von Wein,
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[52/0062] Der Gesetzgeber hat demnach zu allererst nach den vorbeugenden Mitteln gesucht, welche einem unermeßlichen Uebel, das die Seelen und die Körper zugleich tödtet, entgegenzusetzen sind. Bei dem jüdischen Volke, sagt Herr Descuret in seiner „Médecine des passions“ (Heilkunde der Leidenschaften), schweigt das Gesetz über Alles, was sich irgend auf die Trunksucht bezieht, so sehr war dieses Volk von Natur der Mäßigkeit beflissen. Und noch in unsern Tagen bewahrt dieses Volk einen solchen Widerwillen gegen dieses Laster, daß man nur sehr wenige Individuen desselben sich ihm hingeben sieht. Bei den Athenern straften die Gesetze Draco’s und Solon’s die Trunkenheit mit dem Tode; der Archont oder die Magistratsperson, welche sich öffentlich betrunken zeigte, verfiel der Todesstrafe. Es gab sogar eigene Aufseher, ophtalmos genannt, welchen oblag, den Unstalten bei Trinkgelagen zu steuern. Lykurg befahl in Sparta, alle Weinstöcke auszurotten *). *) Auch die Geten, ein slavischer Volksstamm in Thracien, wurden, trotz ihrer Liebe zum Weingenusse, durch einen ihrer Oberpriester dazu veranlaßt, alle Weinstöcke bei sich auszurotten, aus Besorgniß nämlich, daß die Gewohnheit des Weintrinkens sie zu Sclaven der Römer machen würde, welchen sie auch erst lange nachher, nach tapferem Widerstande, zur Zeit des Trajan erlagen. Die alten Mexikaner durften, ohne ausdrückliche Erlaubniß der Obrigkeit, keine berauschenden Getränke zu sich nehmen, deren Genuß nur den Alten und Kranken gestattet wurde. Nur an Tagen, wo entweder Feste gefeiert, oder gemeinschaftliche Arbeiten verrichtet werden sollten, wurde einem Jeden obrigkeitlich ein gewisses Maß zugetheilt. Wer sich betrank, dem wurde der Bart öffentlich abgeschoren, seine Güter und Würden wurden eingezogen und sein Haus niedergerissen, als Andeutung, daß er nicht länger würdig sei, in der bürgerlichen Gesellschaft zu erscheinen, weil er seine Vernunft verloren habe. Auch die alten Schotten legten ihre Verachtung der Trunkenbolde auf eine eigenthümliche Weise an den Tag, indem sie nämlich Jeden nach Belieben trinken ließen, ihn aber in’s Wasser stürzten, wenn er sich betrunken hatte. Bei den alten Deutschen dagegen galt es von jeher, wie leider bei nur zu vielen noch jetzt, für eine Ehre, im Trinken von Wein,

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Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/62>, abgerufen am 24.11.2024.