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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Absicht -- Complott -- kann ein solches, die an sich selbst-
ständigen Thatantheile vereinigendes, Moment nicht abstrahirt
werden. Denn die bloße Verabredung enthält nur ein, für
das Strafrecht einflußloses, Vertragselement. Und wenn A
zufällig weiß, wie B handeln werde, und B weiß wie A
handeln werde, beide aber keine Kenntniß davon haben, daß
dieses Wissen ein gegenseitig bewußtes ist, so tritt, im Falle
dann beide thätig werden, der Erfolg ganz in der nämlichen
Weise ein, als wenn vorher eine Verabredung stattgefunden
hätte. -- Will man sich aber mit der Thatsache begnügen,
daß A die Thätigkeit des B, und dieser diejenige des A
vorausgesehen habe, so kommt man hiermit, da die bloße
Voraussicht den Thatantheil des Andern selbstverständlich
nicht verursacht, auf die andere Ansicht, nach welcher jede
Mitwirksamkeit das Ganze verursacht, und die Voraussicht
der andern Mitwirksamkeiten nicht für die Verursachung des
Ganzen sondern nur für die Zurechnung des verursachten
Ganzen zur Schuld von Bedeutung erscheint.

Als Mittel zur Vereinigung der verschiedenen selbst-
ständigen Thatantheile kann hiernach nur die Anstiftung
betrachtet werden. Aber selbst sie nur unter der Voraus-
setzung, daß man in ihr ein wirkliches Bestimmen des An-
gestifteten erblickt, nicht aber, wenn man sie, was das Richtige
ist (s. u.), lediglich als eine Mitwirksamkeit für den Erfolg
ansieht. Erstern Falls erklärt es sich allerdings, daß, wenn
A den B, zu seinem Thatantheil angestiftet hatte, er nicht
allein seinen eigenen Thatantheil sondern auch denjenigen
des B, als gleichfalls von ihm verursacht -- mithin das
Ganze -- verantworten muß. -- Die intellectuelle Beihülfe
hingegen kann als ein vereinigendes Moment nicht angesehen
werden, weil sie jedenfalls nicht als eine volle sondern nur
als eine Mitwirksamkeit erscheint. Hat sonach A nur den

Abſicht — Complott — kann ein ſolches, die an ſich ſelbſt-
ſtändigen Thatantheile vereinigendes, Moment nicht abſtrahirt
werden. Denn die bloße Verabredung enthält nur ein, für
das Strafrecht einflußloſes, Vertragselement. Und wenn A
zufällig weiß, wie B handeln werde, und B weiß wie A
handeln werde, beide aber keine Kenntniß davon haben, daß
dieſes Wiſſen ein gegenſeitig bewußtes iſt, ſo tritt, im Falle
dann beide thätig werden, der Erfolg ganz in der nämlichen
Weiſe ein, als wenn vorher eine Verabredung ſtattgefunden
hätte. — Will man ſich aber mit der Thatſache begnügen,
daß A die Thätigkeit des B, und dieſer diejenige des A
vorausgeſehen habe, ſo kommt man hiermit, da die bloße
Vorausſicht den Thatantheil des Andern ſelbſtverſtändlich
nicht verurſacht, auf die andere Anſicht, nach welcher jede
Mitwirkſamkeit das Ganze verurſacht, und die Vorausſicht
der andern Mitwirkſamkeiten nicht für die Verurſachung des
Ganzen ſondern nur für die Zurechnung des verurſachten
Ganzen zur Schuld von Bedeutung erſcheint.

Als Mittel zur Vereinigung der verſchiedenen ſelbſt-
ſtändigen Thatantheile kann hiernach nur die Anſtiftung
betrachtet werden. Aber ſelbſt ſie nur unter der Voraus-
ſetzung, daß man in ihr ein wirkliches Beſtimmen des An-
geſtifteten erblickt, nicht aber, wenn man ſie, was das Richtige
iſt (ſ. u.), lediglich als eine Mitwirkſamkeit für den Erfolg
anſieht. Erſtern Falls erklärt es ſich allerdings, daß, wenn
A den B, zu ſeinem Thatantheil angeſtiftet hatte, er nicht
allein ſeinen eigenen Thatantheil ſondern auch denjenigen
des B, als gleichfalls von ihm verurſacht — mithin das
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hingegen kann als ein vereinigendes Moment nicht angeſehen
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[107/0111] Abſicht — Complott — kann ein ſolches, die an ſich ſelbſt- ſtändigen Thatantheile vereinigendes, Moment nicht abſtrahirt werden. Denn die bloße Verabredung enthält nur ein, für das Strafrecht einflußloſes, Vertragselement. Und wenn A zufällig weiß, wie B handeln werde, und B weiß wie A handeln werde, beide aber keine Kenntniß davon haben, daß dieſes Wiſſen ein gegenſeitig bewußtes iſt, ſo tritt, im Falle dann beide thätig werden, der Erfolg ganz in der nämlichen Weiſe ein, als wenn vorher eine Verabredung ſtattgefunden hätte. — Will man ſich aber mit der Thatſache begnügen, daß A die Thätigkeit des B, und dieſer diejenige des A vorausgeſehen habe, ſo kommt man hiermit, da die bloße Vorausſicht den Thatantheil des Andern ſelbſtverſtändlich nicht verurſacht, auf die andere Anſicht, nach welcher jede Mitwirkſamkeit das Ganze verurſacht, und die Vorausſicht der andern Mitwirkſamkeiten nicht für die Verurſachung des Ganzen ſondern nur für die Zurechnung des verurſachten Ganzen zur Schuld von Bedeutung erſcheint. Als Mittel zur Vereinigung der verſchiedenen ſelbſt- ſtändigen Thatantheile kann hiernach nur die Anſtiftung betrachtet werden. Aber ſelbſt ſie nur unter der Voraus- ſetzung, daß man in ihr ein wirkliches Beſtimmen des An- geſtifteten erblickt, nicht aber, wenn man ſie, was das Richtige iſt (ſ. u.), lediglich als eine Mitwirkſamkeit für den Erfolg anſieht. Erſtern Falls erklärt es ſich allerdings, daß, wenn A den B, zu ſeinem Thatantheil angeſtiftet hatte, er nicht allein ſeinen eigenen Thatantheil ſondern auch denjenigen des B, als gleichfalls von ihm verurſacht — mithin das Ganze — verantworten muß. — Die intellectuelle Beihülfe hingegen kann als ein vereinigendes Moment nicht angeſehen werden, weil ſie jedenfalls nicht als eine volle ſondern nur als eine Mitwirkſamkeit erſcheint. Hat ſonach A nur den

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/111>, abgerufen am 24.11.2024.