Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

durch ein abgesprungenes Stück des bei dem Abschießen über-
laden gewesenen Gewehrlaufs getödtet wird, in welchem Falle
v. B. (S. 83) eine Unregelmäßigkeit annimmt und daher
Haftbarkeit für Vollendung bestreitet.

Aus seinen Vordersätzen zieht nun v. B. (S. 11) das
Resultat: der Mensch müsse als strafbare Ursache einer Er-
scheinung bezeichnet werden, wenn wir uns ihn dächten
als diejenige Bedingung, durch welche der sonst als regel-
mäßig gedachte Lauf (Verlauf S. 11 a. E.) der Erscheinungen
ein anderer geworden sei. Es wird jedoch diese Definition
nicht als eine berechtigte anerkannt werden dürfen. --
Offenbar ist der Mensch nicht schon dann Ursache, wenn er
nur als Bedingung gedacht wird, sondern erst dann, wenn
sich seine Handlung thatsächlich als wirksam für den Erfolg
erwiesen hat. Bleibt dies auch nur zweifelhaft, so kann von
einem gelieferten Beweis der Ursachlichkeit der Handlung keine
Rede sein. Noch weniger ist einzusehen, warum durch die
Handlung gerade der regelmäßige Verlauf der bereits
vorhandenen Erscheinungen abgeändert worden sein müsse.
Die Möglichkeit der Denkbarkeit eines regelmäßigen Verlaufs
der bereits vorhandenen Erscheinungen kann in einem gegebenen
Falle vollständig ausgeschlossen sein. Angenommen der
Reisende stehe bei Nacht auf einem Scheidewege. Der eine
Weg führe nach A., seinem Reiseziel, der andere in einen
Abgrund. Dann kann, während der Reisende noch deliberirt,
wie er sich aus der Verlegenheit helfen soll, Niemand auch
nur annähernd voraussagen, ob derselbe demnächst den richtigen
oder den falschen Weg einschlagen werde. Bezeichnet nun
ein Anderer dem Reisenden den falschen Weg als den richtigen,
damit er in den Abgrund stürzen solle, so wird denn doch
wohl behauptet werden müssen, daß derselbe, obwohl sich nicht
sagen läßt, er habe einen regelmäßigen Verlauf von Er-

durch ein abgeſprungenes Stück des bei dem Abſchießen über-
laden geweſenen Gewehrlaufs getödtet wird, in welchem Falle
v. B. (S. 83) eine Unregelmäßigkeit annimmt und daher
Haftbarkeit für Vollendung beſtreitet.

Aus ſeinen Vorderſätzen zieht nun v. B. (S. 11) das
Reſultat: der Menſch müſſe als ſtrafbare Urſache einer Er-
ſcheinung bezeichnet werden, wenn wir uns ihn dächten
als diejenige Bedingung, durch welche der ſonſt als regel-
mäßig gedachte Lauf (Verlauf S. 11 a. E.) der Erſcheinungen
ein anderer geworden ſei. Es wird jedoch dieſe Definition
nicht als eine berechtigte anerkannt werden dürfen. —
Offenbar iſt der Menſch nicht ſchon dann Urſache, wenn er
nur als Bedingung gedacht wird, ſondern erſt dann, wenn
ſich ſeine Handlung thatſächlich als wirkſam für den Erfolg
erwieſen hat. Bleibt dies auch nur zweifelhaft, ſo kann von
einem gelieferten Beweis der Urſachlichkeit der Handlung keine
Rede ſein. Noch weniger iſt einzuſehen, warum durch die
Handlung gerade der regelmäßige Verlauf der bereits
vorhandenen Erſcheinungen abgeändert worden ſein müſſe.
Die Möglichkeit der Denkbarkeit eines regelmäßigen Verlaufs
der bereits vorhandenen Erſcheinungen kann in einem gegebenen
Falle vollſtändig ausgeſchloſſen ſein. Angenommen der
Reiſende ſtehe bei Nacht auf einem Scheidewege. Der eine
Weg führe nach A., ſeinem Reiſeziel, der andere in einen
Abgrund. Dann kann, während der Reiſende noch deliberirt,
wie er ſich aus der Verlegenheit helfen ſoll, Niemand auch
nur annähernd vorausſagen, ob derſelbe demnächſt den richtigen
oder den falſchen Weg einſchlagen werde. Bezeichnet nun
ein Anderer dem Reiſenden den falſchen Weg als den richtigen,
damit er in den Abgrund ſtürzen ſolle, ſo wird denn doch
wohl behauptet werden müſſen, daß derſelbe, obwohl ſich nicht
ſagen läßt, er habe einen regelmäßigen Verlauf von Er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="10"/>
durch ein abge&#x017F;prungenes Stück des bei dem Ab&#x017F;chießen über-<lb/>
laden gewe&#x017F;enen Gewehrlaufs getödtet wird, in welchem Falle<lb/>
v. B. (S. 83) eine Unregelmäßigkeit annimmt und daher<lb/>
Haftbarkeit für Vollendung be&#x017F;treitet.</p><lb/>
        <p>Aus &#x017F;einen Vorder&#x017F;ätzen zieht nun v. B. (S. 11) das<lb/>
Re&#x017F;ultat: der Men&#x017F;ch mü&#x017F;&#x017F;e als &#x017F;trafbare Ur&#x017F;ache einer Er-<lb/>
&#x017F;cheinung bezeichnet werden, wenn wir uns ihn <hi rendition="#g">dächten</hi><lb/>
als diejenige Bedingung, durch welche der &#x017F;on&#x017F;t als regel-<lb/>
mäßig <hi rendition="#g">gedachte</hi> Lauf (Verlauf S. 11 a. E.) der Er&#x017F;cheinungen<lb/>
ein anderer geworden &#x017F;ei. Es wird jedoch die&#x017F;e Definition<lb/>
nicht als eine berechtigte anerkannt werden dürfen. &#x2014;<lb/>
Offenbar i&#x017F;t der Men&#x017F;ch nicht &#x017F;chon dann Ur&#x017F;ache, wenn er<lb/>
nur als Bedingung <hi rendition="#g">gedacht</hi> wird, &#x017F;ondern er&#x017F;t dann, wenn<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;eine Handlung that&#x017F;ächlich als wirk&#x017F;am für den Erfolg<lb/>
erwie&#x017F;en hat. Bleibt dies auch nur zweifelhaft, &#x017F;o kann von<lb/>
einem gelieferten Beweis der Ur&#x017F;achlichkeit der Handlung keine<lb/>
Rede &#x017F;ein. Noch weniger i&#x017F;t einzu&#x017F;ehen, warum durch die<lb/>
Handlung gerade der <hi rendition="#g">regelmäßige</hi> Verlauf der bereits<lb/>
vorhandenen Er&#x017F;cheinungen abgeändert worden &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Die Möglichkeit der Denkbarkeit eines regelmäßigen Verlaufs<lb/>
der bereits vorhandenen Er&#x017F;cheinungen kann in einem gegebenen<lb/>
Falle voll&#x017F;tändig ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein. Angenommen der<lb/>
Rei&#x017F;ende &#x017F;tehe bei Nacht auf einem Scheidewege. Der eine<lb/>
Weg führe nach A., &#x017F;einem Rei&#x017F;eziel, der andere in einen<lb/>
Abgrund. Dann kann, während der Rei&#x017F;ende noch deliberirt,<lb/>
wie er &#x017F;ich aus der Verlegenheit helfen &#x017F;oll, Niemand auch<lb/>
nur annähernd voraus&#x017F;agen, ob der&#x017F;elbe demnäch&#x017F;t den richtigen<lb/>
oder den fal&#x017F;chen Weg ein&#x017F;chlagen werde. Bezeichnet nun<lb/>
ein Anderer dem Rei&#x017F;enden den fal&#x017F;chen Weg als den richtigen,<lb/>
damit er in den Abgrund &#x017F;türzen &#x017F;olle, &#x017F;o wird denn doch<lb/>
wohl behauptet werden mü&#x017F;&#x017F;en, daß der&#x017F;elbe, obwohl &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;agen läßt, er habe einen regelmäßigen Verlauf von Er-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0014] durch ein abgeſprungenes Stück des bei dem Abſchießen über- laden geweſenen Gewehrlaufs getödtet wird, in welchem Falle v. B. (S. 83) eine Unregelmäßigkeit annimmt und daher Haftbarkeit für Vollendung beſtreitet. Aus ſeinen Vorderſätzen zieht nun v. B. (S. 11) das Reſultat: der Menſch müſſe als ſtrafbare Urſache einer Er- ſcheinung bezeichnet werden, wenn wir uns ihn dächten als diejenige Bedingung, durch welche der ſonſt als regel- mäßig gedachte Lauf (Verlauf S. 11 a. E.) der Erſcheinungen ein anderer geworden ſei. Es wird jedoch dieſe Definition nicht als eine berechtigte anerkannt werden dürfen. — Offenbar iſt der Menſch nicht ſchon dann Urſache, wenn er nur als Bedingung gedacht wird, ſondern erſt dann, wenn ſich ſeine Handlung thatſächlich als wirkſam für den Erfolg erwieſen hat. Bleibt dies auch nur zweifelhaft, ſo kann von einem gelieferten Beweis der Urſachlichkeit der Handlung keine Rede ſein. Noch weniger iſt einzuſehen, warum durch die Handlung gerade der regelmäßige Verlauf der bereits vorhandenen Erſcheinungen abgeändert worden ſein müſſe. Die Möglichkeit der Denkbarkeit eines regelmäßigen Verlaufs der bereits vorhandenen Erſcheinungen kann in einem gegebenen Falle vollſtändig ausgeſchloſſen ſein. Angenommen der Reiſende ſtehe bei Nacht auf einem Scheidewege. Der eine Weg führe nach A., ſeinem Reiſeziel, der andere in einen Abgrund. Dann kann, während der Reiſende noch deliberirt, wie er ſich aus der Verlegenheit helfen ſoll, Niemand auch nur annähernd vorausſagen, ob derſelbe demnächſt den richtigen oder den falſchen Weg einſchlagen werde. Bezeichnet nun ein Anderer dem Reiſenden den falſchen Weg als den richtigen, damit er in den Abgrund ſtürzen ſolle, ſo wird denn doch wohl behauptet werden müſſen, daß derſelbe, obwohl ſich nicht ſagen läßt, er habe einen regelmäßigen Verlauf von Er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/14
Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/14>, abgerufen am 21.11.2024.