Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

und wäre er auch der armseeligste Betler, zu
meinem Geselschafter hätte, dem ich sagen
könte, daß ich ihn lieb hätte, und der mir
wieder sagte, daß er mich auch lieb hätte!
Ware ich nur so glüklich, irgend ein zahmes
Thier -- einen Hund oder eine Kaze -- zu
besizen, dem ich Gutes erzeigen könte, um
mir seine Liebe zu erwerben! Aber so ganz
allein, von allen lebendigen Wesen so ganz
abgesondert zu sein! -- Hier rolte eine weh-
müthige Träne über seine Wangen.

Jezt erinnerte er sich der Zeit, da er mit
seinen Brüdern und andern Gespielen oft in
Unfriede und Zänkereien gelebt hatte; und er
erinnerte sich derselben mit der bittersten Reue.
Ach! dachte er, wie wenig wuste ich doch da-
mahls zu schäzen, wie viel ein Freund wohl werth
sei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer
Menschen sei, wenn wir glüklich leben wollen!
O wenn ich doch jezt in meine Jugend zurük-
gesezt würde, wie freundlich, wie gefällig,
wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine
Brüder und gegen andere Kinder betragen!

Wie

und waͤre er auch der armſeeligſte Betler, zu
meinem Geſelſchafter haͤtte, dem ich ſagen
koͤnte, daß ich ihn lieb haͤtte, und der mir
wieder ſagte, daß er mich auch lieb haͤtte!
Ware ich nur ſo gluͤklich, irgend ein zahmes
Thier — einen Hund oder eine Kaze — zu
beſizen, dem ich Gutes erzeigen koͤnte, um
mir ſeine Liebe zu erwerben! Aber ſo ganz
allein, von allen lebendigen Weſen ſo ganz
abgeſondert zu ſein! — Hier rolte eine weh-
muͤthige Traͤne uͤber ſeine Wangen.

Jezt erinnerte er ſich der Zeit, da er mit
ſeinen Bruͤdern und andern Geſpielen oft in
Unfriede und Zaͤnkereien gelebt hatte; und er
erinnerte ſich derſelben mit der bitterſten Reue.
Ach! dachte er, wie wenig wuſte ich doch da-
mahls zu ſchaͤzen, wie viel ein Freund wohl werth
ſei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer
Menſchen ſei, wenn wir gluͤklich leben wollen!
O wenn ich doch jezt in meine Jugend zuruͤk-
geſezt wuͤrde, wie freundlich, wie gefaͤllig,
wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine
Bruͤder und gegen andere Kinder betragen!

Wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="154"/>
und wa&#x0364;re er auch der arm&#x017F;eelig&#x017F;te Betler, zu<lb/>
meinem Ge&#x017F;el&#x017F;chafter ha&#x0364;tte, dem ich &#x017F;agen<lb/>
ko&#x0364;nte, daß ich ihn lieb ha&#x0364;tte, und der mir<lb/>
wieder &#x017F;agte, daß er mich auch lieb ha&#x0364;tte!<lb/>
Ware ich nur &#x017F;o glu&#x0364;klich, irgend ein zahmes<lb/>
Thier &#x2014; einen Hund oder eine Kaze &#x2014; zu<lb/>
be&#x017F;izen, dem ich Gutes erzeigen ko&#x0364;nte, um<lb/>
mir &#x017F;eine Liebe zu erwerben! Aber &#x017F;o ganz<lb/>
allein, von allen lebendigen We&#x017F;en &#x017F;o ganz<lb/>
abge&#x017F;ondert zu &#x017F;ein! &#x2014; Hier rolte eine weh-<lb/>
mu&#x0364;thige Tra&#x0364;ne u&#x0364;ber &#x017F;eine Wangen.</p><lb/>
          <p>Jezt erinnerte er &#x017F;ich der Zeit, da er mit<lb/>
&#x017F;einen Bru&#x0364;dern und andern Ge&#x017F;pielen oft in<lb/>
Unfriede und Za&#x0364;nkereien gelebt hatte; und er<lb/>
erinnerte &#x017F;ich der&#x017F;elben mit der bitter&#x017F;ten Reue.<lb/>
Ach! dachte er, wie wenig wu&#x017F;te ich doch da-<lb/>
mahls zu &#x017F;cha&#x0364;zen, wie viel ein Freund wohl werth<lb/>
&#x017F;ei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ei, wenn wir glu&#x0364;klich leben wollen!<lb/>
O wenn ich doch jezt in meine Jugend zuru&#x0364;k-<lb/>
ge&#x017F;ezt wu&#x0364;rde, wie freundlich, wie gefa&#x0364;llig,<lb/>
wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine<lb/>
Bru&#x0364;der und gegen andere Kinder betragen!<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0194] und waͤre er auch der armſeeligſte Betler, zu meinem Geſelſchafter haͤtte, dem ich ſagen koͤnte, daß ich ihn lieb haͤtte, und der mir wieder ſagte, daß er mich auch lieb haͤtte! Ware ich nur ſo gluͤklich, irgend ein zahmes Thier — einen Hund oder eine Kaze — zu beſizen, dem ich Gutes erzeigen koͤnte, um mir ſeine Liebe zu erwerben! Aber ſo ganz allein, von allen lebendigen Weſen ſo ganz abgeſondert zu ſein! — Hier rolte eine weh- muͤthige Traͤne uͤber ſeine Wangen. Jezt erinnerte er ſich der Zeit, da er mit ſeinen Bruͤdern und andern Geſpielen oft in Unfriede und Zaͤnkereien gelebt hatte; und er erinnerte ſich derſelben mit der bitterſten Reue. Ach! dachte er, wie wenig wuſte ich doch da- mahls zu ſchaͤzen, wie viel ein Freund wohl werth ſei und wie unentbehrlich uns die Liebe andrer Menſchen ſei, wenn wir gluͤklich leben wollen! O wenn ich doch jezt in meine Jugend zuruͤk- geſezt wuͤrde, wie freundlich, wie gefaͤllig, wie nachgebend wolt' ich mich gegen meine Bruͤder und gegen andere Kinder betragen! Wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/194
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/194>, abgerufen am 24.11.2024.