Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

deine warme, herzliche Theilnehmung sie zu einer
gleich offenherzigen Mittheilung reizen. Ein und
eben derselbe Geist der Ordnung, der Mäßigkeit,
der Einfalt, der ungekünstelten reinen Sitten,
und der Zufriedenheit müsse euch und euer Haus-
wesen beleben. Fort mit den heillosen Künsten
der Ueppigkeit aus euren Küchen und Kellern!
Fort aus euren Gemächern und Kleiderbehältnissen
mit dem ganzen armseeligen Prunk der Eitelkeit,
welche den Mangel wirklicher Verdienste durch
thörichten Flitterstaat in Kleidung und Hausge-
räth zu ersezen sucht! Zwar solst du kein Son-
derling sein, keine Verachtung dessen, was alge-
mein üblich ist, keine übertriebene Natürlichkeit
in gleichgültigen Dingen affektiren: aber kan
man dieser Maske, wohinter die Eitelkeit sich zu
verstekken sucht, nicht entbehren, ohne sich blind-
lings in den Weltstrom der Ueppigkeit und der
französirenden Galanterie zu stürzen? Kan man
sich nicht der schlichten Ordnung und der edlen
Einfalt befleißigen, ohne dem rohen Sohne der
Natur nachzuäffen, und ihn in einer abgeschmakten
Karrikatur darzustellen? --


Ordnung

deine warme, herzliche Theilnehmung ſie zu einer
gleich offenherzigen Mittheilung reizen. Ein und
eben derſelbe Geiſt der Ordnung, der Maͤßigkeit,
der Einfalt, der ungekuͤnſtelten reinen Sitten,
und der Zufriedenheit muͤſſe euch und euer Haus-
weſen beleben. Fort mit den heilloſen Kuͤnſten
der Ueppigkeit aus euren Kuͤchen und Kellern!
Fort aus euren Gemaͤchern und Kleiderbehaͤltniſſen
mit dem ganzen armſeeligen Prunk der Eitelkeit,
welche den Mangel wirklicher Verdienſte durch
thoͤrichten Flitterſtaat in Kleidung und Hausge-
raͤth zu erſezen ſucht! Zwar ſolſt du kein Son-
derling ſein, keine Verachtung deſſen, was alge-
mein uͤblich iſt, keine uͤbertriebene Natuͤrlichkeit
in gleichguͤltigen Dingen affektiren: aber kan
man dieſer Maske, wohinter die Eitelkeit ſich zu
verſtekken ſucht, nicht entbehren, ohne ſich blind-
lings in den Weltſtrom der Ueppigkeit und der
franzoͤſirenden Galanterie zu ſtuͤrzen? Kan man
ſich nicht der ſchlichten Ordnung und der edlen
Einfalt befleißigen, ohne dem rohen Sohne der
Natur nachzuaͤffen, und ihn in einer abgeſchmakten
Karrikatur darzuſtellen? —


Ordnung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="84"/>
deine warme, herzliche Theilnehmung &#x017F;ie zu einer<lb/>
gleich offenherzigen Mittheilung reizen. Ein und<lb/>
eben der&#x017F;elbe Gei&#x017F;t der Ordnung, der Ma&#x0364;ßigkeit,<lb/>
der Einfalt, der ungeku&#x0364;n&#x017F;telten reinen Sitten,<lb/>
und der Zufriedenheit mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e euch und euer Haus-<lb/>
we&#x017F;en beleben. Fort mit den heillo&#x017F;en Ku&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
der Ueppigkeit aus euren Ku&#x0364;chen und Kellern!<lb/>
Fort aus euren Gema&#x0364;chern und Kleiderbeha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mit dem ganzen arm&#x017F;eeligen Prunk der Eitelkeit,<lb/>
welche den Mangel wirklicher Verdien&#x017F;te durch<lb/>
tho&#x0364;richten Flitter&#x017F;taat in Kleidung und Hausge-<lb/>
ra&#x0364;th zu er&#x017F;ezen &#x017F;ucht! Zwar &#x017F;ol&#x017F;t du kein Son-<lb/>
derling &#x017F;ein, keine Verachtung de&#x017F;&#x017F;en, was alge-<lb/>
mein u&#x0364;blich i&#x017F;t, keine u&#x0364;bertriebene Natu&#x0364;rlichkeit<lb/>
in <hi rendition="#fr">gleichgu&#x0364;ltigen</hi> Dingen affektiren: aber kan<lb/>
man die&#x017F;er Maske, wohinter die Eitelkeit &#x017F;ich zu<lb/>
ver&#x017F;tekken &#x017F;ucht, nicht entbehren, ohne &#x017F;ich blind-<lb/>
lings in den Welt&#x017F;trom der Ueppigkeit und der<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;irenden Galanterie zu &#x017F;tu&#x0364;rzen? Kan man<lb/>
&#x017F;ich nicht der &#x017F;chlichten Ordnung und der edlen<lb/>
Einfalt befleißigen, ohne dem rohen Sohne der<lb/>
Natur nachzua&#x0364;ffen, und ihn in einer abge&#x017F;chmakten<lb/>
Karrikatur darzu&#x017F;tellen? &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Ordnung</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0114] deine warme, herzliche Theilnehmung ſie zu einer gleich offenherzigen Mittheilung reizen. Ein und eben derſelbe Geiſt der Ordnung, der Maͤßigkeit, der Einfalt, der ungekuͤnſtelten reinen Sitten, und der Zufriedenheit muͤſſe euch und euer Haus- weſen beleben. Fort mit den heilloſen Kuͤnſten der Ueppigkeit aus euren Kuͤchen und Kellern! Fort aus euren Gemaͤchern und Kleiderbehaͤltniſſen mit dem ganzen armſeeligen Prunk der Eitelkeit, welche den Mangel wirklicher Verdienſte durch thoͤrichten Flitterſtaat in Kleidung und Hausge- raͤth zu erſezen ſucht! Zwar ſolſt du kein Son- derling ſein, keine Verachtung deſſen, was alge- mein uͤblich iſt, keine uͤbertriebene Natuͤrlichkeit in gleichguͤltigen Dingen affektiren: aber kan man dieſer Maske, wohinter die Eitelkeit ſich zu verſtekken ſucht, nicht entbehren, ohne ſich blind- lings in den Weltſtrom der Ueppigkeit und der franzoͤſirenden Galanterie zu ſtuͤrzen? Kan man ſich nicht der ſchlichten Ordnung und der edlen Einfalt befleißigen, ohne dem rohen Sohne der Natur nachzuaͤffen, und ihn in einer abgeſchmakten Karrikatur darzuſtellen? — Ordnung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/114
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/114>, abgerufen am 23.11.2024.