Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

bedeuten solle: Ganz und gar nicht Ihr
Diener,
als es allen Großen der Erde frei stehen
würde, durch eine algemeine unter einander kon-
zertierte Verordnung zu bestimmen, daß ein hol-
ländischer Dukaten künftig nicht mehr, als einen
Gulden gelten solle. Dan würde nur der be-
trügen, der ihn noch immer zu einem Dukaten
ausgeben wolte. Und das würde auch der thun,
der Komplimentensprache für Herzenssprache uns
verkaufen wolte."

Also auch von dieser Art von Unwahrheit,
welche in der gesitteten menschlichen Geselschaft
nun einmahl unvermeidlich ist, kan hier nicht die
Rede sein. Und von welcher denn? Von der,
mein Sohn, welche mit geflissentlicher Falschheit,
welche mit dem Bewustsein der Absicht, andere
zu seinem Vortheile zu blenden, zu hintergehen,
verbunden ist; von der, die da macht, daß der
verfeinerte Weltmensch vom Scheitel bis zur
Fußsole in allen seinen Mienen, Gebehrden,
Worten und Handlungen eine einzige lügenhafte
Larve ist, welche Freundlichkeit, Wohlwollen,
Sanftmuth, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit und

eine

bedeuten ſolle: Ganz und gar nicht Ihr
Diener,
als es allen Großen der Erde frei ſtehen
wuͤrde, durch eine algemeine unter einander kon-
zertierte Verordnung zu beſtimmen, daß ein hol-
laͤndiſcher Dukaten kuͤnftig nicht mehr, als einen
Gulden gelten ſolle. Dan wuͤrde nur der be-
truͤgen, der ihn noch immer zu einem Dukaten
ausgeben wolte. Und das wuͤrde auch der thun,
der Komplimentenſprache fuͤr Herzensſprache uns
verkaufen wolte.„

Alſo auch von dieſer Art von Unwahrheit,
welche in der geſitteten menſchlichen Geſelſchaft
nun einmahl unvermeidlich iſt, kan hier nicht die
Rede ſein. Und von welcher denn? Von der,
mein Sohn, welche mit gefliſſentlicher Falſchheit,
welche mit dem Bewuſtſein der Abſicht, andere
zu ſeinem Vortheile zu blenden, zu hintergehen,
verbunden iſt; von der, die da macht, daß der
verfeinerte Weltmenſch vom Scheitel bis zur
Fußſole in allen ſeinen Mienen, Gebehrden,
Worten und Handlungen eine einzige luͤgenhafte
Larve iſt, welche Freundlichkeit, Wohlwollen,
Sanftmuth, Beſcheidenheit, Enthaltſamkeit und

eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="122"/>
bedeuten &#x017F;olle: <hi rendition="#fr">Ganz und gar nicht Ihr<lb/>
Diener,</hi> als es allen Großen der Erde frei &#x017F;tehen<lb/>
wu&#x0364;rde, durch eine algemeine unter einander kon-<lb/>
zertierte Verordnung zu be&#x017F;timmen, daß ein hol-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;cher Dukaten ku&#x0364;nftig nicht mehr, als einen<lb/>
Gulden gelten &#x017F;olle. Dan wu&#x0364;rde nur der be-<lb/>
tru&#x0364;gen, der ihn noch immer zu einem Dukaten<lb/>
ausgeben wolte. Und das wu&#x0364;rde auch der thun,<lb/>
der Komplimenten&#x017F;prache fu&#x0364;r Herzens&#x017F;prache uns<lb/>
verkaufen wolte.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o auch von die&#x017F;er Art von Unwahrheit,<lb/>
welche in der ge&#x017F;itteten men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;el&#x017F;chaft<lb/>
nun einmahl unvermeidlich i&#x017F;t, kan hier nicht die<lb/>
Rede &#x017F;ein. Und von welcher denn? Von der,<lb/>
mein Sohn, welche mit gefli&#x017F;&#x017F;entlicher Fal&#x017F;chheit,<lb/>
welche mit dem Bewu&#x017F;t&#x017F;ein der Ab&#x017F;icht, andere<lb/>
zu &#x017F;einem Vortheile zu blenden, zu hintergehen,<lb/>
verbunden i&#x017F;t; von der, die da macht, daß der<lb/>
verfeinerte Weltmen&#x017F;ch vom Scheitel bis zur<lb/>
Fuß&#x017F;ole in allen &#x017F;einen Mienen, Gebehrden,<lb/>
Worten und Handlungen eine einzige lu&#x0364;genhafte<lb/>
Larve i&#x017F;t, welche Freundlichkeit, Wohlwollen,<lb/>
Sanftmuth, Be&#x017F;cheidenheit, Enthalt&#x017F;amkeit und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0152] bedeuten ſolle: Ganz und gar nicht Ihr Diener, als es allen Großen der Erde frei ſtehen wuͤrde, durch eine algemeine unter einander kon- zertierte Verordnung zu beſtimmen, daß ein hol- laͤndiſcher Dukaten kuͤnftig nicht mehr, als einen Gulden gelten ſolle. Dan wuͤrde nur der be- truͤgen, der ihn noch immer zu einem Dukaten ausgeben wolte. Und das wuͤrde auch der thun, der Komplimentenſprache fuͤr Herzensſprache uns verkaufen wolte.„ Alſo auch von dieſer Art von Unwahrheit, welche in der geſitteten menſchlichen Geſelſchaft nun einmahl unvermeidlich iſt, kan hier nicht die Rede ſein. Und von welcher denn? Von der, mein Sohn, welche mit gefliſſentlicher Falſchheit, welche mit dem Bewuſtſein der Abſicht, andere zu ſeinem Vortheile zu blenden, zu hintergehen, verbunden iſt; von der, die da macht, daß der verfeinerte Weltmenſch vom Scheitel bis zur Fußſole in allen ſeinen Mienen, Gebehrden, Worten und Handlungen eine einzige luͤgenhafte Larve iſt, welche Freundlichkeit, Wohlwollen, Sanftmuth, Beſcheidenheit, Enthaltſamkeit und eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/152
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/152>, abgerufen am 17.05.2024.