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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Damit aber deine Menschenkentniß auch nicht
einseitig werden möge: so gewöhne dich, mein
Sohn, den Tugenden deiner Mitmenschen
noch viel eifriger, als ihren Thorheiten und
Lastern nachzuspüren
. Freue dich jeder ächten
Handlung der Gerechtigkeit, der Billigkeit, der
Großmuth, der Menschlichkeit, die du im Ver-
borgenen entdekst, als eines Zuwachses an Fa-
milienglanz, als einer Vergrößerung der Total-
summe menschlicher Glükseeligkeit, wovon auch
dir, wie jedem andern einzelnen Gliede der Ge-
selschaft, ein verhältnißmäßiger Antheil unaus-
bleiblich zufließen wird. Denn alle Handlungen
und Schiksale der Menschen, auch derer, welche
der Zeit nach durch Jahrtausende, dem Raume
nach durch Erdgürtel getrent sind, hängen, wie
die Tropfen des Weltmeers, wie die Glieder
einer einzigen unermeßlichen Kette, unzertrennlich
zusammen, und die Folge einer jeglichen guten
oder bösen That, welche auf der Erde geschieht,
läuft, wie elektrisches Feuer, durch die ganze Kette
vom ersten bis zum lezten Gliede derselben.


Bemühe

Damit aber deine Menſchenkentniß auch nicht
einſeitig werden moͤge: ſo gewoͤhne dich, mein
Sohn, den Tugenden deiner Mitmenſchen
noch viel eifriger, als ihren Thorheiten und
Laſtern nachzuſpuͤren
. Freue dich jeder aͤchten
Handlung der Gerechtigkeit, der Billigkeit, der
Großmuth, der Menſchlichkeit, die du im Ver-
borgenen entdekſt, als eines Zuwachſes an Fa-
milienglanz, als einer Vergroͤßerung der Total-
ſumme menſchlicher Gluͤkſeeligkeit, wovon auch
dir, wie jedem andern einzelnen Gliede der Ge-
ſelſchaft, ein verhaͤltnißmaͤßiger Antheil unaus-
bleiblich zufließen wird. Denn alle Handlungen
und Schikſale der Menſchen, auch derer, welche
der Zeit nach durch Jahrtauſende, dem Raume
nach durch Erdguͤrtel getrent ſind, haͤngen, wie
die Tropfen des Weltmeers, wie die Glieder
einer einzigen unermeßlichen Kette, unzertrennlich
zuſammen, und die Folge einer jeglichen guten
oder boͤſen That, welche auf der Erde geſchieht,
laͤuft, wie elektriſches Feuer, durch die ganze Kette
vom erſten bis zum lezten Gliede derſelben.


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[154/0184] Damit aber deine Menſchenkentniß auch nicht einſeitig werden moͤge: ſo gewoͤhne dich, mein Sohn, den Tugenden deiner Mitmenſchen noch viel eifriger, als ihren Thorheiten und Laſtern nachzuſpuͤren. Freue dich jeder aͤchten Handlung der Gerechtigkeit, der Billigkeit, der Großmuth, der Menſchlichkeit, die du im Ver- borgenen entdekſt, als eines Zuwachſes an Fa- milienglanz, als einer Vergroͤßerung der Total- ſumme menſchlicher Gluͤkſeeligkeit, wovon auch dir, wie jedem andern einzelnen Gliede der Ge- ſelſchaft, ein verhaͤltnißmaͤßiger Antheil unaus- bleiblich zufließen wird. Denn alle Handlungen und Schikſale der Menſchen, auch derer, welche der Zeit nach durch Jahrtauſende, dem Raume nach durch Erdguͤrtel getrent ſind, haͤngen, wie die Tropfen des Weltmeers, wie die Glieder einer einzigen unermeßlichen Kette, unzertrennlich zuſammen, und die Folge einer jeglichen guten oder boͤſen That, welche auf der Erde geſchieht, laͤuft, wie elektriſches Feuer, durch die ganze Kette vom erſten bis zum lezten Gliede derſelben. Bemuͤhe

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/184>, abgerufen am 17.05.2024.