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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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Nur daß du die Feinheit deiner Manieren und
Sitten nie so weit treibest, daß du darüber ver-
gessest, daß du ein Man und ein Deutscher seist!



Aber vor allen Dingen, mein Sohn, suche
dir ein recht großes Maaß von Heiterkeit
und guter Laune zu erwerben, damit du
nicht blos bei deinem Eintrit in die Welt,
sondern auch nachher, bei jeder geselligen
Zusammenkunft als ein freundlicher, leicht-
zubefriedigender und aufgewekter Gesel-
schafter erscheinest
. Gute Laune ist überal
wilkommen, böse nirgends; jene öfnet uns die
Herzen der Menschen, daß wir Eingang bei
ihnen finden, diese schließt sie vor uns zu; jene
macht, daß man unsere Fehler, diese, daß man
unsere Tugenden übersieht; jene ist das sicherste
Mittel, Misverständnissen und Feindschaften vor-
zubeugen, oder, wenn sie einmahl entstanden sind,
sie geschwind wieder zu vertilgen, diese ein im-
mer offenliegender Zunder, welcher bei den unbe-
deutendesten Kleinigkeiten Feuer fängt und Funken
sprühet, bis die Herzen aller gegen uns und

das
L 2

Nur daß du die Feinheit deiner Manieren und
Sitten nie ſo weit treibeſt, daß du daruͤber ver-
geſſeſt, daß du ein Man und ein Deutſcher ſeiſt!



Aber vor allen Dingen, mein Sohn, ſuche
dir ein recht großes Maaß von Heiterkeit
und guter Laune zu erwerben, damit du
nicht blos bei deinem Eintrit in die Welt,
ſondern auch nachher, bei jeder geſelligen
Zuſammenkunft als ein freundlicher, leicht-
zubefriedigender und aufgewekter Geſel-
ſchafter erſcheineſt
. Gute Laune iſt uͤberal
wilkommen, boͤſe nirgends; jene oͤfnet uns die
Herzen der Menſchen, daß wir Eingang bei
ihnen finden, dieſe ſchließt ſie vor uns zu; jene
macht, daß man unſere Fehler, dieſe, daß man
unſere Tugenden uͤberſieht; jene iſt das ſicherſte
Mittel, Misverſtaͤndniſſen und Feindſchaften vor-
zubeugen, oder, wenn ſie einmahl entſtanden ſind,
ſie geſchwind wieder zu vertilgen, dieſe ein im-
mer offenliegender Zunder, welcher bei den unbe-
deutendeſten Kleinigkeiten Feuer faͤngt und Funken
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das
L 2
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[163/0193] Nur daß du die Feinheit deiner Manieren und Sitten nie ſo weit treibeſt, daß du daruͤber ver- geſſeſt, daß du ein Man und ein Deutſcher ſeiſt! Aber vor allen Dingen, mein Sohn, ſuche dir ein recht großes Maaß von Heiterkeit und guter Laune zu erwerben, damit du nicht blos bei deinem Eintrit in die Welt, ſondern auch nachher, bei jeder geſelligen Zuſammenkunft als ein freundlicher, leicht- zubefriedigender und aufgewekter Geſel- ſchafter erſcheineſt. Gute Laune iſt uͤberal wilkommen, boͤſe nirgends; jene oͤfnet uns die Herzen der Menſchen, daß wir Eingang bei ihnen finden, dieſe ſchließt ſie vor uns zu; jene macht, daß man unſere Fehler, dieſe, daß man unſere Tugenden uͤberſieht; jene iſt das ſicherſte Mittel, Misverſtaͤndniſſen und Feindſchaften vor- zubeugen, oder, wenn ſie einmahl entſtanden ſind, ſie geſchwind wieder zu vertilgen, dieſe ein im- mer offenliegender Zunder, welcher bei den unbe- deutendeſten Kleinigkeiten Feuer faͤngt und Funken ſpruͤhet, bis die Herzen aller gegen uns und das L 2

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/193>, abgerufen am 24.11.2024.